Wenn die humanitäre Hilfe und
die Rhetorik den Interessen Israels dient - Ramona Wadi
- 12.08.2018 - Wieder einmal hat die UNO es vorgezogen zu
versuchen die Zukunft vorauszusagen anstatt den aktuellen Niedergang
in Gaza anzuerkennen, mit dem Ziel den permanenten Kolonialismus
rückgängig zu machen. Wieder hat Israel wieder die Einfuhr von
Treibstoff untersagt, der in der Enklave benötigt wird, um die
Not-Stromgeneratoren zu speisen und den unter den Stromkürzungen
leidenden Palästinensern etwas Erleichterung zu verschaffen.
Jamie McGoldrick, Koordinator der UN-Agentur für die Koordination
humanitärer Angelegenheiten in den besetzten Gebieten (OCAH),
sagte: "Das Wohlergehen von 2 Millionen Menschen, die Hälfte
davon Kinder, steht auf dem Spiel. Es ist nicht zu akzeptieren,
dass die Palästinenser in Gaza immer wieder der grundlegendsten
Dinge für ein menschenwürdiges Leben beraubt werden."
Die Erschöpfung der (Dinge für den) Grundbedarf ist an der Kippe
zum völligen Fehlen solcher Ressourcen. Die Krankenhäuser stehen
vor Schließungen, und die Patienten, die von elektrischen Apparaten
abhängen, sind in Gefahr, dass ihre Behandlung unterbrochen
wird. Dazu hat die OCAH auf die Verringerung der Geldmittel
für Treibstoff für den Notfall hingewiesen und erklärt, man
brauche mehr als 4.000 Millionen Dollar, "um sicherzustellen,
dass ein Mindestmaß an grundlegenden Dienstleistungen bis Ende
des Jahres aufrechterhalten werden kann."
McGoldrick sprach über die Notwendigkeit von "langfristigeren
Lösungen, um diesen Zyklus von wiederkehrenden bzw. sich verschlimmernden
Krisen zu überwinden, und auch die palästinensischen Autoritäten
sollten der Versorgung mit Treibstoff für die grundlegenden
Dienstleistungen den Vorrang einräumen". Bis dahin, erklärte
er, müßte Israel seine Restriktionen rückgängig machen, und
die Beitragszahler müßten zur Finanzierung des dringend benötigten
Treibstoffs beitragen.
Die Differenz zwischen der Rethorik der UN-Repräsentanten und
der vorsätzlichen Unterdrückung führt dazu, dass es unmöglich
ist zu dauerhaften Lösungen für die Palästinenser zu kommen.
Die internationalen Institutionen nutzen die (jeweilige) gerade
herrschende Situation, um jedes Mal, wenn Israel seine Rechtsverletzungen
wiederholt oder eine neue militärische Eskalation wagt, kurzfristig
eine Erleichterung zu sichern. Die Beibehaltung dieser Zweideutigkeit
hat eine Dynamik geschaffen, die versucht die Schäden ein wenig
zu reparieren, während Israel sich zu seinem nächsten Schritt
im Prozess der Kolonisierung entscheidet. Damit verstärkt sich
die Wechselwirkung zwischen der Hilfe und dem Missbrauch bis
zu dem Punkt, an dem ein Zyklus der Abhängigkeit zwischen beiden
Konzepten geschaffen wird.
In der Zwischenzeit ist Gaza gezwungen mit der Situation zurechtzukommen,
in der es wenig wahrscheinlich ist, dass irgendeine getroffene
Entscheidung irgendeinen Nutzen für die Palästinenser erbringt.
Bis zum Ende der Informationsveranstaltung von OCAH wird auf
die illegale Blockade Gazas, die Teil der kolonialen Strategie
Israels ist, hingewiesen, um zu betonen, dass sie "wegen der
Kollektivbestrafung und der Verletzungen der Menschenrechte
zusammen mit der ungelösten internen politischen Spaltung der
Palästinenser zu Besorgnis geführt hat". Letzteres ist wahr,
aber lediglich Teil einer größeren Infrastruktur.
Wir müssen uns fragen, warum die UNO entschlossen ist die Grenzen
zwischen der Verantwortung Israels und der der palästinensischen
Parteien zu verwischen. Läßt man die Kollaboration der Palästinensischen
Autonomiebehörde beiseite, dient diese Verflechtung nur dazu
die israelische Verantwortung zu eliminieren und ernste Zweifel
an der Beachtung des internationalen Rechts (Völkerrechts) zu
säen, wenn es zu nichts anderem als ein Mittel dient, um die
Reichweite der kolonialen (Rechts-)Verletzungen zu bestimmen.
