Armin Fiand
Rechtsanwalt
Zentralrat der Juden in Deutschland
Präsidium
Leo-Baeck-Haus
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10061 Berlin
per Fax:
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16. Januar 2009
Sehr geehrte Frau Knobloch, sehr geehrter Herr Professor Dr.
Korn, sehr geehrter Herr Dr. Graumann,
am letzten Wochenende
(10./11. 01. 2009) ist in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
und in der Süddeutschen Zeitung (wahrscheinlich auch noch in
weiteren Zeitungen, was ich aber nicht weiß), eine von Ihnen,
dem Zentralrat der Juden in Deutschland, in Auftrag gegebene
Anzeige erschienen. „Unsere Solidarität mit Israel – Gegen
den Raketenterror der Hamas – Für eine Perspektive für die
palästinensische Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen“.
Ich frage mich, was Sie mit
dieser Anzeige, die die Dinge auf den Kopf stellt, erreichen
wollen. „Solidarität mit Israel“ – klar! Aber die Solidarität,
die Sie im Auge haben, werden Sie nicht erreichen.
Erreichen werden Sie das Gegenteil. Auch diejenigen, die Israel
bisher wohl gesonnen waren, werden sich jetzt mit Abscheu
abwenden, wenn sie feststellen müssen, daß in Wahrheit keine
Solidarität mit Israel eingefordert, sondern um Verständnis für
die abscheulichen Kriegsverbrechen geworben wird, die die
israelischen Streitkräfte seit dem Ausbruch der Feindseligkeiten
tagtäglich im Gaza-Streifen begehen. Diese Verbrechen lassen
sich mit eigenen Augen an den Fernsehapparaten verfolgen.
Verständnis für die, die
solche Kriegsverbrechen anordnen? Verständnis für
Kriegsverbrecher der üblen Art, ob sie nun Olmert,
Livni oder Barak heißen? Ich glaube, daß man das in
Deutschland nicht mehr erwarten kann, nachdem in den Nürnberger
Kriegsverbrecherprozessen nach dem Ende des zweiten Weltkriegs
klar und verbindlich für alle Nationen festgestellt worden ist,
daß Angriffskriege und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
schwerstes kriminelles Unrecht sind, das keine Chance mehr hat,
ungesühnt zu bleiben.
Es kommt doch nicht darauf
an, ob Israel in unregelmäßigen Abständen von militanten Kräften
im Gaza-Streifen aus mit vornehmlich selbstgebastelten Raketen,
die allenfalls in der Lage sind, nach dem Zufallsprinzip
irgendetwas oder irgendwen zu treffen, beschossen worden ist.
Nach dem Völkerrecht und dem Kriegsvölkerrecht hatte und hat
Israel nicht das Recht. auch nicht aus Rache oder als
Vergeltung, dermaßen massiv, rücksichtslos und brutal, gegen die
Bevölkerung in Gaza vorzugehen, wie das seit nunmehr drei Wochen
geschieht. Dem Krieg sind bisher weitaus mehr als 1000
Palästinenser zum Opfer gefallen, davon in der Hauptsache
Zivilisten. Über 300 Kinder. Auf israelischer Seite gibt es 13
Tote, drei von ihnen Zivilisten. Drei israelische Soldaten kamen
durch das Feuer der eigenen Kameraden ums Leben. Diese Zahlen
sprechen für sich. Wie soll man bei diesem Zahlenverhältnis
ausschließlich Mitleid mit den Angehörigen der getöteten
Israelis empfinden?
Ich möchte mich nicht im
einzelnen mit allen Argumenten beschäftigen, die Sie in Ihrer
Zeitungsanzeige vorgebracht haben, um darzulegen, daß Israel
nichts anders tue, als daß es von seinem Recht auf
Selbstverteidigung Gebrauch mache. Sie alle ließen sich Punkt
für Punkt widerlegen.
Einen einzigen Punkt möchte
ich herausgreifen.
In Ihrer Anzeige heißt es:
Jedes Menschenleben zählt. Jedes Opfer – gleichgültig auf
welcher Seite – ist eines zu viel. Es gibt keinen sauberen und
ehrenhaften Krieg, der die Zivilbevölkerung schützt, wenn man
gegen Terroristen kämpft.
Die beiden ersten Sätze
entsprechen der üblichen - mittlerweile stark abgenutzten -
scheinheiligen Floskel, die vornehmlich von denen bemüht wird,
die nichts dabei finden, wenn unschuldige Menschen in einem
völkerrechtswidrigen Krieg zu Tode kommen. Frage: Wenn schon ein
Opfer eines zu viel ist, warum werden dann Hunderte von Menschen
systematisch umgebracht? Der dritte Satz wirft die Frage auf,
weshalb die israelische Führung meint, einen unsauberen
und unehrenhaften Krieg führen zu dürfen, wenn es, wie es
tatsächlich der Fall ist, keinen Schutz der palästinensischen
Zivilbevölkerung gibt. Israel hat die Palästinenser im
Gaza-Streifen wie in einem KZ auf engstem Raum
zusammengepfercht; das Gebiet ist abgeriegelt. Es gibt kein
Entrinnen. Daß alle, die legitimen Widerstand leisten und/oder
eine Meinung haben, die von der offiziellen abweicht,
Terroristen sind, wissen wir natürlich, seit George W. Bush in
den USA als Präsident auch der Oberkommandierende der
amerikanischen Streitkräfte ist.
