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Jerusalem in Gefahr, während die Welt schläft
Tariq Shadid
30. Okt. 2014 / 4:57 pm
Spannungen wachsen unermesslich, in der Stadt, die aufgrund der drei
größten Religionen: Islam, Christentum und Judaismus, als „Heilige
Stadt“ gilt. Ihr aramäischer Name ‘Ur Shalim’, woher „Jerusalem“,
ihr derzeitiger internationaler Name, herrührt, bedeutet: „Stadt des
Friedens“, doch jetzt wurde sichtbar, dass es seinem Namen für lange
Zeit nicht gerecht werden wird.
Die israelischen Pläne, im kommenden Monat über einen
Gesetzesentwurf zu diskutieren, der dazu dient, das Gelände der Al
aqsa-Moschee zwischen Muslimen und Juden zu teilen, haben in dem
ganzen Gebiet Unruhen aufkommen lassen. Die palästinensische
Führungsspitze brachte ihren Protest zum Ausdruck und verurteilte
dieses Vorhaben. Trotzdem lassen sich die Israelis von leeren Worten
nicht abschrecken, und es ist höchst unwahrscheinlich, dass sie
dadurch ihre Pläne irgendwie beeinflussen lassen.
Heutzutage drängen praktisch tagtäglich jüdische Extremisten in das
Al aqsa-Gelände ein, bewacht und beschützt von Soldaten der
israelischen Besatzungsarmee. An vielen Freitagen untersagen die
israelischen Besatzungsbehörden männlichen palästinensischen
Gläubigen unter 50 Jahren, in der Moschee zu beten. Diese Praktiken
führen zu Konfrontationen zwischen der israelischen Polizei und
unbewaffneten palästinensischen Demonstranten, die in viele
Verletzungen ausarten.
Israelische Siedler treiben auch ihre Pläne voran, Ostjerusalem
ethnisch von seinen ursprünglichen palästinensischen Einwohnern
durch Zwangsräumungen und Häuserzerstörungen zu säubern und sich so
viele arabische Häuser wie möglich anzueignen. Zur Zeit
konzentrieren sie sich auf die Umgebung von Silwan.
Während israelische Behörden gerne den Anschein wahren, dass diese
aggressiven Taten das Werk und eine Initiative der „rechtsradikalen
Siedler“ wären, da diese gegen Aktionen sind, die von der
„israelischen Zivilgesellschaft“ stammen, ist es für viele in der
ganzen Welt sichtbar geworden, dass eine enge Zusammenarbeit
zwischen der jüdischen Bürgerwehr und der Armee der Besatzung
existiert. Es steht außer Frage, dass die Siedler, die Waffen und
militärisches Training von der israelischen Regierung erhalten,
schwerbewaffnete terroristische Milizen sind, die ihre Befehle
direkt aus Tel Aviv erhalten.
Die israelischen Behörden haben die Kontrolle über breite Stellen
des Gebietes von Silwan einer Siedlerorganisation übergeben, die „Elad“
genannt wird, deren Ziel es ist, ein Touristenzentrum mitten in
diesem Gebiet zu errichten, wohingegen die Behörden Pläne haben, die
gesamte Region in einen „Nationalpark“ umzuwandeln. Jerusalem wird
rasant „judaisiert“, was eine Verletzung sämtlicher internationaler
Abkommen darstellt, aber unter einem Mantel des Schweigens
geschieht, was von Politikern der gesamten Welt aufrecht gehalten
wird.
Als der Felsendom am 21. August 1969 angegriffen wurde, führte dies
lediglich zu einer Einberufung des Sicherheitsrates, die Jordanien
gefordert hatte und die von 24 Mitgliedsstaaten unterstützt wurde.
Sogar in jenen Tagen im Jahr 1971 war bereits bekannt und wurde auf
höchster Ebene der Vereinten Nationen diskutiert, dass es einen
israelischen Masterplan für „zusätzliche Siedlungen, Konfiszierung
von arabischem Land und Eigentum, Bauarbeiten und Grabungen“ gab.
(Resolutionen und Statements des UN-Sicherheitsrates (1946-1989)
bearbeitet von Karel C. Wellens, p 449 ).
Am 11. April 1982 ermordete ein jüdischer Gewehrschütze 12 betende
Muslime in der Moschee und verletzte weitere 12. Im Jahre 1990, an
dem Tag, der als „Schwarzer Montag“ oder die ‘Temple Mount Riots’
(Tempelberg-Krawalle) bekannt wurde, wurden 22 betende Muslime von
israelischen Besatzungsstreitkräften getötet. Zwei Resolutionen des
Weltsicherheitsrates verurteilten die Gewalt – und – das war alles.
Sollten wir (etwa) eine härtere Reaktion, außer lediglich Worten,
erwartet haben? Nun, die Situation hat sich seitdem höchstens noch
verschlechtert. Angriffe auf das Al aqsa-Territorium kommen
heutzutage so oft vor, wenn auch mit weniger tödlichem Ausgang, dass
sie kaum neue Schlagzeilen machen. Den Israelis wurde jetzt klar,
dass letztlich die Zeit zu drastischeren Maßnahmen bezüglich
Jerusalem gekommen ist, obwohl sie offiziell illegal sind, gemäß den
internationalen Konventionen und UN-Resolutionen.