Während die UNO und Israel damit beschäftigt sind ihre Strategien
zu perfektionieren, leben die Palästinenser in einer Welt, in
der die Erinnerung an ihre Zwangslage mit einer kurzfristig
und nicht in Bezug auf ihr Menschsein erbrachten Reaktion verknüpft
ist. Es war nicht nur Israel, das die Palästinenser entmenschlicht
hat. Durch die Beschränkung der Reaktionen auf die (Rechts-)Verletzungen
Israels anstatt auf die Rechte der Palästinenser hat die internationale
Gemeinschaft Palästina international dehumanisiert.
Quelle Übersetzung: K. Nebauer
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Israel
'wird ein völliger Polizeistaat', sagt Reza Aslan nach Verhör
an der Grenze - 15.08.2018 - Gestern hat Peter Beinart,
Schriftsteller und liberaler Zionist, mitgeteilt, dass er am
12.August am Ben Gurion-Flughafen für eine Stunde Befragung
über seine politischen Meinungen und Aktivitäten festgenommen
worden ist.
Der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu
veröffentlichte prompt eine noch nie dagewesene Erklärung, dass
die Festnahme ein Versehen war, und Beinart sagte, er würde
Netanyahus Entschuldigung nur dann akzeptieren, wenn dieser
sich bei den Palästinensern entschuldigt, die weit Schlimmeres
erdulden müssen. Viele Zionisten haben auf die Nachricht aufgebracht
reagiert, indem sie sagten, das Land würde sich in den Augen
der Welt selbst schaden, wenn es linksgerichtete Zionisten,
die zu Besuch kommen wollen, schikaniert. Und die israelische
Staatsanwältin sagte, sie sei dabei die Fälle von Festnahmen
zu überprüfen.
Rezal Aslan, der Bestsellerautor zu Religion, der im Iran
geboren wurde und in Los Angeles lebt, wurde von dem, was Beinart
erlebt hatte, dazu bewegt seine eigene Geschichte auf Twitter
zu erzählen:
Peters Erfahrung hat mich dazu angeregt die meine zu teilen.
Vor zwei Wochen, als ich die Grenze von Jordanien zurück nach
Israel überquerte, wurde ich von meiner Familie getrennt und
vom Shin Bet festgenommen. "Wir können es so machen, dass Sie
Ihre Kinder für lange Zeit nicht mehr sehen", wurde ich gewarnt.
Und dann geschah folgendes.
Die Dame vom Shin Bet, die bereits alles über meine und meiner
Familie Weltreise wußte, begann mit: "Sie meinen, dass, weil
Sie öffentliche Person sind, ich mit Ihnen nicht alles machen
kann, was ich will?" Ich war verblüfft. Auf diese Weise beginnen
Verhöre in Polizeistaaten.
"Warum hassen Sie Israel?", fragte sie. Ich antwortete: "Ich
hasse Israel nicht." "Aber Sie hassen unseren Premierminister."
"Entschuldigen Sie, ist Ihr Premierminister Israel?" "Er wurde
demokratisch gewählt." (Nein, das war er nicht, aber lassen
wir das.) "So war Trump, und ich hasse ihn und liebe Amerika."
"Ich weiss alles über Sie und Trump", spuckte sie. Ich hatte
die Liebe der israelischen Rechtsgerichteten zu unserem rassistischen,
Neo Nazis liebenden Präsidenten vergessen. "Sie meinen nicht,
dass Israel existieren sollte?" Das ist absurd, ich bin gegen
die Besatzung, nicht gegen Israel. Dann begann der eigentliche
Part des Polizeistaates.
Schreiben Sie die Namen der Palästinenser auf, die Sie kennen.
Schreiben Sie die Namen der Journalisten auf, mit denen Sie
in Verbindung stehen. Schreiben Sie die Namen der palästinensischen
Organisationen auf, die Sie unterstützen. Und ständig, immer
wieder diese Drohung: "Wenn Sie nicht kooperieren, wird eine
lange Zeit vergehen, bis Sie ihr Kinder wieder sehen."
Ich versuchte zu kooperieren, so gut ich konnte. Es waren 40
Grad. Meine Frau, meine beiden 6-Jährigen, mein 3-Jähriger und
meine beiden Schwager warteten stundenlang in der Sonne auf
mich. Aber (wieder die Taktik eines Polizeistaates): Bei jeder
Antwort, die ich gab, sagte sie, ich würde lügen. "Hören Sie
auf zu lügen", schrie sie.
Die Fragen wurden dümmer und surrealer: "Für wen hat Ihr Vater
im Iran gearbeitet?" Ich weiß es nicht. Ich war 7, als wir weggingen.
"O, Herr Akademiker! Sie können mir alles über das osmanische
Reich erzählen, und Sie kennen die Geschichte Ihres eigenen
Vaters nicht?" Zur Erinnerung: Ich bin kein Experte für das
osmanische Reich.
Schließlich nach Stunden auf diese Art warnte sie: "Ich kann
Sie nach Israel hereinlassen, aber Sie wissen, ich kann Sie
auch nicht hinauslassen. Ich werde Sie hier behalten und Ihre
Familie hinausbefördern. Es hängt von Ihnen ab. Sie würden Ihre
Kinder vermissen, oder?" Das, mein Freund, ist die Taktik des
klassischen Polizeistaates. Iran hat sie/ihn perfektioniert.
