Gegenstand: Deutsche Unterstützung
gegen Annexion von Teilen der Westbank durch Israel
Update Nr. 367 - Gisela Siebourg - Freitag,
15.Mai 2020
*Allianz für Gerechtigkeit zwischen Israelis und
Palästinensern*
*An Steuer-Komitee der Deutschen Koordination Palestine Israel
Kairos Palestine Solidarity Network in Deutschland*
*Zur Kenntnisnahme des Hohen EU-Repräsentanten für Außen-Affären,
Mr. Josep Borrell, Außenminister der Europäischen Union*
*Gegenstand: Annexion
von Teilen der Westbank durch den Staat Israel*
Sehr geehrter Herr Borell!
Sehr geehrter Außenminister der EU-Mitgliedstaaten!
Das neue Koalitionsabkommen zwischen Netanyahu und Gantz folgt
Trumps sogenanntem „Friedensplan“ und enthält einen Plan für die
Annexion der palästinensischen Gebiete mit
1.Juli 2020. Das wäre eine eklatante Verletzung des Völkerrechts,
besonders der 4. Genfer Konvention, welche die Rechte und
Verpflichtungen einer okkupierenden Macht, wie Israel, regelt, sowie
verschiedener UN-Resolutionen, besonders Nr.2334 vom Dezember 2016.
1
Eine solche Aktion kann nicht nur mit „dem Ausdruck ernster
Besorgnis“ angenommen werden. Jedwede Unterstützung für Israel muss
abhängig gemacht werden von ihrer
Übereinstimmung mit dem Völkerrecht und den Menschenrechten. Wir
fordern daher die Europäische Union und die EU-Mitgliedstaaten im
Falle einer Annexion auf:
-die militärische Kooperation mit Israel, einschließlich dem
Waffenhandel zu beenden;
-
das EU-Israel-Assoziationsabkommen aufzuschieben;
-
Importe von Produkten der israelischen Siedlungen zu verbieten;
-
einen Handelsbann für Firmen einzuführen, die Geschäftsverbindungen
mit israelischen Siedlungen haben oder wirtschaftlich Nutzen ziehen
aus Siedlungen, und die Erfüllung dieses Bannes einzumahnen.
Die
Annexion wird die laufende Verletzung palästinensischer Rechte
einbeziehen. Mit der Annexion wird Israel auch die Siedlungen zu
offiziellem Staatsland machen – in Verletzung des Völkerrechts
(=internationalen Rechts). 2
Seit
seiner Gründung 1948 hat Israel sein nationales Gebiet von 55 % zu
derzeit 78 % des früheren Mandats Palästina ausgedehnt, und mit der
neuen Annexion würde sein Staatsgebiet noch größer werden. Die
Palästinenser bleiben mit zerstückelten, nicht zusammenhängenden
Gebieten („Bantustans“) zurück, die keinen lebensfähigen,
wirtschaftlich und politisch unabhängigen Staat bilden können. Diese
Gebiete würden auch von israelischem Gebiet umgeben sein und keine
Außengrenze mit irgendeinem anderen Staat haben; damit würde die
totale Kontrolle Israels über Exporte und Importe zementiert werden.
Damit
wird auch die Zweistaatenlösung, die die Politik der EU und ihrer
Mitgliedstaaten definiert, endgültig zu Grabe getragen. Ein Areal,
das annektiert werden soll, ist auch das fruchtbare Jordantal, das
für die palästinensische Landwirtschaft lebenswichtig ist. Es
bleiben nur 50.000 Palästinenser übrig von den 250.000, die 1967
dort lebten. Sie leben unter der Vorherrschaft von 9.000
israelischen Siedlern. Die Annexion lässt befürchten, dass weitere
Vertreibungen der übrigbleibenden palästinensischen Bevölkerung
stattfinden könnten.
Sogar
jetzt lebt die palästinensische Bevölkerung unter Okkupation in der
Westbank und im Gazastreifen, und erleidet tägliche Verletzungen
ihrer Menschenrechte: Beschränkungen der Bewegungsfreiheit durch
hunderte Checkpoints und durch ein System, Erlaubnisse (Permits) zu
fordern, willkürliche Festnahme (auch von Kindern) ohne Anklage und
ohne Verfahren (sogenannte Administrativhaft), Hauszerstörungen und
Vertreibungen, Landdiebstahl durch die ständige Ausdehnung der
israelischen Siedlungen und Außenposten, beschränktem Zugang zu
Wasser, Beschränkungen von wirtschaftlicher Entwicklung und mehr.
Amnesty International sagt: „Während mehr als einem halben
Jahrhundert der Okkupation hat Israel ein System von
institutionalisierter Diskriminierung gegen Palästinenser unter
ihrer Herrschaft aufgebaut, indem er ihnen ihre Grundrechte
verweigerte …“ 3
Die
Koalitionsvereinbarung sieht nichts vor über die Garantie der
Staatsbürgerrechte für Palästinenser in den annektierten Gebieten.
Die Annexion wird einen Apartheidstaat schaffen. 56 frühere
Knesset-Mitglieder haben davor gewarnt: „Eine Annexion würde einen
fatalen Schlag für die Möglichkeit eines Friedens darstellen und die
Errichtung eines Apartheid-staates bewirken.“ 4
50
frühere EU-Politiker haben auch davor gewarnt, dass der Trump-Plan
zur Apartheid führen würde. 5
Statt
der wiederholten Versicherungen der Betroffenheit oder
Verbalisierung von Protesten ohne Konsequenzen müssen die
europäischen Regierungen und die EU wirksame Schritte wie die oben
genannten Maßnahmen durchführen, um sicher zu stellen, dass der
Staat Israel zuletzt doch das Völkerrecht respektiert und den
Palästinensern Menschenrechte zugesteht. Israels Bestehen auf
Okkupation, Ausdehnung der Siedlungen und Annexion verletzt nicht
nur die Menschenrechte, sondern macht auch eine Zukunft in Frieden
zwischen den beiden Völkern unmöglich.
Es ist Zeit, den
Staat Palästina anzuerkennen.
