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Vor
100 Jahren, 1907, wurde „Yair“Avraham Stern geboren, vor 65
Jahren, 1942, wurde er ermordet. Was tut die politische Klasse
in diesem Fall? Sie zieht eine historisch-kritische Bilanz.
Falsch. Sie veranstaltet eine nostalgische Feier. Falsch. Sie
bemüht sich mit der Weißwaschung der militanten Rechten und
nimmt sie auf in den Heldenhimmel der Nation. Richtig. Die
„Special Knesset session for Stern“, die Ehrung Sterns, wurde
genau einen Tag vor der Herausgabe des Winograd-Berichtes, am
29.01.2008, zelebriert.
„Yair“ Avraham Stern, Lehi und
der Terrorismus
Von Norbert Mattes - Quelle -
INAMO
Nr. 53, Frühjahr 2008.
Aryeh Eldad, Mitglied der Knesset
(MK), war mit dem Organisieren der „Ehrung“ des Gründers der
Lehi – die von den Briten auch Stern Gang genannt wurde –,
Avraham Stern, beauftragt. Eldad ist Brigadegeneral in Reserve,
sein Vater, Dr. Israel Eldad, war nach der Ermordung Sterns 1942
im Führungstriumvirat der Lehi. Unter den Teilnehmern der
Knessetfeier befanden sich Ehud Olmert (PM und Kadima-Mitglied),
Benjamin Netanyahu (Likud), MK Rabbi Avraham Ravitz (Vereinigtes
Thora Judentum, er selbst war noch Mitglied der Lehi, MK Limor
Livnat (Likud), sein Vater war Untergrundkämpfer, MK Yitzhak
Ben-Yisrael (Kadima), dessen beide Eltern bei der Lehi waren,
und weitere Mitglieder des Likud, Kadima und Vereinigtes Tora
Judentum (Koalition aus Agudat Yisrael und Degel haTora).
Der offizielle Labour-Zionismus und
die Revisionisten
Der Yishuv, die jüdische
Bevölkerung in Palästina vor der Staatsgründung, war gespalten.
Zum einen in den Labour-Zionismus mit der WZO, der World Zionist
Organization, die ihren bewaffneten Arm, Haganah, aufbauten und
zum anderen in die Revisionisten um Jabotinski in der New
Zionist Organization, mit der Irgun Zvai Leumi (NMO, National
Military Organization in Palestine).
Avraham Sterns politische
Organisation war die Lehi, Lohamei Herut Yisrael, (Kämpfer für
die Freiheit Israels), er nannte sie die „wirkliche Irgun“, denn
von der Irgun, hatte die Lehi sich 1940 abgespalten. Stern,
geboren 1907, wurde 1939 von den Briten verhaftet. 1940 kam er
frei und fand eine gespaltene Irgun vor: Jabotinsky plädierte
dafür, den Kampf gegen die Briten während des 2. Weltkrieges
einzustellen und war für die Aufstellung einer jüdischen Legion
innerhalb der britischen Armee. Stern jedoch wollte von den
Briten zuerst die Anerkennung eines jüdischen Staates
beiderseits des Jordan, was vollkommen illusionär war. Stern,
der sich nach dem Führer der Zeloten, Eleazar Ben Yair, der den
Masada-Aufstand gegen Rom führte, „Yair“ nannte, trat für einen
jüdischen Staat in den Grenzen vom „Strom Ägyptens bis an den
Euphrat“ ein, wie in der Genesis 15:18 beschrieben. Außerdem war
er dafür, den Kampf gegen Hitler einzustellen und entwarf ein
Schreiben, das „Ankara Dokument“ (vom 11.4.1941), in dem die
Neuordnung Europas entsprechend deutscher Konzeption geschehen
sollte sowie den nationalen Aspirationen des jüdischen Volkes.
Weiterhin wollte er die „Kooperation zwischen dem Neuen
Deutschland und einem erneuerten völkisch-nationalen Hebräertum…“[1]
Dazu nahm ein Vertreter von Lehi
mit Hartmut von Hentig, dem damaligen Leiter des Orient-Referats
des deutschen Außenministeriums in der Türkei, Kontakt auf. Doch
die Deutschen reagierten nicht auf diesen Vorstoß. Weitere
Versuche von Seiten der Lehi Kontakt mit den Deutschen
aufzunehmen, blieben aus. Über die fehlgeschlagene
Kontaktaufnahme mit den Nazis schrieb 1978 Nathan Yellin-Mor,
Führungsmitglied der Lehi. Er rechtfertigte das mit „die Feinde
unseres Feindes, sind die Briten.“[2]
Avraham Stern wurde 1942 von den
Briten „auf der Flucht“ erschossen. „Lehi war „vielleicht die
erste bewaffnete Organisation, die von der westlichen Presse und
von den (westlichen) Regierungen als Terroristen bezeichnet
wurde.“[3]
Nach dem Tod von Stern wurde Lehi von dem Triumvirat Israel
Eldad, Nathan Yellin-Mor und Yitzhak Shamir geführt.
