Israel bombardiert Gazas landwirtschaftlichen
Sektor
Eva
Bartlett, 16.2.10, ingaza Blog
“Wenn
wir den Weizen heute nicht säen können, dann haben wir in diesem Jahr
keine Ernte,“ sagt Abu Saleh Abu Taima, während sie die beiden
israelischen Militärjeeps am Grenzzaun östlich von Khan Yunis sehen.
Obwohl sein Land mehr als 300 m entfernt ist, also außerhalb der von
Israel bestimmten ‚Pufferzone’ hat Abu Taima Grund, misstrauisch zu
sein. „Gestern schossen sie auf uns, als ich mit meiner Frau und meinen
Neffen hier war.
Wie
viele Bauern an Gazas Ost- und Nordgrenze hatte Abu Taina das Pflanzen
und Säen wegen Wassermangels und wegen der Bedrohung durch isr.
Soldaten entlang der Grenze verzögert. Nachdem die meisten
Brunnen/Quellen und Zisternen im Grenzgebiet des Gazastreifens durch das
israelische Militär bei den Angriffen im letzten Winter zerstört worden
waren, blieb den Bauern keine andere Möglichkeit, als auf größeren Regen
zu warten.
Die
israelischen Soldaten begannen 2003 das Land intensiv mit Bulldozern zu
bearbeiten und beendeten diesen Job im letzten Krieg, sagt Hamdan Abu
Taina, Besitzer von 30 Dunum, die gefährlich nahe an der Pufferzone
liegen. Nasser Abu Taina hat 15 Dunum nahebei. Weitere 15 Dunum liegen
direkt an der Grenze und dürfen lt Militär nicht betreten werden. Mein
Brunnen wurde im letzten isr. Krieg zerstört. Vor fünf Jahren hatte ich
hier Gewächshäuser für Tomaten, ein Haus und viele Bäume. Alles ist
weg. Jetzt säe ich Weizen, wenn ich kann. Es ist das einfachste.
Nasser zeigt auf die Trümmer seines Hauses, erntet ein paar Kaktusfeigen
und schüttelt seinen Kopf. Solch eine Schande. Solche Verschwendung. Ich
kenne hier jeden Quadratmeter. Jetzt fühle ich mich die meiste Zeit
krank, weil ich mein Land nicht erreichen kann. Und ich muss mich um 23
Familienmitglieder kümmern und sie ernähren.
Vor
etwa 10 Jahren richtete Israel die Pufferzone entlang der international
anerkannten grünen Linie ein. Israelische Bulldozer entfernten alte
Oliven- und Fruchtbäume und zerstörten landwirtschaftlich genütztes Land
mit Bewässerungsschläuchen, zerstörten Häuser und Gewächshäuser, Brunnen
und Zisternen, Maschinen und Tierställe.
Die
Pufferzone von Gazas äußerstem Nordwesten bis zum südöstlichsten Punkt,
undeutlich markiert, annektiert mehr als die 300 m an der Grenze
entlang. Die israelischen Behörden sagen, dass jeder sein Leben riskiert
und von isr. Soldaten erschossen wird, der sich innerhalb dieser 300m
aufhält. Mindestens 13 pal. Zivilisten sind so seit dem 18. Januar 2009
schon getötet und 39 verletzt worden – unter ihnen Kinder und Frauen.
Ein ganzer Sektor
zerstört
Die
UN-Agentur OCHA berichtet, dass grob ein Drittel von Gazas
landwirtschaftlich genütztem Land innerhalb der Pufferzone liegt, deren
Breite zwischen einem halben bis 2 km breit ist.
Ahmed
Sourani vom Palästinensisch-landwirtschaftlichen Hilfskomitee (PARC)
sagte zur Guardian-Zeitung: „Es ist indirekte Konfiszierung aus Angst.
Meine Befürchtung ist, dass wenn dies so bleibt, es eine vollendete
Tatsache bleibt. Nach PARC ist das fruchtbare Farmland in und in der
Nähe der Pufferzone bis vor kurzem Gazas Futterkorb und die Hälfte von
Gazas Lebensmittel wurden in diesem Gebiet produziert.
2008
beschäftigte der landwirtschaftliche Sektor nahezu 70 000 Bauern, sagt
PARC, einschließlich 30 000 landwirtschaftliche Arbeiter, die hier etwa
5 $ pro Tag verdienten.
Bis
vor ein paar Jahren war die Landwirtschaft eine der produktivsten
Arbeitszweige und ist nun einer von denen, die am wenigsten
hervorbringen und am gefährlichsten ist – auf Grund des israelischen
Schießens und der Aggressionen gegen die Menschen in der Grenzregion.