Eingefleischte Antisemiten
haben immer behauptet, daß Israel die Geschäfte des
Antisemitismus so hervorragend selbst besorge, daß man dafür
keine anderen mehr benötige. Ich war nie ein Anhänger dieser
plumpen These. Aber inzwischen kommen mir, wenn ich mir vor
Augen führe, auf welche Weise sich Israel überall in der Welt
unbeliebt macht, Zweifel, ob an dieser These nicht doch etwas
daran ist.
Israel bangt um sein
Existenzrecht. Mit Recht. Es ist auf dem besten Wege, dieses
Existenzrecht durch sein Verhalten selbst in Frage zu stellen.
Mir liegt es fern, mich in
Angelegenheiten einzumischen, die nur den Zentralrat der Juden
in Deutschland etwas angehen. Nur: Ganz so frei ist der
Zentralrat in seinen Entscheidungen, soweit es um das
Geldausgeben geht, nicht.
Der Zentralrat erhält von
der BRD auf Grund des mit ihr geschlossenen Staatsvertrages
einen Zuschuß in Höhe von jährlich 7.272.000,00 Euro,
ursprünglich waren es 4.992.000,00 Euro,
für die Förderung der jüdischen Gemeinschaft, der
christlich-jüdischen Zusammenarbeit sowie des interreligiösen
und interkulturellen Dialogs.
In dem erwähnten
Staatsvertrag ist festgehalten:
Die Bundesregierung wird zur Erhaltung und Pflege des
deutsch-jüdischen Kulturerbes, zum Aufbau einer jüdischen
Gemeinschaft und den integrationspolitischen und sozialen
Aufgaben des Zentralrats in Deutschland beitragen. Dazu wird sie
den Zentralrat der Juden in Deutschland bei der Erfüllung seiner
überregionalen Aufgaben sowie den Kosten seiner Verwaltung
finanziell unterstützen.
Israel ist mit keinem Wort
erwähnt. Insbesondere ist nicht erwähnt, daß der Zentralrat den
Zuschuß verwenden darf, um sich für die Interessen Israels stark
zu machen. Nicht anders tut aber der Zentralrat, wenn er sich in
Zeitungsanzeigen für die Politik einsetzt, die von der
gegenwärtigen israelischen Regierung vertreten und betrieben
wird.
Die „Reklame“ für die
israelische Gewalt-Politik entspricht auch nicht den Aufgaben,
die sich der Zentralrat selbst gestellt hat.
Zu den Aufgaben des Zentralrats
zählen (nachzulesen auf den Web-Seiten des Zentralrats)
·
die Förderung und
Pflege religiöser, kultureller und sozialer Aufgaben der
jüdischen Gemeinschaft
·
die Vertretung der
gemeinsamen Interessen seiner Mitglieder
·
die Unterstützung
der Arbeit der Landesverbände, Gemeinden und der
Zentralwohlfahrtsstelle
Hervorgehoben ist:
Der Zentralrat verfolgt
ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke.
Die Zeitungsanzeigen kosten
Geld. Sie kosten eine Menge Geld. Mir ist nicht klar, woher
dieses Geld kommt. Sollte es – ganz oder teilweise – aus dem von
der BRD jährlich gezahlten Zuschuß stammen, würde die
Mittelverwendung nicht dem im Staatsvertrag festgehaltenen
Verwendungszweck entsprechen. Der Zuschuß wird aus Steuermitteln
aufgebracht. Als Steuerzahler müsste mich mit Nachdruck dagegen
verwahren, daß von den Steuermitteln in der geschilderten Weise
ein unrechter Gebrauch gemacht wird. Die moralische oder
solidarische Unterstützung eines Staates, der sich über das
Völkerrecht hinwegsetzt und Kriegsverbrechen begeht, liegt nicht
im wohlverstandenen Interesse der BRD, die durch ihre Verfassung
dem Frieden und der Wahrung der Menschenrechte verpflichtet ist.
Sollten die Kosten für die
Inserate aus den Beiträgen der einzelnen Mitglieder aufgebracht
worden sein, wäre die Verwendung der Mittel auch nicht korrekt,
weil sie nicht den Aufgaben entsprechen würde, die der
Zentralrat wahrzunehmen hat.
Vielleicht gibt zu allen
diesen Fragen der Haushaltsplan für 2009 Auskunft, den
ich jedoch im Internet nicht gefunden habe, wahrscheinlich
deshalb, weil er bisher nicht veröffentlicht worden ist.
Der Zentralrat sollte sich
darüber klar werden, was er eigentlich ist. Vertritt er die
Interessen der in Deutschland lebenden Juden? Oder versteht er
sich als Sprachrohr des kriegslüsternen militanten Flügels der
israelischen Regierung?
Wie auch immer: Solidarität
mit Israel in dem vom Zentralrat verstandenen Sinne? Nein!
Ein ganz entschiedenes Nein!
Es gibt keine Solidarität mit
Kriegsverbrechern.
Mit freundlichen Grüßen
( Fiand )
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