Als Menachim Begin, ehemaliges
Mitglied der Irgun, Premierminister wurde, holte er Yitzhak
Shamir, ins Kabinett, ließ eine Briefmarke zum Gedenken an
Avraham Stern herausgeben und versuchte gegen den Widerstand der
Arbeitspartei die Irgun und Lehi zu rehabilitieren. In seiner
Funktion als Premierminister versuchte Yitzhak Shamir „Israels
Geschichte zu korrigieren und zollte den Helden des
vorstaatlichen Untergrunds und ihren bemerkenswerten Leistungen
den richtigen Respekt. Begin konnte die Irgun in die Herutpartei
transformieren und seine Bewegung intakt halten, Lehi konnte
keinen politischen Erfolg mehr erzielen.“[4]
Die „Taktiken des modernen
Terrorismus“
Die Irgun führte in Palästina die
„Taktiken des modernen Terrorismus“ ein, wie Walid Khalidi dies
beschreibt. In chronologischer Reihenfolge führt Khalidi zwölf
Methoden des Terrorismus des jüdischen Untergrundes innerhalb
und außerhalb Palästinas an, u.a. das Werfen von Granaten in
Cafés in Jerusalem (1937); das Legen von Minen mit Zeitzünder,
wie im Markt von Haifa (1938); Sprengung der MS Patria, die mit
jüdischen Flüchtlingen an Bord im Hafen von Haifa lag (1940;
siehe inamo Nr. 44, Winter 2005). Die Spaltung der
Irgun, hielt diese nicht davon ab, gemeinsame Sabotageakte mit
Lehi durchzuführen: Sprengung von Institutionen der britischen
Kolonialmacht (22. Juli 1946, das King David Hotel: 91 Tote,
Angestellte und Besucher), Ermordung von britischen Soldaten,
die als Geiseln benutzt wurden
(1947). In London wurden am 4. Juni
1947 acht Briefbomben vom Scotland Yard abgefangen.[5]
Eine Bombe war für den
Handelsminister Sir Stafford Cripps bestimmt. Die Times schrieb
am 5. Juni 1947, dass dies einer „weiterer
Einschüchterungsversuch jüdischer Terroristen gegen
Verantwortungsträger in diesem Land“ gewesen sei. Weitere
Briefbomben wurden am 5. Juni (u.a. bestimmt für Außenminister
Ernest Bevin und den ehemaligen Außenminister Anthony Eden)
abgefangen. Der Mann, der diese Bomben herstellte, so die Sunday
Times of London am 24. 9.1972, hieß Yaacov Eliav, der
Bombenexperte der Stern Gang, wie er selbst zugab.
[6]
Im November 1944 hatte ein
Lehi-Kommando den britischen Nahost-Minister und Winston
Churchill-Freund Lord Moyne in Kairo auf offener Straße
erschossen. Am 9/10. April 1948 folgte das Massaker im Dorf Deir
Yasin, am 17. September die Ermordung des UN-Unterhändlers Graf
Folke Bernadotte sowie des UN-Militärbeobachters André Serot in
Palästina. Ende Juni verbot Ben Gurion die Entladung der Waffen
(bestimmt für Irgun und Lehi) von der Altena im Hafen von Haifa.
Die Altena wurde von der Armee angegriffen. Zwei
Führungsmitglieder der Lehi erhielten 1948 Haftstrafen von 5 und
8 Jahren, wurden aber bereits kurze Zeit später amnestiert.
Nathan Yelin-Mor schaffte es bis zum Knessetabgeordneten.
