Memorandum,
Das Areal um
Rachels Grab in Bethlehem
Hanna J.
Nasser, Bürgermeister von Bethlehem
1. Während der
ganzen Geschichte ist Rachels Grab immer ein Teil der Stadt
Bethlehems gewesen. Es liegt innerhalb der nördlichen Stadtgrenze
von Bethlehem und wird als eine seiner religiösen und historischen
Stätten betrachtet.
2. Nach
Beginn des Friedensprozesses in Madrid 1991 unterzeichnete die
israelische Regierung und unsere palästinensische Führung 1993 das
berühmte Oslo II-Abkommen, in dem beide Parteien in folgendem, was
Rachels Grab betrifft, übereinkamen:
Im Anhang 1,
Artikel V, 7 steht klar formuliert:
a) Während das
Grab als auch die Hauptstraße, die von Jerusalem zum Grab führt,
unter der Sicherheitsverantwortung Israels steht, soll die freie
Bewegung der Palästinenser auf der Hauptstraße weiter bestehen.
b) Um das Grab
zu schützen, werden drei israelische Wachposten installiert: im
Grabareal, auf dem
Dach des Waqf Gebäudes und auf dem Parkplatz.
c) Die
gegenwärtige Situation und die bestehenden Praktiken sollen bewahrt
werden.
3. Im
Widerspruch zum Oslo-Abkommen und gegen alle internationalen
Konventionen, bauten die israelischen Behörden im März 1996 vor das
Grab eine Betonwand und sperrten den westlichen Teil der Straße ab
und zwangen so den Verkehr am Eingang Bethlehems in eine schmale
Spur von 6 m. Selbst dieses Nadelöhr wurde später von israelischen
Kräften abgesperrt.
4. Die
israelischen Behörden fahren bedenkenlos in der Erfüllung ihrer
Pläne fort und verändern den Charakter des Areals um Rahels Grab und
schaffen so in Bethlehem neue Fakten. Im Juli 1999 bauten sie eine
120 x 5 m lange Passage als Gehweg am Grabareal entlang.
5. Die
Nichtachtung der Heiligen Stätten innerhalb des Areals (die Bilal
bin Rabah –Moschee und der islamische Friedhof) nimmt unseren Leuten
die Freiheit, dort zu beten und verweigert ihnen den Zugang zum
Friedhof, um dort ihre Verstorbenen zu beerdigen.
6. Am 11.
September 2002, als die ganze Welt am Jahrestag des schrecklichen
Angriffes auf New York und Washington gedachte, hat das israelische
Sicherheitskabinett einer Entscheidung zugestimmt, eine
Sicherheitszone rund um Jerusalem, einschließlich Rahels Grabareal
in Bethlehem, einzurichten und diese unter ständiger israelischer
Kontrolle zu halten.
7. Der Vorwand
ist die Sicherheit der Juden auf dem Weg zur Heiligen Stätte. Der
wahre Grund jedoch ist, das Gebiet und den nördlichen Eingang von
Bethlehem in Besitz zu nehmen, um ihn Israel anzugliedern, um so den
„Metropolitan Jerusalem Plan“ zu erfüllen.
8. Am 5.
Dezember 2002 wurde eine illegale Volkszählung durchgeführt, bei der
israelische Behörden die Namen und die Nummern der Identitätskarten
der Leute dieses Gebietes registrierten.
9. Die
israelischen Besatzungskräfte erließen am Februar 2003 eine
Militärorder
(03/14/T), in der
sie die Inbesitznahme des palästinensischen Landes und Besitzes um
Rachels Grab aus militärischen Gründen bekannt gaben.
10. Der Order war
ein Plan beigefügt, auf der die große Betonmauer eingezeichnet ist,
die die israelische Regierung mitten auf der Hauptstraße zu bauen
vorhat und zwar vom Checkpoint bis zum Grabareal, die ganze heilige
Stätte und die benachbarten Gebäude und Ländereien mit einschließt.
