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INTERNATIONAL SOLIDARITY MOVEMENT

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Was ich in Jericho sah - - oder Olmerts Wahlkampagne
Neta Golan, ISM, 15.3.
06

 

Nach einem Vier-Stunden Marsch rund um die israelischen Kontrollpunkte und eine illegale israelische Siedlung herum, kamen wir in Jericho an und fanden den Stadtteil rund um das Gefängnis voll israelischer Jeeps und Steine werfender Kinder. Wir fragten die Kinder  aus. Nachdem uns ein palästinensischer Jugendlicher eine Weile gemustert hatte, führte er uns durch Seitenstraßen so nah wie möglich zum Gefängnis, wo Journalisten den Angriff filmten.

 

Als Chris aus England, C. von IWPS und ich uns der Stadt näherten, hörten wir Granatfeuer und einen Helikopter von weit weg. Als wir in den Bereich des Gefängnisses und des Regierungsgebäudes kamen, sahen wir , dass es U-förmig war. Das äußere Gebäude, das wir sehen konnten, brannte und war völlig zerstört. Man sagte uns, es sei von einem Helikopter bombardiert worden, bevor wir kamen.

 

Die Gefangenen  und palästinensischen Gefängnisangestellten waren in einem Raum in der Mitte des Komplexes vom israelischen Militär getrieben worden, die das übrige Gebäude zerstört hatten, nachdem die britischen und amerikanischen Gefängniswärter das Gefängnis verlassen hatten.

Während wir versuchten, zu den Gefangenen zu gelangen,  wurde ein äußeres Gebäude von einem Panzer mindestens vier mal mit Granatfeuer angegriffen. Das Militär forderte die Gefangenen über ein Verstärkersystem auf, sich zu ergeben.

Das Geräusch, das uns am meisten beunruhigte, war ein sehr lautes und niedriges rat-tat-tat-tat. Wir dachten, es sei eine Art schweres Maschinengewehrfeuer. Später entdeckten wir, dass es ein Felsenkompressor war oder eine Congo-Maschine, die Felsen sprengt. Hinter dem zerstörten äußeren Gebäude arbeitete ein Kompressor und eine ähnliche Maschine mit einer Schaufel an einem langen Arm an der Mauer des Raumes, in dem sich die Gefangenen befanden.

 

Wir versuchten umsonst, per Handy Kontakt mit den Leuten  innerhalb des Gebäudes zu bekommen, um ihnen zu sagen, dass wir kommen. Wir wussten, dass es ein Wettlauf mit der Zeit war.  Und obwohl wir nur so wenige waren, hatten wir uns mit Erste-Hilfe-Ausrüstung, und einigen Lebensmitteln eingedeckt. Wir hoben unsere Hände, um zu zeigen, dass wir unbewaffnet waren, und liefen, so schnell wir konnten, in die Richtung, in der die Gefangenen waren. Soldaten schrieen uns an, anzuhalten, aber wir liefen weiter . Wir waren nur  noch Hunderte Meter  von dort entfernt, wo die Gefangenen waren, als Soldaten ihre Jeeps verließen und uns einfingen.

 

Nachdem ich gefangen worden war, legte ich mich auf den Boden, um sie daran zu hindern, mich so leicht wegzubringen. Dank der Techniken der Gewaltlosigkeit, die wir trainiert hatten, brauchten die Soldaten  etwa zehn Minuten, mich mit Plastik-Handschellen zu fesseln. Es gelang ihnen schließlich, indem einer mit seinem Knie hart gegen meinen Hals drückte und zwei andere Soldaten meine Arme ergriffen. Ich konnte Chris sehen, wie er hinter mir an einem Jeep lehnte.

Als ich mich weigerte, mich zu bewegen, ließ der Kommandeur zwei Soldaten mich an Ort und Stelle bewachen. Er sagte ihnen auf hebräisch: „Wenn einer aus dem Gebäude kommt, schießt auf ihn. Schießt ihn tot. Wir spielen nicht, die Spiele sind vorbei!“ Und er sagte dies noch einmal. Dass die Soldaten aus ihren Jeeps gekommen waren und genau dort lange standen, wo die Gefangenen herauskommen sollten, deutete daraufhin, dass sie wussten, dass es für sie keine Gefahr mehr gab, beschossen zu werden.

Der  mich bewachende Soldat und ich warteten etwa zehn Minuten, bis Grenzpolizei kam und mich wegtrug. Als diese kam, fragte er sie auf Hebräisch, ob der „Dicke“ noch im Gebäude sei. Man sagte ihm, er solle nicht in meiner Nähe reden. Also wechselte er ins Arabische und stellte dieselbe Frage.

Vier Grenzpolizisten trugen mich in ein Jeep und brachten auch Chris mit auf dem Rücken gefesselten Händen. Wir waren uns sicher, sie würden uns zur nächsten Polizeistation bringen. Doch hielten sie am nächsten Checkpoint außerhalb von Jericho an und ließen uns dann laufen.

Auf dem Weg  nach Jerusalem hörten wir, dass die Gefangenen und der Rest der Belagerten alle verhaftet worden seien. Sie erzählten,  das Gebäude und die Mauer rund um die Gefangenen sei zerstört worden – sie hätten sich nicht ergeben. Sie standen auf einmal ohne Waffen  vor den Soldaten, die ihnen befahlen, einer nach dem andern über die zerstörte Mauer herauszuklettern.

Nach Al-Jazeera waren bei dem Überfall zwei palästinensische Sicherheitsoffiziere, unter ihnen Ibrahim Abu Al-Amin, getötet worden und 23 andere verletzt. Das palästinensische Volk und die arabische Welt waren gedemütigt und betrogen worden. Die Chancen für eine lebensfähige palästinensische Behörde – geschweige denn einen Staat -  und das Vertrauen in internationale Vermittler wurde zerstört - während die Chancen für Rache-Angriffe nun wahrscheinlich zunehmen werden. Der Graben zwischen dem Westen und der arabischen Welt ist noch tiefer geworden.

Und all dies für einen einzigen Zweck,  für Olmerts Wahl-Kampagne.

 

(dt. Ellen Rohlfs)

 

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