Motion Imark
stellt grundlegende Rechte infrage
- BDS Schweiz -
5.04.2017 - Am 8. März diskutierte der
Nationalrat eine Motion von Christian Imark, die
vom Bundesrat verlangt, „dass öffentliche Gelder
der Schweiz, welche direkt oder indirekt für die
Entwicklungszusammenarbeit eingesetzt werden,
nicht mehr gesprochen werden dürfen, wenn die
unterstützten Nichtregierungsorganisationen
(NGO) in rassistische, antisemitische und
hetzerische Aktionen oder BDS-Kampagnen
(Boykott, Kapitalabzug und Sanktionen)
verwickelt sind.“ Obwohl der Bundesrat die
Motion zur Ablehnung empfohlen hatte, wurde sie
dank der SVP, der FDP und der Hälfte der CVP
angenommen. Sie wird nun ziemlich sicher bereits
in der Sommersession 2017 auch im Ständerat
behandelt.
Gegen Kritiker an Israel - Diese Motion aus
SVP-Kreisen sollte bei allen Personen und
Organisationen ernsthafte Bedenken wecken, die
für die Wahrung der Meinungsfreiheit, des
Völkerrechts inklusive den Verpflichtungen von
Drittstaaten einstehen und sich dem
rassistischen Populismus und der
Antiterror-Rhetorik der SVP entgegenstellen. Die
Imark-Motion verfolgt mit ihren Angriffen auf
NGOs und Kampagnen wie BDS, deren einziges
„Verbrechen“ ist, die legitimen Rechte der
Palästinenser_innen auf Freiheit, Gleichheit und
Gerechtigkeit zu verteidigen, zwei Ziele:
•Alle Gruppen und Personen, die die Besatzungs-,
Siedlungs- und Apartheidpolitik der israelischen
Regierung kritisieren, als rassistisch,
antisemitisch oder mit Terrorist_innen
assoziiert darzustellen und zu kriminalisieren;
•die Anwendung von völkerrechtlichen Prinzipien,
wie sie zum Beispiel in der Vierten Genfer
festgehalten sind, zu delegitimieren und die
Verantwortung von Drittstaaten im Namen einer
suggerierten „Neutralität“ aufzuheben. So soll
zukünftig das Recht des Stärkeren gelten.
Die Motion greift dabei eine Kampagne der
israelischen Regierung gegen ihre Kritiker_innen
auf. Mit Blick auf die Positionen der SVP
hinsichtlich Migration, der Verteidigung
„nationaler Werte“ und Terrorismusbekämpfung
kommt diese Kooperation nicht überraschend.
Sowohl die SVP als auch die FDP unterhalten enge
Beziehungen mit der israelischen Regierung. Die
parlamentarische Gruppe Schweiz-Israel, die sich
vor allem aus Mitgliedern dieser beiden Parteien
zusammensetzt, sprach auf Einladung vor der
israelischen Knesset und besuchte bei dieser
Gelegenheit gleich noch eine illegale Siedlung
im Westjordanland.
Angriff auf die Meinungsfreiheit - Die
Meinungsfreiheit ist ein zentrales Grundrecht
jeder Gesellschaft, die sich demokratischen
Prinzipien verpflichtet fühlt. Sie wird nicht
nur durch internationale Abkommen sondern in der
Schweiz und vielen anderen Ländern auch
verfassungsrechtlich geschützt. Israel versucht,
dieses Recht in Palästina/Israel selber und
international massiv einzuschränken.
Palästinensische Knessetabgeordnete werden
verfolgt und wurden bereits in mindestens einem
Fall von Sicherheitskräften verletzt.
Israelische Organisationen wie Breaking the
Silence, die kritischen Soldat_innen eine Stimme
verleiht und israelische Kriegsverbrechen
aufdeckt, werden bedroht. Am 21. März 2017 wurde
ein Gesetz zur Errichtung einer nationalen
Datenbank verabschiedet, in der Informationen
über israelische Boykott-Befürworter_innen
gesammelt werden.