Gisela Siebourg
KoPi – German Coordination Palestine – Israel
KPS – Kairos Palestine Solidarity Network in Germany
BIP – Alliance for justice between Israelis and Palestinians
1 https://www.un.org/press/en/2016/sc12657.doc.htm
2
Here is the report of the United Nations High Commissioner for Human
Rights on economic relations with Israeli settlements and the
database of participating companies >>>
3
https://www.amnesty.org/en/latest/news/2020/01/usa-israel-opt-dismal-peace-deal-will-exacerbate-violations/
4
https://de.scribd.com/document/456829672/Statement-by-56-Former-Members-of-the-Israeli-Parliament-Against-Annexation
5 https://www.theguardian.com/world/2019/apr/14/europe-must-stand-by-the-two-state-solution-for-israel-and-palestine
|

Der
Frieden muss die gefälschte Harmonie überschreiten
Palestine Update Nr. 362 – Meinung - Ranjan Solomon -
7.5.20
Israelis neigen dazu, den Punkt zu übersehen, wie ihr grausliches
Verhalten Palästinenser dehumanisiert und unterdrückt. Daher führen
sie hin und wieder, wenn sie die Schuld erfasst, das Theater der
falschen Einigkeit auf. Eine Initiative, 100 Palästinenser nach
Israel zu bringen, um mit 1000 oder mehr Israelis einen gemeinsamen
israelisch-palästinensischen Memorial Day zu begehen, war einfach
ein Streich, der vorgab, dass beide Völker ähnliche Schicksale
erlitten haben. Liberale zionistische Organisationen ziehen diese
Farce Jahr für Jahr hervor. Für die Palästinenser geht es darum,
dass beim „israelisch-palästinensischen Memorial Day
palästinensische Opfer nicht Teil der israelischen
Erinnerungsgeschichte sind; sie gehören zu der Narrative, wo
Palästinenser mit der Tatsache von Dekaden von Verlust,
Unterdrückung und Widerstand konfrontiert werden, die ständige
Gegenwart sind.
Israel vermisst auch ein anderes Schlüsselthema. Weil die Annexion
eine reale Bedrohung ist, nimmt die hirnlose und dumme israelische
Regierung an, sie könne tun was sie will, so lange eine
Trump-ähnliche Figur sie unterstützt. Palästinensisches Land gehört
Trump nicht, und das ist kein „Grundbesitz“-Thema. Es gibt rote
Linien, die Israel nicht zu überschreiten wagen darf. Eine dritte
Intifada muss dem überschwänglichen Leichtsinn von Seiten Israels
folgen.
Das kommt nicht von Palästinensern allein. Dabei kommt die
internationale Solidarität ins Spiel und man kann erwarten, dass die
muslimische Welt eingreifen wird, egal, ob ihre Führer dahinter
stehen oder nicht. Die Straße könnte explodieren und wir stehen am
Rande eines Quds-Tages – einem jährlichen Ereignis, das am letzten
Freitag im Ramadan stattfindet und 1979 von der Islamischen Republik
Iran initiiert wurde, um Unterstützung für die Palästinenser
auszudrücken,um dem Zionismus und Israel zu opponieren.
Der „Deal des Jahrhunderts“ hat sich bereits als Totgeburt erwiesen.
Trump und sein etwas dümmlicher Schwiegersohn haben wahrscheinlich
realisiert, dass große Worte und Symbole diese tragische und blutige
Schlacht der Wünsche nicht beenden werden. Weder Israelis noch die
Palästinenser werden ablassen von dem, das ihnen am teuersten ist:
Zionismus (für die Israelis) und das Rückkehrrecht für die
Palästinenser. Mit End-Status-Lösungen muss gerecht und umfassend
behandelt werden. Man kann nicht hoffen, dass politisches Flickwerk
einen umfassenden Frieden erzeugen kann.
Die untenstehenden Artikel sind länger, aber man muss sie lesen, um
die akuten Komplexitäten des israelisch-palästinensischen Konflikts
zu verstehen. Klar, Israel ist verpflichtet, sich wie ein
zivilisiertes und demokratisches Land zu verhalten, nicht wie ein
verschrobener Tyrann. Ranjan Solomon

*Die falsche Einigkeit der Erinnerung an die Toten
bei Israelis und Palästinensern*
(Auszüge aus einem Artikel von Lana Tartour)
Die falsche
Narrative - Gegen Ende des vergangenen Monats wurde eine
Zeremonie zum gemeinsamen israelisch-palästinensischen „Memorial
Day“ abgehalten, dargestellt als Alternative zu Israels offiziellen
nationalen Erinnerungs- und Gedächtnisfeiern. Aber: Die gemeinsame
Zeichensetzung ist eine falsche Narrative. Diese Zeremonie ist eine
israelische Initiative. Sie wird in Tel Aviv gleichzeitig mit
Israels offiziellen Feiern zum Memorial Day abgehalten und die
Teilnehmer sind überwiegend Israelis. Von der Handvoll
Palästinensern, die aus der besetzten Westbank kommen, wird von der
israelischen Regierung verlangt, Eintrittskarten zu erwerben, die
gewöhnlich nur nach Gerichtsbeschlüssen gefordert werden. 2019 z.B.
nahmen 10.000 Personen an der Zeremonie in Tel Aviv teil, aber nur
100 Teilnehmern aus der Westbank wurden Permits zugestanden.
In diesem Jahr wurde die Zeremonie durch Israelis und jüdische
Friedensgruppen getragen, wie „Peace Now“, J Street, ‚The Union for
Reform Judaism‘, ‚New Israel Fund‘ und unter anderem,
glaubensübergreifenden Gruppen. Die Liste der unterstützenden
liberalen zionistischen Organisationen erzählt von der Politik, die
dieses untermauern.
