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Das Konzert des West-Östlichen-Divan-Orchesters
Von Avi,Yossi, Nurit und Moshe

 

Ich bin Avi der Cellist, ich bin Yossi der Flötist, ich bin Nurit die Geigerin und  ich bin Moshe der Trompeter.

 

Wir konnten es kaum fassen, dass wir in Ramallah  sind. Und  sicher war es für das Publikum nicht einfach, Israelis hier nicht in Uniform zu sehen und nicht bei einer besonderen Militäraktion, wie Häuser zu überfallen und Menschen zu terrorisieren. Wir waren ganz normal  und feierlich für ein Konzert im Kulturpalast gekleidet. Zusammen mit anderen jungen Israelis, Arabern aus Jordanien, dem Libanon, Syrien und Palästina gaben wir mit dem West-östlichen Diwan-Orchester unter der Leitung des Maestro Daniel Barenboim ein Konzert.

Welche Freude war es für uns, an einem so schönen Platz zu sein und die begeisterte Menge endlos applaudieren zu hören. Es waren Menschen, die uns hören wollten und uns herzlich begrüßten – trotz all dem, was wir ihnen und ihrem Leben im Laufe von 38 Jahren Besatzung angetan haben. Natürlich war uns auch klar, dass es mit der besonderen Beziehung zwischen Barenboim und   Edward Said zusammenhängt. Ohne diese Freundschaft  wäre dieses besondere Projekt nie realisiert worden  und  hätten wir nie in Palästina ein Konzert gegeben. Wir sind davon überzeugt, dass Musik alle Missverständnisse und allen Hass überwindet.

 

Doch  sollte man es nicht für selbstverständlich nehmen, dass Menschen, die unter Besatzung leben, ihre Besetzer herzlich in ihrer Mitte  aufnehmen, bevor sie nicht für ihre Verbrechen sühnen und die Besatzung beenden. Eher als andere Völker -  sollten wir wissen, wie man sich da fühlt. Bis jetzt weigern wir uns, Richard Wagner in Israel zu spielen, weil uns seine Musik an das verhasste Nazi-Regime erinnert.

 Ganz tief in uns fragten wir uns: die uns zuhörenden Leute können doch keine  „Terroristen“ sein, wie unsere Regierung uns immer weis zu machen versucht? Es sind Menschen, die sich nach Freiheit  sehnen; das ist auch der Slogan, unter dem dieses Konzert in Erinnerung an den verstorbenen Edward Said, einen Palästinenser, aufgeführt wurde.

 

Wir hätten allerdings auch gut verstehen können, wenn viele  sich nicht wohl fühlten, während sie uns hier spielen sahen, da  uns  bewusst war, dass sie sich noch an die Brutalität der israelischen Soldaten während der „Operation Verteidigungsschild“ 2002  erinnerten. Und mancher mag sich vielleicht gefragt haben, ob der eine oder andere von uns daran teilgenommen hatte. Wir hatten so viele hässliche Geschichten gehört, und mancher unter den Zuhörern mag solch eine schlimme Erfahrung  gemacht haben wie die Frau, deren Wohnung dreimal durchsucht wurde und der auch die letzte Lichtquelle weggenommen worden war, nachdem es keinen Strom gab; oder die 1000 Dollar, die beim Plündern einer Wohnung gestohlen worden waren, weil der Besitzer aus Angst um sein Leben,  sie schnell verlassen hatte oder die vielen Wohnungen, die von Soldaten benützt  und wie ein Schweinestall hinterlassen wurden, oder an die vielen jungen Männer, die  auf den Straßen verhaftet wurden, nur weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren.

Wie es die Ironie will, fand das  Konzert unter der Schirmherrschaft des Kultusministeriums statt, in dessen Gebäude die Soldaten während der Operation geradezu Amok gelaufen waren. Was dort geschah, ist nur verabscheuungswürdig. Deshalb fragen wir uns, ob die Zuhörer jetzt auch an Szenen mit  israelischen Soldaten dachten, als wir hier das Konzert gaben - oder hat die wunderschöne Musik von Mozarts Symphonie und Beethovens Fünfter eine heilende Wirkung?

 

Tief in uns hatten wir das Gefühl, dass wir diesen Leuten mehr als nur ein schönes Konzert  schuldeten. Der Maestro Barenboim sagte, er sei keine politisch denkende Person. Aber in diesem gequälten Land kann nichts, was gesagt oder getan wird, unpolitisch sein. Wir können es also nicht für selbstverständlich hinnehmen, dass dieses Konzert unter denselben Umständen noch einmal geschieht oder dass es vielleicht ein Anfang für einen Prozess der Normalisierung ist.  Wir sind dankbar für die Vision des Maestro, dass unser gemeinsames Musizieren und dass wir uns hier als Menschen gegenseitig anerkennen, uns daran erinnert, dass wir in diesem Land zusammen leben sollen. Aber um diese Vision realisieren zu können, müssen wir auch anerkennen, dass es das Völkerrecht und die UN-Resolutionen  gibt, und wir dürfen nicht vergessen, dass dieses Land durch die Internationale Gemeinschaft geschaffen wurde. Wir können nicht einfach damit fortfahren, ein ganzes Volk  zu besetzen und dieses seiner unveräußerlichen Rechte berauben – und gleichzeitig von ihnen verlangen, dass sie sich ruhig verhalten.

 Bei diesem Konzert spürten wir sehr deutlich, dass unsere Sicherheit  von der Freiheit der Palästinenser abhängt. Vielleicht haben wir  deshalb mehr als andere eine besondere Verantwortung : sollten wir nicht diejenigen sein, die mit der Kampagne beginnen, die Besatzung zu beenden und die Mauern und Kontrollpunkte abzureißen? Nur dann können sich die beiden Völker über die Früchte eines gerechten Friedens erfreuen, der dann Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit für alle mit sich bringt – so wie es der Maestro sich so sehr wünscht.

 

Wir hoffen sehr, dass wir noch ein Konzert an der Mauer geben können, so dass wir mit Hörnern, Trompeten und Cymbeln mithelfen können, dass die Mauer in sich zusammenstürzt.

 

(dt. Ellen Rohlfs)

 

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