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Hilferuf aus dem
Gazastreifen
Ramy Abdu,
8.12.07
Inzwischen sind mehr als 60 Jahre seit
unserer palästinensischen Katastrophe – der
Nakba- vergangen. Das palästinensische Volk
ist durch viel Leid und Unglück gegangen.
Der Gazastreifen, in dem 1,5 Millionen
Menschen leben, von denen 75% Flüchtlinge
sind, hat einen großen Anteil an diesem
Leiden.
Zu Beginn der Intifada, im Jahr 2000,
verletzte die israelische Besatzung alle
Tabus internationaler Konventionen und
quälte die Palästinenser schwer.
Unterdessen dauert die harte
Belagerung des Gazastreifens nun schon
sieben Monate lang an – mit noch mehr
Grausamkeiten. Die Belagerung hindert die
Bewegungsfreiheit in und aus dem
Gazastreifen für Waren und Menschen. Deshalb
verschlechtert sich die humanitäre Situation
zusehends und die zerbrechliche Wirtschaft
im Gazastreifen geht zugrunde. Die
Wirtschaft war sowieso schon wegen der
Besatzungsprozeduren schwach. Dem
entsprechend ist der Gazastreifen zu einem
großen Ghetto geworden. Jede Familie im
Gazastreifen kann Geschichten des Leids und
der Schmerzen erzählen.
Im Grunde hängt der Gazastreifen von
importierten Waren aus der von Israel
besetzten und kontrollierten Westbank ab.
Seit Beginn der Belagerung verhindert die
Besatzung, dass Rohmaterial in den
Gazastreifen gelangt, verhindert aber auch
den Export von Waren, die in
palästinensischen Häusern ( in Gaza)
hergestellt werden. Dazu hat die
Arbeitslosenrate eine Höhe von 70% erreicht.
Deshalb sind die Menschen im Gazastreifen
nicht mehr in der Lage, sich mit den
Grundbedürfnissen zu versorgen. Das
Einkommen pro Kopf ist pro Jahr auf 650$
gefallen.
Bis jetzt ist es der Besatzung nicht
gelungen , die Bevölkerung des Gazastreifens
zu unterwerfen. Deshalb versucht die
Besatzung mit allen Methoden und Mitteln,
dieses Ziel zu erreichen.
Die Besatzung versucht, alle
wirtschaftlichen Bereiche zu treffen. Alle
Fabriken – 3700 Werkstätten und Fabriken –
mussten geschlossen werden. Auf diese Weise
wurden 65 000 Arbeiter arbeitslos. Da die
Belagerung weitergeht, sind nun auch die
Bauern betroffen, besonders in der wichtigen
Erntejahreszeit. So wurden weitere 20 000
Arbeiter arbeitslos.
Was die Grenzübergänge des Gazastreifens
betreffen, so gibt es fünf davon, die den
Gazastreifen mit der Außenwelt verbinden:
vier mit den besetzten Gebieten ( über
Israel) und eine mit dem ägyptischen
„Rafah-Terminal“. Die Besatzung hat die
volle Kontrolle aller 5 Grenzübergänge.
Deshalb sind sie vollkommen verfallen und
geschlossen. Die Besatzung erlaubt nicht,
dass Menschen raus oder rein kommen. Sie
erlaubt zwar, dass eine bestimmte Reihe von
Nahrungsmittel hineinkommt, aber kein
Rohmaterial und andere Arten von
Nahrungsmitteln.
Eine Statistik berichtet, dass 37 LKWs
mit solchen Waren nach Gaza kommen,
doch bräuchte der Gazastreifen 300 LKWs pro
Tag, was Rohmaterial, Waren und
Grundnahrungsmittel einschließen würde.
Im Gesundheitsbereich besteht eine große
Gefahr, da Kranke doppelt unter dieser
Situation leiden. Die Besatzung verbietet,
dass Medikamente die Grenze passieren und
dass Kranke für medizinische Behandlung ins
Ausland gehen können.