Mörderisches Kolonialregime - Die koloniale Gewalt, die Tod und
Beraubung auslöst, wird beiseitegelegt zu Gunsten dessen, was als
kräftige Darstellung einer humanistischen Vision gesehen wird. Sogar
jene, die okkupieren, kolonisieren oder Kriegsverbrechen begehen
haben eine Familie und geliebte Menschen, die sie betrauern. Aber
ist der Tod eines israelischen Soldaten und der seines
palästinensischen Opfers das Gleiche, einfach, weil um beide ihre
Familien trauern? Und was soll es heißen – politisch - von den
Palästinensern zu verlangen, um israelische Soldaten zu trauern?
Palästinensische Studenten protestieren, als ein israelischer Soldat
sein Gewehr in Hebron 2005 erhebt (AFP).
Die Zeremonie mag eine Läuterung sein für das schuldbewusste
liberale Gewissen, aber sie tut wenig für die Unterdrückten.
Beraubung und Leiden geschehen nicht in einem Vakuum; sie sind
politisch. Todesfälle unter denen, die okkupieren, kolonisieren und
unterdrücken gleichzusetzen mit denen, die okkupiert, kolonisiert
und unterdrückt werden, ist in sich selbst eine Form von Gewalt. Der
Tod und der Verlust, an die in dieser Zeremonie erinnert wird, sind
nicht das tragische Ergebnis eines fatalen Unfalls oder einer
Krankheit, sie sind das Produkt mörderischer kolonialer Gewalt. Die
gemeinsame Zeremonie wird von einer israelischen Agenda
vorangebracht und sie ist so ausgerichtet, dass sie israelischen
Bedürfnissen entspricht. Sie bietet eine Antwort für die Israelis,
die nicht willens sind, ihre israelische nationale Politik
aufzugeben, oder die Idee an sich für einen nationalen Memorial Day
für einen Siedlerstaat abzulehnen, der weiterhin auf täglicher Basis
Palästinenser okkupiert, enteignet, vertreibt und tötet.
Jahrzehnte von Verlust - Die Teilnehmer trennen sich nicht
unbedingt von ihrer Verpflichtung für den Siedler-Nationalismus.
Viele der israelischen Teilnehmenden an der gemeinsamen Zeremonie
feiern am nächsten Tag die Unabhängigkeit Israels. Die Zeremonie
erlaubt der israelischen Linken, ihren Kuchen zu backen und
auch zu verspeisen. Durch das Einrahmen in einen inklusiven und
versöhnlichen Diskurs können sie Teil eines israelischen nationalen
Siedler-Ethos auf ihre eigene Weise bleiben, auch wenn dieser Weg
von der israelischen Mehrheit abgelehnt werden sollte. Im Laufe der
Zeit eignen sie sich den Verlust und den Schmerz der Palästinenser
an und bekränzen ihn als Teil der israelischen nationalen Politik.
Unsere Opfer aber sind nicht Teil der israelischen
Erinnerungsgeschichte; sie sind Teil einer palästinen-sischen
Geschichte von Dekaden von Verlust, Unterdrückung und Widerstand,
die bis zum heutigen Tag weitergeht.
Lesen Sie den ganzen Artikel >>>

*Israel warnt mit Annexion – Palästina kontert mit
der Warnung einer Intifada*
Das zionistische Regime plant in diesen Tagen, Teile der Westbank
und das Jordantal zu annektieren (Anm. der Übersetzerin: mit 1.Juli)
und die Zerstörung von palästinensischen Wohnhäusern in Ostjerusalem
weiter zu verfolgen, obwohl der Ausbruch des Corona-Virus
palästinensische und internationale Kreise veranlasst hat zu warnen,
dass solche Bewegungen die Möglichkeit zum Frieden im Lichte der
Errichtung des palästinensischen Staates ruinieren würden.
Arif Daraghmeh, ein Beobachter der Region, sagt, „Der Annexionsplan
ist ein politischer und zielt darauf, sich die Oberhoheit über das
Wasser und die Agrar-Ressourcen von Palästina anzueignen, und
verschiedene Institutionen zu drängen, ihre Reaktionen nicht auf die
Verurteilung zu beschränken, sondern das Thema auch in der
internationalen Sphäre zu bewerten“. Die Palästinensische Liberation
Organization (PLO) sagt, dass Palästina den Fall vor den
Internationalen Gerichtshof bringen würde, um das zionistische
Regime für seine Kriegsverbrechen im Gazastreifen, der Westbank und
dem okkupierten Jerusalem zur
Verantwortung zu ziehen. Die PLO warnte, dass das israelische Regime
22 Warnungen in den palästinensischen Gebieten erlassen habe,
weiterhin Wohnhäuser in allen palästinensischen Gebieten und im
Jordanland zu zerstören, und fügte hinzu, dass das Anwaltsbüro des
ICC (International Criminal Court) bestätigt hat, dass die
Palästinenser das Recht haben, den Fall vor den Gerichtshof zu
bringen. Die Vereinten Nationen haben israelische Offizielle
aufgefordert, mit der Zerstörung der palästinensischen Wohnhäuser in
der Westbank einschließlich Ostjerusalem wegen des Ramadan-Monats
und des Ausbruchs von Covid-19 aufzuhören. In Anbetracht der
Tatsache, dass das zionistische Regime alle im Laufe der 72 Jahre
seit der Besetzung von Palästina erzielten Vereinbarungen gebrochen
hat, und jetzt die Westbank okkupieren will, drohten die
Palästinenser dem Regime, alle (bisherigen) Vereinbarungen zur Seite
zu schieben.
Wenn das israelische Regime seine aggressiven Maßnahmen fortsetzt,
ist eine neue Intifada durch das palästinensische Volk – diesmal mit
mehr internationaler Unterstützung – nicht unwahrscheinlich,
vorausgesetzt, dass die muslimische Welt am Rande eines Quds-Day
steht.
Quelle

*Warum Trump’s Plan für Frieden im Mittleren Osten
fehlschlagen wird (Auszüge)*
Es ist keine weltbewegende Vorhersage zu verkünden, dass die
Geschichte sich wahrscheinlich nicht an Präsident Donald Trumps
„Deal des Jahrhunderts“ als den Friedensplan erinnern wird, der
einen Konflikt zu Ende gebracht hat – den ersten großen
gewalttätigen Ausbruch, der in diesem Monat 100 Jahre alt sein wird.