Von den 175 000 Dunum kultivierbaren Landes – so berichtet PARC - sind
75 000 Dunum während der israelischen Invasion und Operation zerstört
worden … 35-60% der landwirtschaftlichen Industrie wurden nach der UN
und dem World Health Organisation zerstört. Gazas einzige
Landwirtschaftsschule in Beit Hanoun war auch zerstört worden. Oxfam
stellt fest, dass der israelische Krieg gegen den Gazastreifen und die
Pufferzone etwa 46 % des landwirtschaftlichen Landes nutzlos und
unerreichbar liegen lässt.
Meer
als 35 000 Rinder, Schafe und Ziegen wurden während des israelischen
Angriffes getötet, außerdem eine Million an Hühnern und Kücken – nach
dem UN-Umwelt-Programm (UNEP)-September 2009-Bericht.
Sogar
vor dem letzten Angriff hätte es wegen der Blockade schon ernsthaften
Mangel an landwirtschaftlich benötigten Dingen gegeben: Baumsetzlinge,
Pestizide, Dünger, Plastikplanen für Gewächshäuser und Schläuche für die
Bewässerung hat es schon länger nicht mehr gegeben, heißt es in dem
Bericht von 2008.
Im
März 2009 listet der OCHA-Bericht auf: Nylonplanen, Samen, Oliven und
andere Fruchtbaumsetzlinge, Plastikschläuche, Dünger, Tierfutter,
Kleinvieh und vieles andere sind kaum vorhanden, und vieles davon ist
dringend nötig.
Der
Mangel an landwirtschaftlichen Waren, verbunden mit Israels Politik der
Zerstörung und Aggression in der Pufferzone bedeutet ,dass die Bauern
ihren Anbau völlig verändert haben: sie säen niedrigen Weizen und
Roggen, wo vorher Gemüse und Obstgärten wuchsen und blühten oder
pflanzen gar nichts mehr. Die Wasserquellen sind besonders hart während
Israels Angriffen im letzten Winter 08/09 getroffen worden.
Eine
UNDP- Untersuchung nach den Angriffen fand heraus, dass fast 14 000
Dunum des Bewässerungsnetzwerks und Röhren zerstört worden sind,
zusammen mit 250 Brunnen und 327 Wasserpumpen, die völlig beschädigt
wurden. Weitere 53 Brunnen wurden teilweise durch Bombardements und
durch Bulldozer beschädigt worden. Dies schließt die vielen zerstörten
Zisternen und Bewässerungsteiche aus.
Die
Bauern bringen jetzt das Wasser in Plastikgefäßen oder warten auf den
nächsten tüchtigen Regen, um etwas von ihrer Ernte zu retten. Viele
andere haben aufgegeben, ihr Land zu bearbeiten,
Landwirtschaftliche
Arbeit unter Beschuss
Mohamed Al-Ibrim, 20, von Benesuhela, einem Dorf bei Khan Yunis wurde in
der Grenzregion durch israelischen Beschuss verletzt. Am 18.Februar
arbeitete ich mit anderen Landarbeitern 500 m von der Grenze entfernt.
Wir arbeiteten ein paar Stunden ohne Probleme und die Israelis
beobachteten uns. Die israelischen Soldaten begannen mit dem Schießen,
als wir unsern kleinen Transportkarren schoben, weil etwas an ihm
gebrochen war. Ich wurde in den Knöchel geschossen. Seine Verletzung kam
gerade ein paar Wochen, nachdem sein Cousin Anwr Al-Ibrim von der Kugel
eines israelischen Soldaten Kugel tödlich ins Genick getroffen wurde.
Er hinterlässt eine Frau und zwei Kinder.
Im
Norden des Gazastreifens hat Ali Hamad, 52, ein 18 Dunum großes Stück
Land, grob 500 m von der Grenze bei Beit Hanoun entfernt. „Die Israelis
zerstörten im letzten Krieg mit Bulldozern meine Zitronenbäume,
Wasserpumpen, Brunnen und Bewässerungsschläuche. Keiner kann hierher
kommen, um den Schutt von meinem Brunnen zu entfernen – jeder hat Angst
vor den israelischen Soldaten an der Grenze. Jetzt warten wir auf den
Winterregen. Alle bis auf einen Brunnen und eine Pumpe sind in dieser
Region zerstört worden. Ich habe meine restlichen paar Bäume seit dem
Krieg nicht mehr gewässert. Ich pflegte sie sonst einmal in der Woche
zu wässern, drei bis vier Stunden lang. Jetzt sind sie vertrocknet und
die Früchte, Zitronen und Orangen sind winzig.