Ihre letzte Warnung war, nicht die Besetzten Gebiete zu besuchen.
Keinen Palästinenser und keinen Ärger machenden Israeli zu treffen
oder mit ihm zu sprechen. "Wir beobachten Sie." 2 Tage später
fuhr ich nach Bethlehem, zur Mauer, und machte dieses Foto:
Zwei Tage danach wurde der italienische Künstler, der dieses
Portrait von Ahed Tamimi gemalt hatte, festgenommen und deportiert.
Dies ist meine 4. Reise nach Israel in zehn Jahren, und jedesmal
war es schlimmer geworden. Man kann (Israel) nicht mehr als
Demokratie erkennen. Es ist dabei, ein voll ausgebildeter Polizeistaat
zu werden.
Als ich freigelassen wurde, waren meine evangelikalen Schwager
im Schock. "Ich hatte keine Vorstellung, dass es so ist", sagten
beide. Jetzt haben sie sie schon. Und so auch jeden Tag mehr
Amerikaner. Wenn Israel sie verliert, wer wird es weiterhin
gegen den Druck abschirmen, seinen Kurs zu ändern? Die Uhr tickt.
[...]
Quelle
Übersetzung: K. Nebauer
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Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost - Die folgende Nachricht haben wir gestern bekommen und veröffentlichen hier anonymisiert. Falls Journalisten die betroffenen Personen kontaktieren möchten - schicken Sie uns bitte eine Nachricht:
"Mein Name ist N. S., deutscher Staatsbürger, geboren in Berlin-Charlottenburg. Mein Vater ist palästinensischer, meine Mutter polnischer Herkunft, beide mit deutschem Pass. Ich bin verheiratet mit einer Palästinenserin israelischer Staatsbürgerschaft.
In der ersten Augustwoche besuchte ich die Familie meiner Frau im Norden Israels. Wir entschieden uns für 5 Tage nach Aqaba, Jordanien zu reisen. Auf dem Rückweg wurde ich bei der israelischen Passkontrolle festgehalten, mein Pass wurde mir entwendet und ich sollte auf Befragung warten. Die Familie meiner Frau musste bei 45 Grad Hitze außerhalb des Grenzpostens fünf Stunden auf mich warten. Das Verhör führten zwei Shabak Mitarbeiterinnen, der Tonfall und das Vorgehen dabei waren extrem aggressiv:
Ich wurde bedroht, mit Verbannung aus Israel, mit Gefängnis, etc.
Mir wurde vorgeworfen ich Lüge
Mir wurde vorgeworfen, dass ich “etwas schlimmes” gemacht habe, was nie näher spezifiziert wurde
Ich wurde über meine politische Meinung befragt (Gaza, Terror, Gewalt, Westbank, UN Resolutionen, Flüchtlingsstatus der Palästinenser, Israel)
Ich wurde gefragt wann ich das letzte mal “Steine nach Israelis geworfen” hätte
Mir wurde gesagt dass ich “Palästinensisches Blut” in mir hätte und ich deswegen ein Flüchtling bin
Mir wurde gesagt, dass ich in Israel nichts zu suchen hatte. Es wäre nicht mein Land, es wäre nicht wie Deutschland, welches alle Flüchtlinge aufnimmt.
Mein Handy wurde durchsucht, Fotos, chats, etc. Es wurde nach Begriffen wie “gaza” oder “violence” gesucht.
Namen, Adressen und Nummern von Verwandten und auch von Freunden in Berlin wurden aufgeschrieben
Der Familie meiner Frau wurde mit Ingewahrsamnahme gedroht (sie sind alle israelische Staatsbürger)
Ich reise seit Jahren regelmäßig nach Israel und bin lange Wartezeiten und Befragungen bei der Einreise gewohnt. Es war allerdings noch nie so aggressiv und intensiv. Laut meinen Kontakten in israel passiert dies in letzter Zeit häufiger und sogar Einreisenden mit jüdischen Wurzeln (siehe https://forward.com/opinion/ 408066/peter-beinart-i-was- detained-at-ben-gurion- airport-because-of-my-beliefs/ und https://972mag.com/in-israel- american-jews-can-kiss-their- privilege-goodbye/137175/ ).
Ich sehe das im Kontext des neuen Nationalitätsgesetzes aber auch im Zusammenhang mit den Protesten in Israel und dem Widerstand in Gaza.
Daher möchte ich jetzt versuchen mit meinen Erfahrungen an die Öffentlichkeit zu gehen. Ich habe detaillierte Aufzeichnungen und Notizen zu dem Verlauf, sowie den Fragen. Ich habe ausserdem Namen von der bearbeitenden Grenzbeamtin (Namen der Shabak-Agentinnen wurden mir verweigert Quelle
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