
Palestine
Update Nr. 75 – 4. Oktober 2017 - Ranjan Solomon,
Herausgeber
Palästinensische Versöhnung – Themen
und Voraussagen
Meinung -
„Wir kehren nach Gaza zurück, um die Versöhnung und
nationale Einheit zu beschließen und die
schmerzlichen Einwirkungen der Trennungen zu beenden
und Gaza Stein für Stein wieder aufzubauen.“
(Parlamentsmitglied Rami Hamdallah)
Es ist
leicht, den Überblick über die Anzahl früherer
Versöhnungsbemühungen zwischen Hamas und der
Palästinensischen Authority (PA) zu verlieren.
Dieses Mal aber kann es anders sein und da sind
zahlreiche Faktoren, die dieser Bemühung bessere
Chancen geben. Gaza war ein Jahrzehnt lang unter
israelischer Belagerung, die schweigende
internationale Unterstützung bekommen hat. Was
hereinkommt an Hilfsgütern und Fürsorge ist zu wenig
und immer zu spät! Die Belagerung hat unendliches
Leiden durch gut kalkulierte kollektive Bestrafung
verursacht.
Hamas
unterscheidet sich von PA auf mehr als nur eine Art.
Sie ist eine Widerstandes-Bewegung, eine politische
Bewegung und eine soziale Bewegung – alles zusammen
in einer Person. Hamas ist in drei Kriege mit Israel
eingetreten, wann immer ihr eine Belagerung
zugemutet wurde. Sie hat seit 2014 vermieden, Grund
für Konflikt zu geben und stattdessen am
Wiederaufbau des Lebens der Leute gearbeitet. Der
Appetit an Konfrontation ist dem Wiederaufbau und
Wohlergehen gewichen.
Weil
Israel weiterhin Kontrolle ausübt und es keinen
internationalen Druck auf die Beendigung der
grausamen und illegalen Politik gibt, wird es weiter
seine Macht ausüben, um den inneren
Vereinigungsprozess auf jede mögliche Art zu stören.
Israel will einfach die Versöhnung in jeder
signifikanten Weise verhindern. Ein politisch
vereintes palästinensisches Volk erschreckt Israel,
weil es bei seinen zukünftigen Verhandlungen mit
einer vereinten Front zu tun hätte.
In
der Frage der Versöhnung bleiben noch zu
überwindende Hürden, und keine davon ist leicht zu
überwinden. Hamas kann einbringen, dass sie mehr
Unterstützung vom Volk in Gaza hat, und trotzdem
gibt es Faktoren, die dagegen abzuwägen sind. Zum
Beispiel: nicht nur Ägypten wünscht sich die
Kontrolle des Grenzübergangs Rafah zwischen Gaza und
Ägypten, auch die internationale Gemeinschaft und
Israels wünschen sich eine solche. Die Idee ist
Hamas einzuschränken und sie zu begrenzt und
unwichtig für irgendeine politische Bedeutung zu
halten.
Und dann
gibt es noch eine schwer zu lösende Frage: Wird
Hamas gewillt sein, ihren Standpunkt als
Widerstandsbewegung aufzugeben? Was wird mit den
Widerstandskräften der Hamas passieren, mit ihren
Waffen, ihrem Personal und deren militärischer
Hierarchie? Hamas wird sich wahrscheinlich weigern,
eine Sicherheit abzugeben mit der Auswirkung, dass
ihre Waffen nicht benutzt werden, um Israel
anzugreifen. Die PA besteht darauf, dass sie als
einzige bewaffnet sein kann.
