Eine Stunde Broderismus
Von Abraham Melzer
Gestern hat 3SAT ein
Gespräch mit Henryk M.
Broder ausgestrahlt. Es
dauerte eine volle
Stunde, und man wusste
bisweilen nicht, wer
mehr Blödsinn geredet
hat, der Moderator oder
der Moderierte.
Ich will sie nicht mit
all dem Unsinn
langweilen, den ich mir
gestern anhören musste.
Broders Blasiertheit,
Zynismus, Rassismus und
Menschenverachtung ist
ja inzwischen
sprichwörtlich, und man
muss es nicht
wiederholen. Zwei
Aussagen haben mir
besonders gefallen, und
ich will sie hier
wiedergeben.
Auf die Frage, warum er
Anfang der 1980er nach
Israel „ausgewandert“
sei, antwortete Broder:
In Israel kann man als
Jude entspannt
leben.
Ich habe erwartet, dass
der Moderator ihn fragt,
wie das mit den
Nichtjuden sei, ob diese
in Israel auch entspannt
leben können. Aber
nichts desgleichen kam.
Der Moderator nickte
verständnisvoll und
bewies damit, dass er
wieder von nichts eine
Ahnung hat und gar nicht
weiß, wovon er spricht.
Denn in Wirklichkeit ist
es doch so, dass nicht
nur die Nichtjuden in
Israel nicht entspannt
leben können, inzwischen
leben auch die Juden in
Israel alles andere als
entspannt. Da braucht
man nur täglich die
Zeitung zu lesen und die
Nachrichten im Fernsehen
anschauen. Wenn die Rede
von einem gewöhnlichen
Mord ist, sei es auch
ein Doppelmord, atmen
alle Juden auf, denn es
hätte auch schlimmer
kommen können.
Der zweite Satz, der mir
sehr gefallen hat, war
eine Feststellung des
Moderators, die aber
Broder zustimmend
abgenickt hat: Ich bin
doch nicht frei, wenn
ich jemanden
unterdrücke.
Dieser Satz fiel im
Zusammenhang mit der
Unterdrückung der Juden
im antisemitischen
Europa, ein
Spezialgebiet von Henryk
M. Broder. Die
intellektuelle Kapazität
beider Gesprächspartner
hat jedoch nicht
gereicht, diese Aussage
auch in Zusammenhang mit
dem zu bringen, was in
Israel tagtäglich
passiert, wo Juden
angeblich, entspannt
leben können. Keiner kam
auf die Idee, dass das
vielleicht auch auf die
Israelis zutreffen
könnte, die „nicht frei“
leben können und demnach
auch nicht entspannt
sind, weil sie ein
anderes Volk
unterdrücken.
Aber da hätte Broder
sofort seine broderische
Antwort aus dem Köcher
gezogen: Die
Palästinenser sind
selbst schuld, wenn sie
unterdrückt werden, und
das werden die Israelis
ihnen nie verzeihen.
Wenn man in Israel so
entspannt leben kann,
hätte der Moderator
Broder wenigstens fragen
sollen, warum er dann
wieder ins
„antisemitisch“
verseuchte Deutschland
zurückgekehrt ist. Aber
selbst dazu war er nicht
in der Lage.
Vis-à-vis: Henryk M.
Broder -
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