11. Unsere Bürger
ihres Besitzes und Erbes zu berauben und so ihre Arbeitsstätte und
ihren Betrieb still zu legen , ist gewiss eine offenkundige
Verletzung aller beschlossenen Abkommen, ganz zu schweigen von der
Verletzung der einfachen Menschenrechte.
12. Der Bau der
Trennungsmauer wird das Gebiet um Rachels Grab praktisch in ein
Ghetto verwandeln. Etwa 500 Bethlehemer Bürger werden folglich
gezwungen sein, eine Genehmigung zu beantragen, um ihr eigenes Haus
und Land betreten zu dürfen. Besuchern ist der Zugang verwehrt.
Bewegungsfreiheit gibt es nicht.
13. Die Mauer wird
den ganzen nördlichen Teil von Bethlehem beeinträchtigen, in dem
sich Werkstätten, Souvenierläden, Restaurants, Kirchen und das
Waqf-Gebäude, das einzige Baby-Krankenhaus der Stadt und viele
Häuser befinden, in denen etwa 4000 Menschen wohnen. Es wird
Bethlehem vom einzig verbleibenden Gebiet trennen, das ihm zur
Ausdehnung geblieben war. Außerdem wird befürchtet, dass durch die
Isolierung, die Schikanen und den Druck, der bei der Ausführung der
oben genannten tyrannischen Order ausgeübt wird, immer mehr unserer
Bürger auswandern.
14. Abgesehen von
der Abtrennung Bethlehems von den übrigen palästinensischen Gebieten
und besonders von Jerusalem wird die Trennungsmauer, ein massiver
Bau am wichtigsten Ortseingang Bethlehems, den Tourismus, unsere
Haupteinnahmequelle dezimieren und die ganze Wirtschaft unserer
Stadt mit dem Ergebnis abwürgen, dass die sowieso schon zu hohe
Arbeitslosigkeit und Armut noch mehr anwächst.
15. Die ganze
Angelegenheit ist insofern ironisch, weil man die Mauer im Namen der
Sicherheit für die paar jüdischen Beter baut, die Rachels Grab
besuchen. Deshalb sollte erwähnt werden, dass die heilige Stätte
niemals Zeuge eines gewaltsamen Aktes oder Angriffes gegen
Gottesdienstbesucher war. In der ganzen Geschichte haben
Palästinenser das Grab immer geschützt und für ungestörten
Gottesdienst darin gesorgt.
16. Noch
ironischer ist: diese Mauer war während 28 Jahren israelischer
Besatzung Bethlehems und während der 7 Jahre der 1. Intifada nie als
notwendig angesehen worden.
17. Nach allem
ist das Grab seit 1993 immer ein Platz starker israelischer
Militärpräsenz gewesen. Es sind die Israelis, die die Verantwortung
für die Sicherheit dieses Platzes tragen. Die Errichtung der Mauer
ist also vollkommen ungerechtfertigt.
18. Während
Initiativen ergriffen werden, um die Israelis und die Palästinenser
zurück an den Verhandlungstisch zu bringen, helfen die oben
genannten unterdrückerischen Maßnahmen ganz sicherlich nicht,
Brücken des Vertauens zu bauen, noch helfen sie, der Sache des
Friedens in unserer Region zu dienen.
19. Dies ist ein
dringender und lauter Appell an alle Menschen guten Willens in der
Welt, diesem Befehl entgegen zu treten, sich einzumischen und den
Bau der Mauer zu verhindern.
20. Bitte stoppt
diese Aggression und erspart unserer Heiligen Stadt diese
katastrophale Bedrohung! Bethlehem benötigt weder Ghettos noch eine
neue Berliner Mauer. Es benötigt Achtung vor seinen Rechten und
seinem Land. Es benötigt eine Öffnung seiner Grenzen und eher eine
Verbreiterung seines Hauptzuganges als Absperrung und
Landenteignung.
Hanna J.
Nasser - Mayor of Bethlehem
Aus dem englischen Ellen
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