Mit Islamhetze
auf Stimmenfang
Statements zum Anti-Islamisierungskongress in Köln
Von Dr. Mohammed Khallouk
Kölner
Moscheebau als Symbol der Integration der Muslime in der Stadt?
Bereits seit Ende der Fünfziger Jahre
erwies sich die Stadt Köln als Anziehungspunkt für Immigranten aus dem
islamischen Kulturkreis. Die Fordwerke boten Arbeit für zahlreiche ungelernte
Einwanderer, die vorwiegend aus Anatolien, aber auch in kleineren Teilen aus
Nordafrika in die Domstadt kamen, um sich besonders im industriell geprägten
Norden der Stadt aber ebenso in südlichen Stadteilen niederzulassen. Ihre
Religion, den Islam, behielten sie im Facettenreichtum ihrer Herkunftsländer
bei, so dass Köln sowohl als Zentrum deutschlandweit agierender
mitgliederstarker islamischer Vereine als auch als Ausgangspunkt für die
Verbreitung als „extremistisch“ angesehener islamischer Strömungen (Man denke an
den später in die Türkei abgeschobenen Imam Kaplan, der unter dem Namen „Kalif
von Köln“ einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden ist) desöfteren für
Aufsehen erregt hat. Der in der Folgezeit immer mehr zunehmende Anteil
muslimischer Einwohner und die Erkenntnis, das die Majorität von Ihnen nicht nur
zum Broterwerb in die Stadt gekommen ist, sondern auch im Rahmen ihrer eigenen
religiösen Vorstellungen an der städtischen Kultur teilzuhaben beansprucht,
veranlasste die Stadtverwaltung und den Oberbürgermeister Fritz Schramma, einem
Begehren eines islamischen Vereines auf die Errichtung einer Großmoschee als
eigenständigem Kultbau mit Minaretten ausgestattet entgegenzukommen. Die
Mehrheit der Abgeordneten im Stadtparlament erkannte in der öffentlichen
Genehmigung dieser Moschee auch einen Schritt zur Gleichberechtigung des Islam
gegenüber dem hier seit Jahrhunderten heimischen Christentum sowie zur
vollständigen Integration der muslimischen Immigranten in die deutsche
Gesellschaft. Die Attraktivität von sogenannten „Hinterhofmoscheen“, die
Parallelgesellschaften förderten, sollte zurückgedrängt werden.
Gegen den Bau dieser Moschee erregte
sich jedoch seit bekannt werden der Pläne Widerstand aus Teilen der Kölner
Gesellschaft. Angeführt wurde dieser von der als rechtspopulistisch eingestuften
Rathausfraktion Pro Köln. Diese rechtslastige Wählervereinigung, die im Rahmen
eines rechten Wahlbündnisses Pro NRW im kommenden Jahr bei den
nordrhein-westphälischen Kommunalwahlen antritt, sah die Erteilung einer
Baugenehmigung an den Dachverband Türkisch-Islamische Union der Anstalt für
Religion e.V. (dtib), einen Verein mit bundesweit 880 Ortsgemeinden, der neben
unmittelbar religiösen Veranstaltungen auch Integrationskurse und
interkulturelle Begegnungen organisiert, als Anlass, in der Zeit vom 19. bis zum
21. September 2008 einen sogenannten „Anti-Islamisierungskongress“ in Köln zu
veranstalten. Der Vorsitzende von Pro Köln Markus Beisicht sieht durch die
öffentliche Genehmigung der Großmoschee in Köln die Stadt „zu einem
symbolträchtigen Ort in der europaweiten Auseinandersetzung mit der
Islamisierung und Überfremdung des Abendlandes“ angewachsen und beansprucht für
seine Anhänger, den Widerstand gegen diese seiner Ansicht nach gefährliche, von
den staatstragenden Eliten geförderte Tendenz zu organisieren. Zur Aufwertung
der Veranstaltung über die lokale Bedeutung hinaus wurden Repräsentanten der
äußersten politischen Rechten aus ganz Europa eingeladen. Als Redner auf dem
Kongress waren u.a. der Vorsitzende des Front National (FN) und ehemalige
französische Präsidentschaftskandidat Jean Marie Le Pen, der
Fraktionsvorsitzende des rechtslastigen Vlaams-Belang im belgischen Parlament
Filip Dewinter, der Vorsitzende der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei
Österreichs (FPÖ) Heinz-Christian Strache und der aus den CDU ausgeschlossene
sächsische Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche eingeladen.
Streit
um Moscheebau als Vorwand für die Agitation gegen den Islam
Die Veranstalter fassen die
verbreiteten Ressentiments über den Islam und die Muslime in Teilen der
europäischen Bevölkerung als Gelegenheit auf, für ihre Bewegungen und Parteien
eine günstige Stimmung zu erzeugen. Hatten sie zu Beginn der Neunziger Jahre
noch pauschal gegen die Ausländer und die Zuwanderung von Fremden Propaganda
verbreitet, so betrachten sie nun spätestens seit den Anschlägen des 11.