Am frühen Morgen des 30. Oktober 2014 wurde der fanatische
Hartline-Zionist, Yehuda Glick, in Jerusalem angeschossen und schwer
verwundet. Besatzungsstreitkräfte schossen und töteten den
32-jährigen Palästinenser, Mutaz Hijazi, den sie beschuldigten, für
das Schießen auf den jüdischen Siedler verantwortlich zu sein. Glick
ist ein prominenter Rabbi bei denen, die für die Übernahme des Al
Aqsa-Territorium durch Juden plädieren, das zur Zeit noch offiziell
unter der Kontrolle des islamischen Waqf unter der Schirmherrschaft
von Jordanien steht.
Die Tatsache, dass der zionistische Staat darauf hinzielt, die Al
Aqsa-Moschee zu zerstören und dann ihren „Dritten Tempel“ dort zu
erbauen, wird in politischen Debatten so gut wie nie erwähnt.
Clevererweise unterlassen die Zionisten jegliche provokative
Handlung, die Teil jenes Planes der „Siedlerbewegungen“ ist, die
ohne ein sichtbares und greifbares Mandat der Behörden operieren.
Nichtsdestotrotz sollte die Tatsache, dass sie mehr oder weniger
straffrei handeln können und dabei den Schutz der Armee erhalten,
und dass detaillierte Pläne, den Dritten Tempel zu erbauen, bereits
existieren, deutlich genug für jeden sein, der bereit ist, dies
aufgrund ihres Modus operandi zu erkennen. Sehen Sie sich den Video
an, um eine bessere Vorstellung darüber zu bekommen, wie ernst die
Situation wirklich ist.
Die israelische Kontrolle über Jerusalem rührt aus dem Jahr 1967
her, also 47 Jahre zuvor, aber die Pläne, die vollständige
Unterjochung der Heiligen Stadt und die vollständige
Besitzergreifung, sowohl ihrer heiligen als auch zivilen Regionen,
voranzutreiben, wurden langsam, stetig und geduldig praktiziert.
Die aktuellen Unruhen im Nahen Osten haben ihnen ein gutes Timing
zur Beschleunigung der Maßnahmen verschafft, um ihre Kontrolle über
das Al Aqsa-Territorium und ihre Bemühungen der verstärkten
Judaisierung an dem Mamilla-Friedhof, Silwan, Sheikh Jarrah und
anderen Vierteln von Jerusalem zu intensivieren.
Die Judaisierung von Jerusalem ist und war schon immer ein
wesentlicher Plan der israelischen Besatzung. Diese kalkuliert die
Schwäche und Passivität der Araber und Muslime ein, berücksichtigt
aber auch, dass das Al Aqsa-Territorium ein potentielles Pulverfass
ist. Jedoch realisiert sie zugleich, dass nun die Zeit gekommen sein
dürfte, wo sie mit dem simplen Aneignen des gesamten Al
aqsa-Territoriums, oder zunächst einmal der Hälfte des Al
aqsa-Territoriums, durchkommen könnte, um dann die ohnmächtigen
Missbilligungs- und Protestschreie, die zweifelsohne in der
Muslimwelt ausbrächen, auszusitzen.
Viel geschieht nicht im Moment, das ein Beweis für das Gegenteil
ist. Die Regierungen arabischer Länder sind entweder zu beschäftigt
damit, ihr eigenes heimisches Chaos in den Griff zu bekommen oder zu
sehr in regionale Aktivitäten involviert, die sie zu eng an den
eingeschworenen Israel-Verbündeten, die Vereinigten Staaten, bindet,
um irgendetwas Bedeutendes zu unternehmen.
Westliche Regierungen haben bereits ihre routinemäßige Bereitschaft
gezeigt, über alle Arten von Landraub, Massenmord und ethnischer
Säuberung hinweg zu sehen.
Die Last, Jerusalem zu einem Welt-Thema zu machen, wird daher
ausschließlich den Millionen von Aktivisten in aller Welt
aufgebürdet, die nicht bereit sind, die Israelis widerspruchslos mit
ihren Plänen weitermachen zu lassen.
Die Israelis sind im Begriff, das Pulverfass zu entzünden, weil sie
darauf vertrauen, dass die Dinge, wenn sie dies tun, nach ihrem
Willen verlaufen. Obwohl es bereits lange überfällig ist, liegt es
nun an allen, die sich in der gesamten Welt aktiv für Palästina
einsetzen, ihr Bestes zu geben, um ihnen ein Endergebnis zu liefern,
das sie am wenigsten erwarten.
- Tariq Shadid ist ein Arzt, der in der arabischen Golfregion lebt
und der viele Jahre Artikel für den „Palestine Chronicle“
geschrieben hat. Einige dieser Essays wurden in dem Buch „Palästina
verstehen“, das bei Amazon.com zu beziehen ist, gebündelt. Er ist
außerdem der Gründer der Website „Musical Intifada“, wo seine Songs
über die palästinensiche Situation präsentiert werden.
www.docjazz.com.
Diesen Artikel veröffentlichte er unter: „PalestineChronicle.com“.
Deutsche Übersetzung aus dem Englischen von Inga Gelsdorf
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