Mohamed Musleh,70, lebt östlich von Beit Hanoun, etwas 1,5 km von der
Grenze entfernt und besitzt die einzige noch funktionierende Pumpe in
seiner Region.
In
diesem Gebiet gab es sonst viele Vögel, weil es hier fruchtbar war, bis
die Israelis anfingen, alle Bäume - auch die meinigen - mit Bulldozern
zu zerstören. Als die Leute wieder Bäume anpflanzten, begannen die
Israels, die Wasserquellen zu zerstören.
Ahmed
Al-Basiouni, 53, besaß den ersten Brunnen, der 1961 östlich von Beit
Hanoun gebaut worden war. Meine Brüder und ich haben 60 Dunum Land.
Viele Leute holten Wasser aus unserem Brunnen. Er wurde 2003 zerstört
und noch einmal im letzten israelischen Krieg. Wenn ich jetzt meine
restlichen Bäume wässere, mach ich es mit der Hand – einen Baum nach dem
anderen.
UNEO
warnte in seinem Septemberbericht, dass das Aquifer des Gazastreifens in
Gefahr sei, zu kippen. Die Ursache des Problems liegt darin, dass immer
mehr Salzwasser vom Meer her einsickert, weil zu viel Grundwasser
entzogen wird. Nach dem Bericht ist der Salz- und Nitratgehalt des
Wassers weit über dem vom WHO erlaubten Standard. Etwa 90 und 95% des
für die Palästinenser erreichbaren Wassers im Gazastreifen ist
kontaminiert und für menschlichen Gebrauch ungeeignet – nach
WHO-Standard.
Das
Wasser ist weiter von anderen chemischen Bestandteilen kontaminiert, die
die israelische Armee während des Krieges im Gazastreifen zurückließ.
Dazu weitere Kontaminationen von den zerstörten Asbestdächern und dem
Gift, das von den Tausenden von Tierleichen ausgeht und von den
Müllplätzen, die unzugänglich und während des Krieges beschädigt wurden.
All dies verschlimmert und verschärft die Situation.
((
weitere Beispiele, wie Israel die Landwirtschaft des Gazastreifens
zerstört, das Land, die Brunnen, die Bäume; es gibt kein Material, um
die Brunnen wieder herzustellen. Ein Landbesitzer verliert 0,25 Mill.
Dollar auf Grund der Zerstörung ER…))
Trotzdem versuchen einige durchzuhalten.
„Nun
bauen wir Okra an und haben 40 Olivenbäume neu angepflanzt. Aber es
wird Jahre dauern, bevor wir Oliven ernten können. Wir müssten die Bäume
alle drei Tage gießen, aber unser Brunnen war zerstört worden. Also
müssen wir das Wasser mit Containern bringen. Wir sind 13 in unserer
Familie, vier davon an der Universität. Außer der Landwirtschaft haben
wir keine Arbeit. …“
‚Meine
Hühnerfarm - etwa 500m von der Grenze entfernt – als auch 500 Frucht-
und Olivenbäume und 100 Dunum Land mit Weizen und Erbsen auf meinem und
meines Nachbarn Land wurden im Mai 2008 von israelischen Bulldozern
zerstört, auch meine Zisterne, die Pumpe und der Motor und einer meiner
Traktoren wurden zerstört ….Die Seite unseres Hauses, die auf der
Grenzseite lag, ist von Kugeln israelischer Waffen durchlöchert ..
Wir
haben ein anderes Haus mieten müssen; aber wie sollen wir die Miete
zahlen? …’
Seit
den ersten Beschränkungen durch die Belagerung des Gazastreifens vor
fast vier Jahren hat sich die Situation der Landwirtschaft des
Gazastreifens und die Möglichkeit, etwas zu produzieren …durch
Zerstörung … sich dramatisch verschlechtert, die Menschen sind
inzwischen stark unterernährt.
Der
traurige Zustand der Landwirte macht sich in der ganzen Bevölkerung
bemerkbar, und die Palästinenser sind nun weitgehend von den teuren
israelischen Waren abhängig, die in geringen Mengen ab und zu nach Gaza
hineingelassen werden.
Eva
Bartlett ist kanadische Menschenrechtlerin und freie Journalistin. Sie
kam im November 2008 mit dem 3.
„Free Gaza Movement“-Boot an.
Sie arbeitet mit ISM zusammen und
dokumentiert Israels andauernde Angriffe auf Palästinenser in Gaza.
Während der Angriffe begleitete sie und andere ISM-Freiwillige die
Sanitätswagen
(dt,
und gekürzt: Ellen Rohlfs)
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