Die Weisheit oder Spinnerei von Möchte-gern Friedensmachern aus der
Präsidentenriege hat nicht viele Konsequenzen, so lange der Weg zum
Frieden durch ein Hindernis blockiert bleibt, das nur durch die sich
am meisten windende – und damit am wenigsten wahrscheinliche –
Konzession einer der beiden Parteien im Konflikt wegbringen könnte:
Israel müsste seine Identität als die eines jüdischen Staates
aufgeben, oder: die Palästinenser müssten auf ihr Rückkehrrecht
verzichten.
Nicht nur sind diese beiden Positionen unvereinbar vom Standpunkt
der Israelis und der Palästinenser aus, die sich daran festhalten,
sie sind auch nicht verhandelbar. Während der letzten beiden
Jahrzehnte haben die israelisch-palästinensischen Verhandlungen an
den vier wichtigsten „Endgültiger Status“-Themen“ herumgebastelt,
die den Konflikt angeblich - wenn sie gelöst worden wären - ein- für
allemal beendet hätten:
(a) die Grenzen eines palästinensischen Staates/und das Schicksal
der jüdischen Siedlungen in der Westbank,
(b) Sicherheit für Israelis,
(c) palästinensische Flüchtlinge, und
(d) die Verfügbarkeit von Jerusalem.
Von den angeführten Fragen geht nur die Flüchtlingsfrage (und ihr
Begleitthema, Israels Identität als jüdischer Staat) zum Herzen des
Konflikts, und beginnt bei seinen Anfängen, nicht dem Krieg von
1967, mit dem Israel die von Palästinensern bewohnte Westbank, Gaza
und Ostjerusalem gefangen nahm, sondern dem Krieg von 1948, durch
welchen Israel selbst und das Flüchtlingsproblem der Palästinenser
zur Existenz kam.
Die Führer der Palästinenser haben Einwände erhoben: „die
Palestinian Authority (PA) wird Israel niemals als jüdischen Staat
anerkennen, weil eine solche Deklaration das Recht der
palästinensischen Flüchtlinge zur Rückkehr in ihre Heimat negieren
würde“. Mit demselben Einwand lehnt die PA der Formel „zwei Staaten
für zwei Völker“ ab, während sie die
Zweistaaten-Lösung akzeptiert.
Trump’s „Deal des Jahrhunderts“ steht vor der zweiköpfigen Hydra,
der Forderung nach einer jüdischen Staatlichkeit und dem
Rückkehrrecht der Palästinenser, und unterstützt die israelische
Position, indem er festsetzt „Es wird kein Recht zur Rückkehr geben
für – oder Aufsaugung von irgendeinem palästinensischen Flüchtling
in den Staat Israel … Die palästinensischen Führer müssen den
Frieden akzeptieren, indem sie Israel als den jüdischen Staat
anerkennen“. Es ist keine große Überraschung, dass die israelische
Regierung die Akzeptanz dieses Plans bestätigt, und den weiteren
Gleichklang ihrer eigenen mit der amerikanischen Position feiert
und/ oder, dass man die Palästinenser schmählich als „Nicht-starter
entfernen würde, wenn ihre Führung damit nicht einverstanden wäre.
In der Tat, der „Deal des Jahrhunderts“ hat sich schon als
Totogeburt erwiesen. Washington ist machtlos, um diese tragische und
blutige Schlacht der Wünsche zu beenden, außer die Israelis oder die
Palästinenser verzichten auf das, was ihnen am liebsten ist:
Zionismus oder das Recht auf Rückkehr. Bis dahin ist es das
Schicksal beider Seiten, gefangen zu bleiben. um eine Sprache zu
finden, die beiden in Hebräisch und in Arabisch zugänglich ist:
Zwischen dem Hammer des Konflikts und dem Anker des Kompromisses zu
leben.
Quelle
Quelle Update Übersetzung:
Gerhilde Merz
|

377 Wissenschaftler*innen und Künstler*innen aus über
30 Ländern erklären, dass sie politische Lackmus-Tests nicht
akzeptieren werden
11. Mai 2020
377 Wissenschaftler*innen und Künstler*innen aus über 30 Ländern
haben eine Erklärung unterzeichnet, in der sie sich gegen politische
Einmischung seitens staatlicher Institutionen, Kommunen und
politischer Repräsentant*innen in Deutschland aussprechen, die
darauf abzielt, Befürworter*innen der völkerrechtlich garantierten
Rechte von Palästinenser*innen zum Schweigen zu bringen.
Die Unterzeichnenden erklären, weder in Jurys oder Preiskomitees
noch bei akademischen Berufungsverfahren in Deutschland mitzuwirken,
wenn es ihrer Ansicht nach „überzeugende Anzeichen dafür gibt, dass
ihre Entscheidungen ideologischer oder politischer Einflussnahme
ausgesetzt sind oder politischen Lackmus-Tests unterliegen könnten“.
Zu den Unterzeichnenden gehören viele international herausragende
Persönlichkeiten, darunter der Philosoph Étienne Balibar und die
Philosophin Judith Butler, der preisgekrönte Drehbuchautor und
Produzent James Schamus, der Nobelpreisträger für Chemie, George P.
Smith, der Linguist und Kritiker Noam Chomsky, die
Literaturwissenschaftlerin und postkoloniale Theoretikerin Gayatri
Chakravorty Spivak, der ehemalige stellvertretende Generalsekretär
der Vereinten Nationen, Hans von Sponeck, der
Holocaust-Geschichtsprofessor Amos Goldberg und die Künstlerin und
Schriftstellerin Molly Crabapple. Auch der renommierte Architekt
Michael Sorkin hatte die Erklärung in einer frühen Fassung
unterzeichnet, bevor er Ende März an COVID-19 verstarb.
