Wolfgang Gehrcke
Grußwort an den 8.
Europäischen Kongress der Palästinenser
8. Europäischer Palästinenserkongress in Berlin
Unsere
Heimkehr ist gewiss.
- Freiheit für
unsere Gefangenen
Tempodrom Berlin -
8.
Mai 2010
Liebe Freundinnen und Freunde,
gern
hätte ich an eurer Veranstaltung teilgenommen. Ich
bin jedoch als Sprecher bei Veranstaltungen zum 65.
Jahrestag der Befreiung Europas vom Faschismus
gebunden. Eine Pflicht, der ich mich nicht entziehen
kann und will. Für Deutschland, für Europa und für
die Welt war es von ausschlaggebender Bedeutung,
dass die Antihitlerkoalition den deutschen
Faschismus besiegt hat, dass das Morden in den vom
Faschismus besetzten Ländern, in den
Konzentrationslagern und Zuchthäusern, der Holocaust
ein Ende fanden. Daran immer wieder zu erinnern, ist
in unserem Land von außerordentlicher Wichtigkeit.
Der Kampf gegen Faschismus und Krieg, die deutsche
Verantwortung für die größte Menschheitskatastrophe
des vergangenen Jahrhunderts prägt tief die
Einstellungen der Mitglieder unserer Partei. DIE
LINKE ist eine konsequente Antikriegspartei und
lehnt Gewalt als Mittel der Politik ab. Endlich
Frieden und Schluss mit der Gewalt wünschen wir uns
auch für den Nahen Osten, wünsche ich euch und dafür
sollten wir gemeinsam eintreten. Die Sache der
Palästinenserinnen und Palästinenser liegt mir auch
aus diesen Gründen sehr am Herzen.
In
wenigen Tagen werden Minister der palästinensischen
Autonomiebehörde und der palästinensische
Premierminister Fayyad in Deutschland zu Gast sein
und mit der Bundesregierung zusammentreffen. Ich
vertrete eine Oppositionspartei im Deutschen
Bundestag, aber dieses Treffen begrüße ich
ausdrücklich. Ich bin mit der Nahostpolitik der
dieser Bundesregierung und ihrer Vorgänger nicht
einverstanden. Mir ist es wichtig, dass konsequent
die Forderungen nach einem eigenständigen,
lebensfähigen palästinensischen Staat mit der
Hauptstadt Ost-Jerusalem vertreten werden. Die
widerrechtlich von Israel auf palästinensischem
Territorium errichtete Mauer muss abgebaut werden.
Die
Nahostpolitik der LINKEN hat die Eckpfeiler Frieden
und Sicherheit für Israel – Frieden, Sicherheit und
Gerechtigkeit für Palästina. Die Siedlungspolitik
Israels muss sofort beendet werden.
Palästinenserinnen und Palästinenser müssen sich in
ihrem eigenen Staat frei bewegen können. Deutschland
darf nicht weiter Waffen nach Israel und in
arabische Länder liefern. Die Würde des Menschen ist
unantastbar, heißt es in unserer Verfassung, das
sollte gleichermaßen auch für Bürgerinnen und Bürger
Israels und für Palästinenserinnen und Palästinenser
gelten. Menschlichkeit und Würde sind nicht teilbar.
Menschlichkeit und Würde können sich dort entfalten,
wo Gewalt zurückgedrängt wird. Die Kriege im Nahen
Osten, wie der Krieg gegen den Libanon und der Krieg
in Gaza, haben vielen Menschen Gesundheit und Leben
geraubt, sie haben Israel nicht mehr, sondern
weniger Sicherheit gebracht. Die Raketenangriffe auf
israelische Städte haben den Kampf um einen eigenen
palästinensischen Staat nicht befördert, sondern den
Gegnern dieses Staates die Argumente für ihren Krieg
geliefert. Mit Gewalt, von welcher Seite sie auch
immer ausgeht, können die Probleme nicht gelöst
werden. Ich erwarte von der deutschen Regierung,
dass sie Israel eindeutig sagt, dass mit der
Besatzungspolitik Schluss gemacht werden und die
Abriegelung des Gazastreifens beendet werden muss.
Viele von euch haben in Europa Aufenthalt gefunden.
Oftmals vertrieben aus eurer Heimat und viele von
euch haben diese Heimat wahrscheinlich nicht als
Lebensort kennengelernt. Ich weiß auch, dass die
Länder Europas nicht immer freundlich zu euch waren
oder sind. Ich möchte, dass ihr, wie viele
Migrantinnen und Migranten volle Bürgerrechte
erhaltet, in Deutschland und in den anderen
europäischen Ländern. Volle Bürgerrechte, das heißt
Niederlassungsfreiheit, das Recht auf Arbeit, das
Recht, ein Gewerbe auszuüben, das Recht auf freie
politische Betätigung und freien Aufenthalt sowie
vollständige Wahlrechte. Zu den Bürgerrechten gehört
die Freiheit des Glaubens, der Religion oder auch
der Religionslosigkeit. Gleichzeitig hoffe ich, dass
ihr Bürger eines souveränen palästinensischen
Staates werden könnt, unabhängig davon, ob ihr euren
Lebensmittelpunkt in Europa oder in Palästina habt.
Liebe Freundinnen und Freunde,
es
ist unser gemeinsames Interesse, dass endlich die
Palästinenserinnen und Palästinenser über einen
eigenen Staat verfügen. Ich setze hinzu: einen
eigenen, lebensfähigen Staat Palästina mit der
Hauptstadt Ost-Jerusalem. Zwei Staaten im Nahen
Osten ist das Gebot der Zeit, um einen Weg zu
Frieden und Gerechtigkeit zu eröffnen. Europa muss
dazu beitragen, dass das geschieht, und eine aktive
Förderung für Bildung, Kultur und Wirtschaft eines
palästinensischen Staates leisten.
Vertrauensbildende Maßnahmen sollten sofort
ergriffen werden, zum Beispiel der Austausch von
Gefangenen, des israelischen Soldaten Shalit und der
Tausenden palästinensischen Gefangenen, darunter
viele Kolleginnen und Kollegen aus dem Parlament der
Palästinenser. Der Deutsche Bundestag hat eine
Aktion „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ ins
Leben gerufen. Als Teil dieser Aktion betreue ich
den Kollegen Marwan Barghouti, der in Israel, wie
ihr alle wisst, im Gefängnis sitzt. Ich fordere an
dieser stelle erneut von der israelischen Regierung,
Marwan Barghouti und die Kolleginnen und Kollegen
des palästinensischen Legislativrates frei zu geben.
Mein
Traum ist es, dass Israel und der Staat der
Palästinenserinnen und Palästinenser in guter
Nachbarschaft miteinander leben. In Europa ist sehr
lange behauptet worden, Franzosen und Deutsche
könnten nicht friedlich miteinander leben. Völliger
Unsinn, es gibt keine Erbfeinde. Menschen können in
Frieden miteinander leben, in Europa, im Nahen
Osten, überall auf der Welt.
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