Das
Übereinkommen von Oslo macht zur Bedingung, dass die
Waffen der PA ausschließlich zur Benutzung gegen
Palästinenser gerichtet sein dürfen. Hamas im
Gegenteil sieht ihre Waffen als eine Möglichkeit,
die Besetzer abzuschrecken. Das wird für Israel ein
Streitpunkt sein und einer, der die Versöhnung
sabotieren kann. Die PA wird die totale Kontrolle
über ihre Waffen haben wollen. Es ist naiv zu
glauben, dass Hamas ihre militärische Kapazität
unter irgendwelchen Umständen aufgeben wird. Hamas
wird sich an ihr Recht halten, Widerstand zu leisten
und zurückzuschlagen, bis die Besetzung aufgehoben
wird und die Ländereien gemeinsam mit der
zufriedenstellenden Lösung aller Fragen über den
Endstatus zurückgegeben sind.
Israels
kolonialistische Intentionen und Vorgaben waren, so
viel Land als möglich an sich zu reißen und
Palästinenser zu enteignen. Israel mag kein
politisch starkes palästinensisches Volk bei
Verhandlungen. Israel möchte, dass der Widerstand
zerschlagen wird. Die größere Frage ist: Wird die
internationale Gemeinschaft Israel mit Strafen
bedrohen, wenn es die Einheit der Palästinenser und
ihre Versöhnung hintertreibt? Würde Israels
Unversöhnlichkeit Selbstisolation bedeuten?
Palästinensische
Versöhnung: Warum soll sie jetzt eher gelingen?
- Zur Abwechslung scheinen alle betroffenen Parteien
eifrig bemüht zu sein, den Erfolg der
palästinensischen Versöhnung zu sehen. Jeder
Mitspieler hat natürlich seine eigenen Gründe.
Jedoch, es wäre nicht möglich gewesen, so schnell so
weit zu kommen, wäre es nicht um die sich
vertiefende humanitäre Krise innerhalb des
Gazastreifens gegangen und die wachsende schlechte
Lage der Gaza kontrollierenden Hamas, in der sie
sich als Ergebnis davon befindet. Es gibt keinen
Zweifel, dass die von Israel und Ägypten verhängte
Belagerung diese Umstände geschaffen hat. Das Leben
ist so unerträglich geworden, dass die öffentliche
Meinung innerhalb des Gazastreifens überwiegend
jedem Deal zustimmen würde, von dem eine
Erleichterung des Drucks versprochen wird. Das hat
Hamas beschleunigt seine Bereitschaft zu
Konzessionen auszudrücken, die bis vor kurzem nicht
annehmbar waren.
Das volle
Ausmaß der politischen Konzessionen von Hamas und PA
ist unklar und der in Diskussion stehende Handel ist
eingehüllt in Doppeldeutigkeiten. Was aber klar ist,
ist, dass Hamas zugestimmt hat, sein eigenes
Administrativkomitee aus der Verantwortung für den
Gazastreifen zu entlassen als Vorspiel zur Übergabe
der Kontrolle an die in Ramallah amtierende PNA (=
Palestinian National Authority), deren
Premierminister Rami al-Hamdallah im Gazastreifen
angekommen ist. Als Teil des neuen Arrangements wird
von Hamas erwartet, dass sie die Kontrolle über die
Übergänge nach Ägypten und Israel aufgibt.
Quelle
Ist
die Hamas-Fatah-Wiederannäherung ein Win-win-Handel?
-
Analytiker sagen, das Angebot der Hamas, auf den
lang verschobenen Versöhnungsprozess mit seinem
Rivalen Fatah zurückzukehren signalisiere, dass die
Balance der regionalen Kräfte sich zu ihren Gunsten
neige und gegen den palästinensischen Präsidenten
Mahmoud Abbas. Hoffnungen bestehen, dass die
Versöhnung ein Jahrzehnt bitterer Fehden zwischen
Hamas und Fatah beenden wird – und gleichzeitig das
Verewigen der territorialen Trennungen zwischen Gaza
und der besetzten Westbank. Die meisten Analytiker
erwarten, dass der Versöhnungsprozess schiefgehen
werde wie schon so viele frühere Versuche. Der
größte Stolperstein könnte der über die lang
versprochenen Wahlen sein. Die Vorhersagen halten es
für möglich, dass Hamas sowohl in Gaza wie auch in
der Westbank siegen könnte.