Mit der Erklärung reagieren deren Initator*innen sowie die
Unterzeichnenden auf mehrere Fälle, in denen Künstler*innen und
Wissenschaftler*innen, die verdächtigt werden, die gewaltfreie
Boykott-, Desinvestions- und Sanktionsbewegung für die Rechte der
Palästinenser*innen (BDS) zu unterstützen, repressiven politischen
Einmischungen sowie Verleumdungskampagnen ausgesetzt waren.
Im März wurde öffentlicher Druck auf das Festival Ruhrtriennale und
deren Intendantin ausgeübt, den kamerunischen Philosophen Achille
Mbembe, der den Eröffnungvortrag des Festivals halten sollte, wieder
auszuladen. Inzwischen ist das Festival aufgrund der Corona-Pandemie
abgesagt worden. Bereits im vergangenen Jahr hatte die Stadt
Dortmund die Entscheidung zur Verleihung des Nelly-Sachs-Preises für
Literatur an die Autorin Kamila Shamsie rückgängig gemacht.
Kamila Shamsie und Achille Mbembe haben beide diese Erklärung
unterzeichnet.
Die Unterzeichner*innen der Erklärung bekräftigen: „Die Entscheidung
einer Preisjury rückgängig zu machen oder eine Einladung zum Vortrag
aus ideologischen Gründen zurückzuziehen, ist eine nicht hinnehmbare
Einmischung, die wir nicht billigen können, auch nicht durch unser
Mitwirken in Jurys und Kommissionen, die solchen Einmischungen
ausgesetzt sind.“ Sie stellen fest, dass sowohl die akademische
Freiheit wie das Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt werden,
wenn Preisverleihungen und Berufungsentscheidungen von der
Verpflichtung abhängig gemacht werden, BDS abzulehnen. Es führe „das
System, das die Vergabe von Preisen an Personen vorsieht, die als
führend auf ihrem Gebiet beurteilt werden, selbst ad absurdum“.
Hervorzuheben ist, dass auch 40 Personen des künstlerischen und
wissenschaftlichen Lebens in Deutschland die Erklärung
unterschrieben haben, darunter Direktor*innen namhafter kultureller
Einrichtungen.
Die beunruhigende Tendenz in Deutschland, kritische Stimmen,
insbesondere diejenigen von People of Color, zum Schweigen zu
bringen, stößt in der ganzen Welt zunehmend auf Empörung. Hunderte
von Schriftsteller*innen und Kulturschaffenden weltweit haben die
Widerrufung der Vergabe des Nelly Sachs-Preises für Literatur an
Kamila Shamsie kritisiert. Mehr als hundert Persönlichkeiten des
öffentlichen Lebens verurteilten im vergangenen Jahr die
Entscheidung des Düsseldorfer Open-Source-Festivals, den
afro-amerikanischen Rapper Talib Kweli auszuladen.
Im Jahr 2018 verurteilten 75 prominente Persönlichkeiten die
Entscheidung der RUHRTRIENNALE, die vorwiegend schwarze Musikgruppe
Young Fathers auszuladen. In der Folge sagten eine Reihe von
Künstler*innen und Gruppen ihre Teilnahme am Festival ab und
brachten damit das Festival dazu, Young Fathers erneut einzuladen.
Im vergangenen Monat haben Dutzende jüdische und israelische
Wissenschaftler*innen, von denen viele auf die Erforschung von
Antisemitismus und auf jüdische, Holocaust- und Israel-Studien
spezialisiert sind, die deutsche Bundesregierung aufgefordert, Felix
Klein, den Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in
Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, aufgrund seiner
„beschämenden“ Verleumdungen von Achille Mbembe und seiner
„führenden Rolle in der Instrumentalisierung des Vorwurfs des
Antisemitismus gegen Kritiker*innen der israelischen Regierung sowie
Aktivist*innen, die auf ihrem Recht auf Rede- und
Versammlungsfreiheit bestehen, um gegen Israels Verletzungen der
grundlegenden Rechte der Palästinenser*innen zu protestieren”.
>>>
VAD Stellungnahme zu den Vorwürfen gegen Achille
Mbembe
Die Vereinigung für Afrikawissenschaften in Deutschland (VAD) ist in
hohem Maße beunruhigt über die Auswüchse einer Debatte, die sich aus
der Aufforderung entwickelt hat, Achille Mbembe als Gastredner von
der Ruhr-Triennale 2020 auszuladen. Wir stehen – im Einklang mit der
VAD-Satzung – für eine gleichberechtigte, vorurteilslose
internationale Zusammenarbeit vor allem mit Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern in und aus Afrika. Wir sind der festen Auffassung,
dass die deutsche Gesellschaft mehr Austausch mit afrikanischen
Intellektuellen benötigt, und sehen diese Ziele im Klima der
gegenwärtigen Debatte gefährdet.
Achille Mbembe ist – bedauerlicherweise – eine der wenigen Stimmen
aus Afrika, die in Deutschland wahrgenommen wird. Das bedeutet
selbstredend nicht, dass seine nun in die Kritik geratenen Aussagen
zu Israel unwidersprochen bleiben müssen. Wir fordern jedoch eine
sachliche und differenzierte Auseinandersetzung und stellen uns
entschieden gegen Auftrittsverbote und pauschalisierende Vorwürfe.
Der diffamierende Ton im Umgang mit Mbembe und seinem Werk wird auch
von Intellektuellen in ganz Afrika wahrgenommen, die dieser Debatte
im besten Fall Provinzialismus und Nabelschau attestieren.
Wir plädieren für eine Versachlichung von Debatten in diesem
Zusammenhang. Das betrifft insbesondere die Debatte zum Verhältnis
zwischen Postkolonialismus und der Kritik an der Politik Israels,
sowie zu den Grundlagen vergleichender Genozidforschung.
Wir fordern eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Schriften,
Argumenten und theoretischen Positionen von Achille Mbembe.
