YouTube wird das neue Schlachtfeld Israels
gegen die Palästinenser
Jonathan Cook - 07.12.2015

Früher war es Sache von Politikern und
Diplomaten internationale Konflikte zu lösen. Jetzt liegt es laut
Israels Premierminister Benjamin Netanyahu bei den Sozialen Medien.
Tzipi Hotovely, die israelische Vize-Außenministerin, reiste letzten
Monat nach Silicon Valley, um Vorstandschefs von Google und dessen
Tochter YouTube zu treffen. Ihre Aufgabe war es, sie zu überreden, um
des Friedens willen die wachsende Zahl palästinensischer Videos, die auf
YouTube gepostet werden, zu zensurieren.
Netanyahu behauptet, diese Videos würden
andere Palästinenser zur Durchführung von Anschlägen anspornen, was
durch die Wochen von Messerattentaten und herbeigeführten Autounfällen
auf israelische Soldaten und Zivilisten belegt sei.
Nach dem Treffen gab die Außenministerin
eine Presseerklärung, in der sie behauptete Google hätte sich Israels
"Kampf gegen Hetze" angeschlossen und würde einen "gemeinsamen
Mechanismus" einrichten, um das Posting "aufrührerischer" Videos zu
verhindern. Google dementierte letzte Woche, dass irgendeine
Vereinbarung getroffen worden sei.
An anderen Fronten dieses sogenannten
Krieges hat die israelische Armee drei Rundfunkstationen in der Westbank
beschuldigt Unruhen zu schüren und sie geschlossen. Und innerhalb von
Israel haben Behörden eine Zeitung und eine eigene Webseite für die
große palästinensische Minderheit Israels geschlossen.
Inzwischen wurden Palästinenser,
einschließlich Kinder, wegen ihrer Einträge auf Facebook festgenommen.
Netanyahu beschuldigte auch andere, Terror ähnliche Hetze zu verbreiten
wie Hamas, den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, das
palästinensische Unterrichtssystem, die palästinensischen Parteien im
israelischen Parlament und Menschenrechtsorganisationen.
Hier ist ein tiefer Zynismus am Werk.
Es stimmt, Palästinenser werden wütend, wenn
sie Aufnahmen sehen, die zeigen, wie ihre Mitbürger von israelischen
Soldaten angeschossen oder exekutiert werden, oft nachdem sie entwaffnet
oder in die Enge getrieben waren, - oder – wie im Fall zweier Mädchen im
Teenageralter – böse verletzt worden sind.
Aber in vielen Fällen werden solche Videos
nicht von Palästinensern, sondern von gewöhnlichen Israelis oder deren
Regierung als Beweis für angebliche palästinensische "Barbarei" gepostet.
Die meisten palästinensischen Videos sind
einfach Aufzeichnungen ihrer bitteren Erfahrungen mit der Besatzung
durch Soldaten und Siedler. Es sind diese Erfahrungen, nicht die Videos,
die für die Palästinenser nicht mehr zu ertragen sind.
Der "Krieg gegen Hetze" durch YouTube und
Facebook wird das Leiden der Palästinenser nicht ändern. Aber es kann,
wie Netanyahu vermutlich hofft, die israelischen Brutalitäten vor den
Augen der Welt verbergen.
Die Unruhen sind nicht wegen der Sozialen
Medien eskaliert, sondern weil sie (die Palästinenser) mit einer
unerbittlichen israelischen Regierung konfrontiert sind, die sich gegen
eine Beendigung der Besatzung stellt, und sie ihre Hoffnung verlieren.
Israelische Generäle haben Netanyahu
gewarnt, dass die Anschläge ohne einen diplomatischen Prozess nicht
enden werden. Die israelische Rechte versucht verzweifelt die
offensichtliche Wahrheit zu verschleiern und muss allesm außerhalb ihrer
eigenen kompromisslosen Ideologie die Schuld geben.
Der Kampf Israels gegen "Hetze" will nicht
nur die Aufmerksamkeit von der verfehlten Politik ablenken, es ist auch
selbst eine Form der Hetze, und es überrascht nicht, dass die Kampagne
von zwei Meistern der Provokation geführt wird: Netanyahu und Hotovely.
Israel beschuldigte die Palästinenser der
Hetze, weil sie der Meinung waren, die Al Aqsa, die viel verehrte
Moschee in Jerusalem, sei bedroht; aber sogar Hotovely sagte kürzlich,
es wäre ihr "Traum" die israelische Fahne auf der Al Aqsa wehen zu
sehen.
Es erinnert auch an einen düsteren Bericht
von Netanyahu. Eine Untersuchung gegen Netanyahu wegen seiner - in der
Sprache des Militär im Ernstfall gehaltenen - Warnungen,
palästinensische Bürger kämen "in Scharen" zu den allgemeinen Wahlen im
März heraus, wurde letzten Monaten fallen gelassen.
Eine Folge der von der Regierung
inspirierten Hetze ist das immer häßlicher werdende Klima. In vielen
Städten hebt sich kaum noch eine Augenbraue, wenn die Menge "Tod den
Arabern" ruft..
Justizministerin Ayelet Shaked stand hinter
einer Gesetzesvorlage, um israelische Menschenrechtsgruppen zu
stigmatisieren, die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland, zumeist
aus Europa, erhalten. Und Kulturministerin Miri Regev verlangte, dass
Filme über die Nakba, die auf einem israelischen Festival die
Massenenteignung der Palästinenser 1948 zeigen, gründlich auf "Hetze"
geprüft werden, und drohte den Kinos, die sie vorführen, mit dem Entzug
finanzieller Unterstützung.
Öffentliche Meetings mit Breaking the
Silence, israelische nArmeeveteranen, die Licht auf die Besatzung werfen
möchten, werden auf Druck der Polizei abgesagt.
Dagegen gibt Netanyahu weit rechts stehenden
Nachrichtenseiten, die falsche und gefähliche Behauptungen aufstellen,
freie Hand.
Eine von ihnen, Newsdesk Israel, nahm ein
vier Jahre altes Video von Palästinensern, die ihre Aufnahme bei den
Vereinten Nationen feiern, und packte sie als Aufnahme von
Palästinensern um, die das Massaker von IS in Paris feiern. Ein anderer
fabrizierter Bericht legt nahe, dass palästinensische Bürger für IS
werben, indem sie deren Songs laut auf den Stereoanlagen ihrer Autos
spielen.
Keine Zielscheibe scheint der israelischen
Rechten für ihre Verleumdungen zu groß zu sein, nicht einmal Europa,
Israels größter Handelspartner.
Israels Poltiker haben die kürzliche laue
Maßnahme zur Kennzeichnung von Produkten aus den illegalen Siedlungen in
der Westbank, und damit die Verweigerun der speziellen
Zollvegünstigungen für israelische Produkte, falsch als kompletten
Boykott dargestellt. Die Rechte behauptet, Israel werde von der EU auf
einzigartige Weise bestraft, während in Wahrheit die EU gegen 36 Staaten
wirtschaftliche Sanktionen und nicht nur die Kennzeichnung (von
Produkten) durchsetzt.
Hetze stellt tatsächlich eine Gefahr für
Israelis und Palästinenser dar. Aber man findet sie in den von Netanyahu
und seinen Ministern erhobenen Unwahrheiten, nicht in den bitteren
Wahrheiten, die auf YouTube gepostet werden.
Quelle:
www.mondoweiss.net/2015/12/battleground-against-palestinians
Übersetzung: K. Nebauer
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