Noch einiges schlimmer ist indes die Lage für
palästinensische NGOs. Im Sommer 2016 hat Israel
UN-Angestellte aus Gaza verhaftet und ihnen
unterstellt, sie arbeiteten für die Hamas. Die
Story wurden weltweit von zahlreichen Medien
weiterverbreitet. Monate später mussten die
Angestellten aus der Haft entlassen werden, weil
sich die Anschuldigungen als haltlos erwiesen.
Trotzdem hat Israel die Kommunikationsschlacht
gewonnen und erfolgreich das Image der
UN-Aktivitäten im Gazastreifen beschädigt.
Im letzten Jahr wurden auch mehrere
internationale Menschenrechtsverteidiger_innen,
wie zum Beispiel Delegierte des Ökumenischen
Rats der Kirchen, die an einer Umweltkonferenz
in Bethlehem teilnehmen wollten, sowie eine
Schweizerin, die im Auftrag einer NGO Projekte
im Gazastreifen besuchen sollte, an der
israelischen Grenze verhaftet, befragt und
schliesslich ausgeschafft. Diese Praxis wird
weiter verschärft. Kürzlich hat die Knesset ein
neues Gesetz verabschiedet, das ausländischen
Personen, die verdächtigt werden, sich mit BDS
für die Rechte der Palästinenser_innen
einzusetzen, eine Einreise nach Israel
verbietet.
Diese massiven Angriffe auf die Meinungsfreiheit
erstaunen uns nicht. Israel ist der für seine
unaufhörlichen Völkerrechtsverletzungen am
häufigsten von der UNO verurteilte Staat, hat im
Gazastreifen vermutlich zahlreiche
Kriegsverbrechen begangen, wendet in Kriegen
unverhältnismässige Gewalt an, verweigert
Sonderberichterstatter_Innen des
UN-Menschenrechtsrat den Zugang zum besetzten
palästinensischen Gebiet und ist einer der
wenigen Staaten, die sich weigern die Vierte
Genfer Konvention, die den Schutz der
Zivilbevölkerung im Kriegszustand sicherstellen
soll, anzuerkennen.
Die Motion Imark greift die Angriffe auf die
Meinungsfreiheit auf. Organisationen wie das
HEKS, Caritas aber selbst kulturelle
Institutionen wie das FIFDH (Festival
International de film sur les Droits Humans)
könnten schon bald gezwungen sein, ihre
Entscheidungen und ihre Zusammenarbeit mit
zahlreichen Organisationen verteidigen zu
müssen. Sie laufen Gefahr, ihre Subventionen zu
verlieren, wenn sie die von Imark etablierten
Regeln nicht befolgen.
Antidemokratische Tendenzen - Weiter
gefasst, versuchen die SVP und andere rechte
Parteien ein politisches Klima zu schaffen, in
dem Kritiker_innen ihrer Politik kriminalisiert
werden. Zunehmend werden Grundrechte
eingeschränkt, wie zum Beispiel, für
Frauenrechte oder die Rechte von Geflüchteten zu
demonstrieren zu können. Demonstrierende werden
beschuldigt, die öffentliche Ordnung zu
gefährden. So müssen die Organisator_innen immer
mehr Auflagen erfüllen und „Garantien“ gewähren.
Schliesslich sehen sie sich Demonstrierende auch
zunehmend einer militarisierten Polizei
ausgesetzt, die mit übermässiger Gewalt gegen
sie vorgeht.
Im momentanen politischen Klima in der Schweiz
wäre es gefährlich, diese Motion nicht ernst zu
nehmen. Sich zurückzuhalten oder zu schweigen,
hilft weder den übrigen NGOs, Organisationen,
Verbände etc. noch den zahlreichen Bürger_innen,
die sich für die Aufrechterhaltung des
Völkerrechts einsetzen, der Skrupellosigkeit der
xenophoben und populistischen Rechtsparteien zu
entgehen, die heute eine Mehrheit im Parlament
stellen.
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