Der 1914 geborene Jakob Moneta,
Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei (linke Abspaltung
der SPD), der 1933 nach Palästina emigrierte, lernte Avraham
Stern im britischen Gefängnis von Akko kennen. Moneta, der 1939
in einem Kibutz der linken Hashomer Hazair (Die jungen Wächter)
lebte, trat damals für die Aufnahme von Arabern in den Kibutz
ein – was zu heftigen Diskussionen führte – und musste den
Kibutz verlassen. Er wurde danach bei der Besatzungsmacht
angeschwärzt und kam nach Akko ins Gefängnis. Er meinte, Stern
sei in Italien bei den Mussolini-Faschisten ausgebildet worden
und hätte darauf gewartet, dass die Deutschen in Palästina
einmarschieren, um mit ihnen zusammen die Araber zu bekämpfen.[7]
Die Ehrung Sterns in der Knesset
Zitat aus Ehud Olmerts
Rede zu Ehren von Avraham Stern: “As
we mark 100 years since his birth, and 65 years since his
murder, ‘Yair’ deserves that the State of Israel should remember
and commemorate him as one of the designers of the spirit of
freedom and heroism, without which our nation would not have
been reborn. This does not mean that we must identify with all
his teachings, because ‘Yair’ paved a very independent path in
the Zionist struggle.” Und weiter:
“There is something that doesn't
leave me every time I think of this extraordinary man, and that
is the terrible loneliness. Alone and solitary in hiding....
What did he think about?
We will
never know.”
[8]Yediot
Aharonot kommentierte, dass sich in Olmerts Rede, einen Tag vor
Herausgabe des Winograd Reports, wohl seine eigene Einsamkeit
widerspiegelt hätte. Allerdings wissen seine Anhänger wohl
ziemlich genau, was Stern schrieb und woran er glaubte. Moshe
Philipps zitiert Yitzhak Shamir: Er war „der Poet, der zuerst
mit dem Stift schrieb und dann mit dem Schwert.“
[9]
Und weiter: „Stern hätte den Krieg im Libanon 2006 nicht so
geführt wie Olmert. Stern hätte den Rückzug Ariel Sharons aus
dem Gazastreifen und die damit einhergehende Zerstörung der
jüdischen Siedlungen dort nicht unterstützt... Er hätte
ebensowenig die palästinensische Polizei bewaffnet. Außerdem
hätte Stern nicht erlaubt, dass Judenhass von den Moscheen des
„jüdischen Tempelbergs“ gepredigt wird. Man kann sich auch kaum
vorstellen, dass Stern es geduldet hätte, dass nach 1967 immer
noch die Moscheen stehen. Und Stern hätte sich trotz
ausländischem Druck oder der öffentlichen Meinung nicht davon
abhalten lassen, die Entwicklung der Atomwaffen im Iran zu
stoppen.“[10]
In der anschließenden Rede von
Benjamin Netanyahu heißt es: "The United Nations resolution was
not what founded the State of Israel.
Israel was founded
thanks to the aliyah (Einwanderung) and the settlement, and
thanks to the battle of the Etzel, the Lehi, the Hagana, and
even Hashomer and Nili…”
KASTEN
Albert Einsteins
Ablehnung
1948 wurde Albert Einstein von Mitgliedern der Stern Gang, die
in den USA unter dem Namen „American Friends of the Fighters for
the Freedom of Israel” operierten, angesprochen, sie finanziell
zu unterstützten. Hier seine Ablehnung, geschrieben einen Tag
nach dem Massaker im Dorf Deir Yasin, an dem die Lehi beteiligt
war. Über das Massaker wurde am gleichen Tag zum ersten Mal in
der New York Times berichtet.
Mr. Shepard Rifkin
Exec. Director
American Friends of the Fighters for the Freedom of Israel
149 Second Avenue
New York 3 N.Y.
Dear Sir:
When a real and final catastrophe should befall us in Palestine
the first responsible for it would be the British and the second
responsible for it the Terrorist organizations build up from our
own ranks.
I´m not willing to see anybody associated with those misled and
criminal people.
Sincerely yours
Albert Einstein.
Quelle: http://www.palestineremembered.com/Jerusalem/Dayr-Yasin/Story8497.html
[1]
Deutsch in: David Yisraeli, The Palestine Problem in
German Politics 1889-1945, Bar Ilan Universität, Israel,
1974, S. 315-317.
[2]
Natan Yellin-Mor, Freedom Figthers of Israel: People,
Ideas, Adventures, Haifa: Shikmona, 1975, S. 7
3. Tom Segev,
The Seventh Million, New York 1993, S. 33.
[3]
Moshe Philipps: Olmert and Fighters for the Freedom of
Israel. "Yair," his life and ultimate sacrifice.
14.02.2008. http://www.israelnationalnews.com/Articles/Article.aspx/7768
[5]
Sie
bestanden aus “powdered gelignite placed between two
pieces of cardboard with a pencil battery to fire a
detonator”. Siehe Walid Khalidi, Palestine Reborn, IB
Tauris London, 1992, S. 169 FN 13.
[7]
Telefongespräch mit Jakob Moneta am 5.2.2008.
[8]
http://www.pmo.gov.il/PMOEng/Communication/PMSpeaks/speechstern290108.htm
[9]
Moshe Phillips: Olmert and Fighters…