Die von Gesundheitsabteilungen
veröffentlichten Berichte und
Statistiken sagen, dass 1500 Leute mit
verschiedenen Krankheiten dringend
medizinische Versorgung bräuchten , wie
Nierenversagen, Herzkrankheiten,
verschiedene Krebskrankheiten. 300 dieser
kranken Leute sind in einer sehr ernsten
Lage.
Mehr als 137 medizinische Maschinen
funktionieren nicht mehr, weil Ersatzteile
fehlen, 23 dieser Maschinen sind
Dialysegeräte – 23 von insgesamt 66.
86 Medikamente sind nicht mehr vorhanden und
132 gehen zu ende.
Seit Beginn der Arbeit des Volkskomitees
gegen die Belagerung (PCAS) im November 2007
gab es deshalb 29 Tote auf Grund der
Belagerung. Sie waren Opfer des
Reiseverbots. Sie starben vor den Kameras,
und die ganze Welt wurde Zeuge dieses
Sterbens . Doch keiner tat etwas. Diese
kranken Opfer fragten sich immer wieder:
„Wann dürfen wir zur medizinischen
Behandlung reisen?“ diese Frage wird von
Hunderten anderer Kranken gestellt.
Was die Infrastruktur betrifft, so mussten
Wasserprojekte, Kanalisation, Schul- und
Gesundheitseinrichtungen wegen der
Absperrung geschlossen werden. Die Lieferung
des benötigten Rohmaterials für diese
Projekte war verboten. 250 Millionen
Dollars waren für diese Projekte bestimmt
und 1000 Arbeiter hätten direkt davon
profitiert, auch die UNWRA hatte einige
Projekte. 93 Millionen hätten 16 000
Menschen direkt geholfen. Außerdem
verringerte die Besatzung die Lieferung von
Kraftstoff, was auch die Wasserpumpen und
das Abwässersystem beeinträchtigt. Das
Bildungs- und Gesundheitswesen und andere
Sektoren mussten ihre Arbeit einstellen,
weil es keine Fahrgelegenheiten mehr gibt.
Mehr als 25 Gemeinderäte sind dabei, ihre
Dienste für die Bevölkerung einzustellen,
z.B. die Müllabfuhr.
Außerdem war es Studenten, die im Ausland
studieren, nicht möglich, zu ihren
Universitäten zurückzureisen. Ihre Zukunft
steht in Frage und manche Familien verlieren
so die Genehmigung, wieder einzureisen.
Die hier erwähnten Bilder vom
palästinensischen Leiden im Gazastreifen
sind nur einige wenige. Die Besatzung
belagert die Bevölkerung von Gaza und
verletzt so die internationale Charta der
Menschenrechtskonventionen, einschließlich
der Vierten Genfer Konvention und die
internationale Erklärung der Menschenrechte.
Seitdem PCAS mit seiner Arbeit begann, gegen
die Belagerung anzugehen, hat sie viele
Persönlichkeiten und Gruppen angesprochen.
Doch haben wir bis jetzt noch nichts gehört.
Da gibt es keine Aktionen, die das Leiden
der Menschen lindern. Deshalb rufen wir Sie
dringend dazu auf und bitten alle mit
Gewissen, sich zu regen und etwas zu tun,
und wenn auch nur mit Worten, um
Zehntausenden aus einer zwangsläufigen Krise
zu helfen.
Ramy Abdu, Sprecher des Volkskomitees gegen
die Belagerung
www.freegaza.ps
Magister im Finanzwesen von der Jordanischen
Universität
Projekt-Koordinator der Internationalen Bank
im palästinensischen Finanzministerium von
2001 – 2005.
Chef der Finanzabteilung der
Aqsa-Universität
Dozent an einigen Gaza-Universitäten
( dt. Ellen
Rohlfs |