Wir bekennen uns zur Freiheit der Wissenschaft in Deutschland,
Afrika und weltweit. Diese muss einschließen, dass Stimmen aus dem
Globalen Süden in Deutschland zu Gehör kommen. Ein solches
Bekenntnis kann auch von Entscheidungsträgerinnen und
Entscheidungsträgern in Deutschland erwartet werden. Der
Vorstandsvorsitzende der VAD Prof. Hans Peter Hahn
Stellungnahme
zurDebatte um Achille Mbembe
Der Exzellenzcluster
AfricaMultiple an der Universität Bayreuth hat sich zum Ziel
gesetzt, die Neugestaltung der Afrikaforschung voranzutreiben. Diese
Agenda gebietet uns, zur aktuellen Debatte über Achille Mbembe,
einen führenden Intellektuellen auf dem afrikanischen Kontinent,
Stellung zu nehmen. Ausgelöst durch die Forderung einiger
öffentlicher Funktionsträger, Mbembe aufgrund mutmaßlich
antisemitischer Äußerungen als Hauptredner bei der Ruhrtriennale im
August2020 auszuladen, ist eine öffentliche Diskussion entbrannt,
die zum Teil weit über das Ziel hinausschießt.Der Vorstand des
Exzellenzclusters Africa Multiple und das Institut für Afrikastudien
an der Universität Bayreuth schließen sich der heutigen Erklärung
der Vereinigung für Afrikawissenschaften in Deutschland an(https://vad-ev.de/vad-stellungnahme-zu-den-vorwuerfen-gegen-achille-mbembe/),
insbesondere dem Plädoyer für eine Versachlichung der Debatte.
Jenseits der Frage, wie die Antisemitismus-Vorwürfe bewertet werden
können, betrachten wir mit wachsender Sorge, wie diese Debatte den
zentralenBeitrag Mbembeszur Analyse der postkolonialen Welt zu
überlagern droht.Die Diskussion unterstreicht die Aktualität von
Mbembes Argument, dass Menschen von machtvollen Akteuren und
Mechanismen in eine „schwarze Kondition“ (condition nègre) gezwungen
werden. Die Tatsache, dass diese Mechanismen weltweit –also nicht
nur im kolonialen Afrika –wirken und zu-meist auf den gleichen
Mustern und Prämissen beruhen, nicht zuletzt auf der Herabsetzung
und oft auch der Entmenschlichung des Anderen, sollte Menschen in
privilegierten Positionen zu denken ge-ben, ob inDeutschland oder
anderswo. Vielleicht liegt es an dem Bedürfnis, Privilegien zu
verteidigen, dass mit Mbembe nun einer derjenigen abqualifiziert
wird, die diese Mechanismen offenlegen. Manch einer mag darauf
warten, sich im Sessel zurückzulehnen, sobald Mbembe diskreditiert
ist –als würde es uns von der Verantwortung entbinden, uns mit der
“schwarzen Kondition” auseinanderzusetzen, wenner als Antisemit
entlarvt wäre.Es geht uns nicht darum, pauschal Partei für die
Positionen Mbembes zu ergreifen. Selbstverständlich dürfen und
müssen sie Gegenstand des intellektuellen Disputs sein. Gleichwohl
teilen wirdas An-liegen, das sich in seiner Kritik an postkolonialen
Machtverhältnissen artikuliert, und wir werden die wissenschaftliche
Forschung dazu weiter betreiben, ohne dekoloniale Perspektiven im
Namen eines vermeintlichen Antisemitismus zu entwerten.
Für den
Exzellenzcluster:Für das Institut für Afrikastudien: Rüdiger
SeesemannCyrus Samimipage 3 of 3 Prof. Dr. Cyrus Samimi,
Universitätsstr. 30, 95447 Bayreuth, Germany, Tel: +49‐921 55‐2237,
cyrus.samimi@uni‐bayreuth.de http://www.klimatologie.uni‐bayreuth.desocial
geographer has been working on the financialization of "nature". We
will further included Prof. Dr. Heila Lotz‐Sisitka, a Social
Scientists from Rhodes University who works on the human environment
nexus and Prof. Coleen Vogel from Wits, who works on climate change
adaptation as project partners to further strengthen the social
sciences component. This also diminish the gender issue. In the
section, Prof. Dr. Uli Beisel is involved in discussions about the
projects, what will additionally enhance the social science
competence.The gender problem will be addressed by recruiting female
scientist as a PostDoc ad as MSc students. One possible MSc student
is already identified, BSc Theresa Reß who studies Development
Studies and Global Change Ecology (GCE). The field survey for GCE is
planned for spring/summer 2020. Mrs Reß has already completed an
internship with an NGO in Bushbuckridge. Beside this formal issues
gender will be central in our research as gender aspects play an
important role in migration processes. We hope that we addressed the
adequately. Kind regards
Quelle
Dokumentation
- Philosoph Achille Mbembe - Unter "Antisemitismusverdacht" >>> |

Sieben Jahrzehnte später warten die während der Nakba
vertriebenen Palästinenser auf ihre Rückkehr
Muhammad Kayal ist einer von Hunderttausenden
palästinensischen Bürgern Israels, die 72 Jahre nach der Nakba immer
noch intern vertrieben werden und denen Israel nicht erlaubt, auf
ihr früheres - und oft leeres - Land zurückzukehren.
Orly Noy - 15. Mai 2020 - Übersetzt mit DeepL
Die Einschränkungen, die durch die
Coronavirus-Pandemie und das Verbot großer Versammlungen auferlegt
wurden, haben die emotionalen, symbolischen und physischen Reibungen
um den israelischen Unabhängigkeitstag/Nakba-Tag in diesem Jahr
etwas gemildert.
Israel feiert sich jedes Jahr selbstgefällig durch riesige
militärische Überflüge und Feuerwerke und weist mit aller Macht
zurück, dass es für die Palästinenser ein Tag der Katastrophe ist.
Die Israelis sind jedes Mal aufs Neue erstaunt, dass es weder der
Lauf der Zeit noch die drakonische Gesetzgebung geschafft haben, die
Katastrophe auszulöschen - oder das Bewusstsein der Palästinenser
für sie zu entwurzeln. Es ist zweifelhaft, inwieweit sich die
Israelis der Tatsache bewusst sind, dass palästinensische Bürger
jedes Jahr, während sie den Unabhängigkeitstag in Parks im ganzen
Land feiern, alljährlich Rückmärsche zu einer anderen Gemeinschaft
veranstalten, aus der ihre Ältesten 1948 vertrieben wurden und zu
der sie nie zurückkehren konnten.