Quelle
Versöhnung
in Palästina – ein Sprung zum Ende des Chaos in der
Region?
- In
einem Schritt zur Versöhnung begrüßt die Führung
Gazas die PA, indem sie anbietet, den Streit zu
beenden, die Gefangenen zu entlassen und die lokale
Administration zu übernehmen. Das ist eine wichtige
und menschliche Abmachung, die von der ägyptischen
Regierung von Präsident Abdel Fattah El-Sisi
erreicht wurde – die erste nach 10 Jahren. Die
Fraktionen innerhalb des Gazastreifens waren geteilt
zwischen Extremisten, und solchen, die noch extremer
sind. Der Handel war unterbunden, die Tunnels
blockiert, das Schwimmen im Meer war verboten und
die Fischer mussten mit Restriktionen zurechtkommen.
Alles hat damit begonnen, dass der Flughafen, ein
Symbol des Friedens und für eine bessere Zukunft,
geschlossen wurde. Das wichtigste Thema in Gaza
wurde der Status seines Grenzübertritts, und wann er
wohl erlaubt sei für humanitäre Hilfe.
Quelle
Volksfeststimmung
in Gaza beim Versöhnungsbesuch der PA
-
Die PA unter der Führung von Premierminister Rami
Hamdallah erreichte den Gazastreifen über den
Checkpoint Erez Israel zur offiziellen
Begrüßungszeremonie; er sprach optimistische Worte
in Bezug auf die nationale Versöhnung nach 10 Jahren
der Trennung zwischen der Westbank und dem
Gazastreifen. Das Kabinett hielt sein erstes Treffen
in Gaza am Dienstagmorgen und hat hernach seine
offizielle Arbeit als beauftragte Regierung für den
Gazastreifen aufgenommen. Der Versöhnungsakt war
drei Wochen vorher vorbereitet worden, als Hamas,
die regierende Partei im Streifen seit 2007, das
Administrationskomitee auflöste, das sie im März
eingerichtet hatte, um die Geschäfte in Gaza
abzuwickeln und zugestimmt hatte, dass die Macht von
der in Ramallah stationierten Palästinensischen
Autorität übernommen werden solle. Jedoch bleibt der
bewaffnete Zweig der Bewegung die dominierende Macht
in der palästinensischen Enklave von 2 Millionen
Menschen.
Quelle
Versöhnung
ist das wenigste, das erreicht werden kann.
„Die Bedingungen, die der israelische
Premierminister Benjamin Netanyahu unmittelbar vor
dem Start des Versöhnungsprozesses setzte und als
Voraussetzung für die Aufnahme von Verhandlungen
festlegte, erinnern an die Bedingungen, die Israel
unter der Regierung von Ehud Olmert nach dem Sieg
von Hamas in den gesetzeskonformen Wahlen im Jänner
2006 setzte. Damals hatte Israel gefordert, dass
Hamas Israel als Staat und die unterzeichneten
Übereinkommen anerkenne, und begann unmittelbar, den
Gazastreifen zu belagern, um die Hamas zu isolieren,
die zu dieser Zeit die palästinensische Regierung
bildete. Aber nach mehr als 11 Jahren besinnt man
sich der Art, wie es 2006 war, als es keine
wirkliche Versöhnung gab zwischen Hamas und Fatah,
sondern nur einen Dialog. Alle diese Jahre haben
eine große Menge Blutvergießen gebracht wegen der
israelischen Kriege. Verschiedene arabische und
fremde Parteien haben auch noch Brennstoff in diese
Feindschaft geworfen. Diese entsetzliche Erfahrung
muss eine wichtige Lektion für die Palästinenser
sein, besonders für Hamas und Fatah, dass sich
derlei nicht wiederhole.
Quelle
(Übersetzung: Gerhilde Merz) |