September 2001 im Islam und den Muslimen das Objekt, gegen das es zu agitieren
gelte. Offenbar soll das kollektive Bewusstsein einer „Bedrohung“ der
europäischen Civil Society durch den Islam durch bewusste Provokationen wie
jenen Kongress erst hervorgerufen werden, die als Einladung für emotionale
Gegenaktionen der Muslime und ihrer Verteidiger gewertet werden können. Sollte
bei diesen Gegenaktionen von bekennenden Muslimen gegen Gesetze verstoßen oder
gar Gewalt angewandt werden, finden die Provokateure den gesuchten „Beleg“ für
ihre islamfeindliche Einstellung, den sie selbstverständlich erneut
propagandistisch einsetzen werden. Dabei basieren die Methoden, mit denen diese
ihre populistischen Forderungen wie den Stop des Moscheebaus zu begründen
versuchten, von Anfang an auf der bewussten Täuschung der Öffentlichkeit. So
wurden vor diesem Kongress Plakate in Köln verteilt, auf denen die geplante
Moschee in gleicher Größe neben dem Kölner Dom abgebildet war. Der Eindruck
sollte erweckt werden, als ob die Jahrhunderte alte Bistumsstadt nun nicht mehr
von Katholiken, sondern von Muslimen dominiert würde. Nicht nur geht diese
Darstellung auf die gesamte Stadt bezogen statistisch an der Realität vorbei,
denn nach wie vor stellen die Muslime eindeutig eine Minorität dar, die sich
ihre politischen wie religiösen Rechte großteils erst noch erkämpfen muss,
sondern auch das Gebäude selbst erreicht, obwohl es einen der größten bislang
auf deutschem Boden errichteten Moscheebauten darstellt, sowohl in Umfang als
auch in der Höhe des Minaretts bei weitem nicht die Ausmaße des Kölner Doms. Es
liegt zudem nicht in der Altstadt auf freiem Gelände, sondern von Wohnblocks
umgeben in einem von Touristen und Besuchern nur selten betretenen Stadtteil.
Bestehende Vorurteile über den Islam werden für Propaganda genutzt
Offenbar geht es nur vordergründig um
diese eine Moschee und den Verein, dem sie zugestanden wurde, über den in der
Vergangenheit in der Tat fragwürdige Positionen zur Debatte um sogenannte
Zwangsehen und Ehrenmorde bekannt geworden sind, sondern um die Erregung von
öffentlicher Aufmerksamkeit angesichts des bevorstehenden Wahlkampfs. Da man mit
offen zur Schau getragener Fremdenfeindlichkeit sich nicht mehr in der Lage
sieht, aus der Stigmatisierung als „rechtsextremistisch“ herauszutreten und die
breite Öffentlichkeit für sich zu gewinnen, nutzt man die Unkenntnis vieler
Europäer über eine fremde Kultur und Religion, um diese als neues Feindbild
heraufzubeschwören. Vor diesem Hintergrund müssen sich die Repräsentanten
bürgerlicher Medien und etablierter Parteien der politischen Mitte, die jetzt
mit dem moralischen Zeigefinger auf die „Rechtsradikalen“ deuten, fragen lassen,
ob sie nicht zu dieser beklagten Verunsicherung der Bürger beigetragen haben,
aus der die Kräfte vom rechten Rand nun Profit zu ziehen vermögen. Gemeint ist
hier nicht in erster Linie das Versäumnis des Verbots jener rechten Parteien und
Organisationen oder von Veranstaltungen wie jenem Kongress, was offensichtlich
in der Tat juristisch nur schwer durchzusetzen ist, sondern die Verweigerung
einer öffentlich geführten aufklärerischen Debatte, in der das Wesen und die
Kernaussagen des Islam der Bevölkerung vermittelt werden, während zugleich der
soziale und gesellschaftliche Kontext dargelegt wird, in dem berechtigterweise
anzuprangernde Phänomene wie Ehrenmorde in muslimischen Kreisen geschehen, die
jedoch in keiner Weise den Islam charakterisieren.
Wenn laut einer Allensbach-Umfrage
fast ein Drittel der deutschen Bevölkerung sich vom Islam bedroht fühlt, so
liegt dies nicht ausschließlich an jenen „rechten Brandstiftern“, die gewöhnlich
dorthin gehen, wo bereits kleine Feuer im Bewusstsein der Gesellschaft bestehen,
die sie aufgreifen und zu einer Stichflamme verstärken, sondern ebenso an den
staatstragenden Eliten, die dem Islam die rechtliche und ethisch moralische
Anerkennung als berechtigter Teil der deutschen und europäischen Civil Society
verweigern, sowie islamfeindlichen Veranstaltungen wie jenem Kölner Kongress mit
ihren Gegendemonstrationen und öffentlichen Statements die Aufmerksamkeit
zugestehen, welche von den Veranstaltern angestrebt wird, jedoch in keinem
Verhältnis zur dortigen aktiven Teilnehmerzahl steht. Die angemessene Reaktion
auf den Kongress hat daher wohl eher der Oberbürgermeister der Stadt vorgegeben,
der den Bürgern von groß angelegten öffentlichen Gegendemonstrationen abrät und
sie zur bewussten Nichtbeachtung der Veranstaltung auffordert: „Schließen Sie
die Fenster und Türen, lassen sie die Rollläden herunter, zeigen sie den
Rechtspopulisten die kalte Schulter.“ Schließlich haben die Kölner ebenso wie
die Bürger anderer deutscher Städte schon unzählige kleinere Moscheen ohne
öffentlichen Aufruhr akzeptiert und es bedurfte auch hier erst der Einladung
prominenter Rechtspopulisten aus dem In- und Ausland, um die Kongresssäle füllen
zu können. Die Mehrheit der Kölner wie der Deutschen insgesamt zeigt sich dem
Islam und ihren muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger gegenüber offenbar
erheblich aufgeschlossener als jene Propagandisten dies zur Kenntnis zu nehmen
bereit sind. Sobald der Islam in der europäischen Gesellschaft als
gleichberechtigt akzeptiert ist, die bestehenden Ressentiments durch Aufklärung
überwunden und das Medieninteresse für Veranstaltungen dieser Art zurückgeht,
wird den gegen eine pluralistische, multireligiöse Kultur eingestellten
Extremisten die von ihnen ersehnte Basis entzogen, mittels islamfeindlichen
Parolen politischen Erfolg zu erzielen.