Obwohl das offizielle Datum für die Begehung des Nakba-Tags der 15.
Mai ist, finden die Rückmärsche traditionell am israelischen
Unabhängigkeitstag statt (der nach dem hebräischen Kalender jedes
Jahr wechselt). In diesem Jahr drängte die Pandemie jedoch die
Gedenkfeiern - zu denen auch andere vom Komitee für die Rechte der
vertriebenen Palästinenser organisierte Aktivitäten gehörten - auf
Zoom, mit einer geringeren Beteiligung als in den Vorjahren. So sehr
die Frage der Rückkehr im israelischen Diskurs auftaucht, so sehr
konzentriert sie sich auf die Rückkehr der palästinensischen
Flüchtlinge, die derzeit außerhalb der Grenzen des Landes leben.
Dennoch schätzt der Ausschuss, dass sich unter den palästinensischen
Bürgern Israels etwa 400.000 Binnenvertriebene befinden.
Muhammad Kayal, ein Vorstandsmitglied des Ausschusses und ehemaliger
Vorsitzender, ist Journalist und Übersetzer, dessen Familie aus
al-Birwa in der Nähe von Akka im Norden des Landes vertrieben wurde.
Kayal bezeichnet es mit Stolz als "das Dorf von Mahmoud Darwish",
dem verstorbenen palästinensischen Dichter. Heute lebt er in
Jedeidi-Makr, etwas mehr als eine Meile von al-Birwa entfernt, wo
sich heute ein Kibbuz und eine landwirtschaftliche Siedlung
befinden.
Was sagen Sie den Menschen, die Sie fragen, woher Sie kommen?
"Ich sage, dass ich aus al-Birwa stamme und in Jedeidi wohne. Mein
Vater pflegte sein ganzes Leben lang zu sagen: "Ich komme aus
al-Birwa", obwohl er fast 60 Jahre lang in Jedeidi gelebt hatte.
Wenn er von "Menschen aus unserem Dorf" sprach, meinte er damit "al-Birwa".
Bleiben die Nachkommen der ursprünglichen Bewohner des Dorfes in
Kontakt? Kennen Sie andere, die Teil dieser Gemeinschaft sind, die
Ihre Identität teilen?
"Auf jeden Fall, wir sind ständig in Kontakt. Zunächst einmal
treffen sich jedes Jahr am Unabhängigkeitstag - oder besser gesagt,
am Nakba-Tag - die Bewohner von al-Birwa aus dem ganzen Land auf dem
Land des Dorfes. Wir laden Hunderte von aus al-Birwa Vertriebenen
und ihre Nachkommen ein, wenn wir Feste feiern, und an Trauertagen
kommen Tausende von ihnen zum Trost ins Dorf.
Wie flößen Sie dieses Bewusstsein den jüngeren Generationen ein?
Wenn Ihr Vater bis zu seinem Tod sagte, er sei von al-Birwa, und Sie
sagen, Sie seien von al-Birwa und Jedeidi, was wird dann die nächste
Generation sagen?
"Wir nehmen Kinder und Jugendliche am Nakba-Tag auf Rückmärschen mit
in das Dorf. Wir organisieren Jugendtouren in entvölkerte Dörfer,
bedrucken T-Shirts für sie mit dem arabischen Satz 'Ich bin von
al-Birwa', und wir haben eine aktive Facebook-Gruppe für die
Nachkommen der Vertriebenen. "Wir haben auch nationale Poesie, wie
die von Mahmoud Darwish, und Projekte wie 'Udna' (arabisch für 'wir
kehrten zurück', ein gemeinsames Projekt des Komitees mit der
israelischen NGO Zochrot, die sich auf die Nakba konzentriert, und
anderen - O. N.). Es läuft seit drei Jahren und führt junge Menschen
in entvölkerte Dörfer und beinhaltet eine Menge Vorträge und
schriftliches Material. "Es gibt auch Filme, die sich mit diesem
Thema beschäftigen. Wir hatten ein spezielles Frauenprojekt, 'Women's
Path of Return', bei dem Hunderte von Frauen aus verschiedenen
Gemeinden an Führungen, Vorträgen und Filmen über entvölkerte Dörfer
teilnahmen, die viele Aktivitäten für junge Leute beinhalteten.
Haben Sie das Gefühl, dass es funktioniert? Dass sich dieses
Bewusstsein bei der jungen Generation durchsetzt?
"Wissen Sie, es ist wie bei allem - es gibt Menschen, die
engagierter und aktiver sind, und solche, die weniger aktiv sind.
Aber wenn Sie die Rückmärsche als Beispiel nehmen, sind mehr als 70
Prozent der Teilnehmer junge Leute aus der zweiten, dritten und
vierten Generation der Nakba. Die Hauptaufgabe des Ausschusses
besteht darin, die Erinnerung zu bewahren und Bewusstsein zu
schaffen. Verzichten Sie absichtlich auf konkrete politische
Aktivitäten, die versuchen, das Rückkehrrecht für Flüchtlinge und
Binnenvertriebene zu verwirklichen? "Wir arbeiten in Koordination
mit dem Hohen Folgeausschuss, der die arabischen Parteien
einbezieht, zum Beispiel bei der Organisation der jährlichen
Märsche. Jede politische Bewegung nimmt an diesen teil."
Man hat das Gefühl, dass die Gemeinsame Liste sich vor Konflikten in
dieser Frage hütet. Die Rückkehr von Flüchtlingen und
Binnenvertriebenen steht nicht ganz oben auf ihrer öffentlichen
Tagesordnung.
"Genau diese Frage habe ich während des Wahlkampfes bei einer Gruppe
von Aktivisten der Gemeinsamen Liste angesprochen. Sie sagten, sie
werde in den Publikationen der Gemeinsamen Liste angesprochen, die
sich an die arabische Gesellschaft richten. Aber das ist uns nicht
genug. Sowohl die Palästinensische Autonomiebehörde als auch die
Gemeinsame Liste unterspielen das Thema und betonen nicht die Nakba
und das Rückkehrrecht, sondern konzentrieren sich stattdessen auf
andere Dinge. Doch über die Nakba und die Rückkehr zu sprechen, ist
genau das, was ihnen in der arabischen Gesellschaft größere
Unterstützung bringen wird.
"Es stimmt, dass dieses Thema in der jüdischen Gesellschaft
unpopulär ist. Sie versuchen, diese Themen zu beschönigen und
herunterzuspielen, und doch sind wir hier - Benny Gantz wollte [die
Gemeinsame Liste] nicht. Sogar die Palästinensische Autonomiebehörde
spricht vom Ende der Besatzung, vom Stopp der Siedlungen, engagiert
sich aber nicht für das Rückkehrrecht. So ist es mit Abu Mazen
[Palästinenserpräsident Mahmud Abbas] und der Gemeinsamen Liste. Und
die ganze Zeit über finden in Gaza Dutzende von Rückkehrmärschen
statt.
"Es ist wichtig, auch zu betonen, dass die Nakba nicht vorbei ist,
sondern weitergeht - die Zerstörung von Häusern, die Enteignung von
Land, die Vertreibungspolitik, das [jüdische] Nationalstaatsgesetz.
Bis zum heutigen Tag ist es keinem einzigen Flüchtling erlaubt
worden, in das Dorf zurückzukehren, aus dem er vertrieben wurde.
Die jährlichen Märsche führen in der Regel in entlegene Gebiete, und
es hat zum Beispiel keinen Massenmarsch nach Manshiyyeh oder Sheikh
Muwannis [zerstörte palästinensische Viertel, die jetzt Gebiete im
Süden bzw. Norden Tel Avivs sind] gegeben. Besteht die Befürchtung,
dass diese Märsche zum Schauplatz einer direkten Konfrontation mit
dem israelischen Establishment werden könnten?
"Fünfhunderteinunddreißig Dörfer wurden 1948 entvölkert, zusammen
mit 11 Städten, zum Beispiel Akka, Haifa, Yaffa, Be'er Sheva und
andere. Bisher gab es 22 Märsche, und in diesem Jahr verhinderte das
Coronavirus einen weiteren. In der Vergangenheit haben wir einen
Marsch in das Wadi Zubala im Naqab und in die Gebiete um Tiberias,
Akka und Haifa organisiert. Es gibt viele Orte, die wir noch nicht
besucht haben. Wir prüfen auf jeden Fall die Möglichkeit, einen
Rückmarsch in eine der großen Städte zu organisieren.
"Aber in aller Aufrichtigkeit, das Komitee und seine Leitung setzt
sich aus Vertretern entvölkerter Dörfer und Städte zusammen, und
nicht alle denken gleich. Einige sind vorsichtiger, andere weniger.
Einige treten mehr für ihre Rechte ein - in diesem Fall für das
Recht, zu protestieren und die Frage der Binnenflüchtlinge
anzusprechen - und andere ziehen es vor, die Märsche in einem Gebiet
stattfinden zu lassen, in dem Zusammenstöße unwahrscheinlich sind.

"Vor fünf Jahren hielten wir ein Treffen in Haifa ab, und es war uns
wichtig, dass Vertreterinnen und Vertreter aus dem Gebiet auf einen
Marsch vorbereitet werden, der dort stattfinden sollte. Aber dann
fanden die Wahlen statt, und die Leute sagten, sie wollten sich
darauf konzentrieren. Wir sagen nicht nein - im Gegenteil, wir
beabsichtigen unbedingt, einen der nächsten Märsche in einer der
großen Städte durchzuführen, aus denen die Palästinenser vertrieben
wurden".
Im Laufe unseres Gesprächs erwähnt Kayal häufig die über die
Diaspora verstreuten palästinensischen Flüchtlinge und ihr Recht auf
Rückkehr in ihr Land. Ich frage mich, was schwieriger ist: sich nach
seinem Land aus der Ferne zu sehnen, aus dem Exil außerhalb der
Landesgrenze oder aus einem Haus, aus dessen Fenstern man praktisch
auf das Land blickt, in das man nicht zurückkehren darf. "Bis zum
heutigen Tag können einige der Ältesten von al-Birwa genau auf das
Stück Land zeigen, das ihnen gehörte", sagt Kayal. "Daran müssen wir
uns erinnern", sagt Kayal. Ein kleiner Kibbuz hat ein riesiges
Gebiet übernommen, während die Menschen in Jedeidi unter sehr
beengten Verhältnissen ohne Land leben. Deshalb wollen sie natürlich
zurück und wollen ihr Land haben.
Wenn Sie von einer Rückkehr nach al-Birwa sprechen, meinen Sie
dann das Leben neben dem Kibbuz und der landwirtschaftlichen
Siedlung oder an ihrer Stelle? Wenn die Frage der Rückkehr
angesprochen wird, beschäftigen sich viele Juden mit dieser Frage.
"In der überwiegenden Mehrheit der Fälle ist die bebaute Fläche der
ursprünglichen Dörfer jetzt leeres Land. So ist es zum Beispiel mit
Iqrit und Bir'im und vielen anderen Orten, und die Menschen dürfen
immer noch nicht zurückkehren. Wir ignorieren die gegenwärtige
Realität nicht, aber wir glauben, dass die Verwirklichung des
Rückkehrrechts möglich ist. Das Hindernis dafür ist ein
zionistisches ideologisch-politisches. "Wir machen Touren vom Naqab
bis zum Oberen Galiläa. Der größte Teil des leeren Landes wurde als
abwesendes Eigentum deklariert, obwohl die Eigentümer noch immer
anwesend und Bürger des Staates sind, der sie vertrieben hat. Es ist
eine politische Entscheidung, die auf einer rassistischen Ideologie
beruht."
Quelle
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