Jerusalems Bürgermeister : 200 palästinensische Häuser müssen weg.
Jonathan
Cook
http://www.counterpunch.org/cook02092010.html
Jerusalems Bürgermeister drohte letzte Woche damit, im palästinensischen
Stadtteil 200 Häuser in einem Akt zu zerstören, bei dem er selbst sogar
zugibt, dass es daraufhin wahrscheinlich zu langen schweren Spannungen
in Ost-Jerusalem kommen wird.
Seine
Einstellung ist das letzte Stadium einer langwierigen juristischen
Schlacht wegen eines einzigen Gebäudes, das über dem Durcheinander
bescheidener Häuser von Silwan herausragt, über einer benachteiligten
und überbevölkerten palästinensischen Gemeinde, die direkt außerhalb der
Altstadtmauern im Schatten der silbernen Kuppel der Al-Aqsa-Moschee
liegt.
Beit
Yehonatan oder Jonathans Haus ist unverwechselbar nicht nur wegen seiner
Höhe – sieben Stockwerke hoch, also drei Stockwerke höher als seine
Nachbarn – sondern auch wegen der Israelflagge, die vom Dach bis zur
Straße an der Fassade hängt.
Der
„Siedlungsaußenposten“, der nach Jonathan Pollard heißt, (der eine
lebenslange Gefängnisstrafe in den USA absitzt, weil er in den 80er
Jahren für Israel spioniert hat,) ist seit 2004 das Heim für acht
extremistische jüdische Familien. Es wurde ohne Genehmigung von der
extremistischen Siedlerorganisation Ateret Cohanin gebaut.
Beit
Yohanatan ist eines von Dutzenden von Siedlern besetzen Häusern im
palästinensischen Areal Ost-Jerusalems – die meisten von ihnen sind den
Palästinensern weggenommene Häuser. Kritiker sagen, die Absicht, die
hinter diesen „Außenposten“ und den großen vom Staat gebauten
Siedlungen in Ost-Jerusalem stecke, in denen beinahe 200 000 Juden
leben, sei, ein Friedensabkommen zu vereiteln, das eines Tages den
Palästinensern einen bedeutsamen Staat mit Jerusalem als Hauptstadt
gewährt.
Aber
ungewöhnlich ist es für die Siedler, die gewohnt sind - halb offen, halb
verdeckt - Unterstützung von Offiziellen zu bekommen, dieses Mal
riskieren sie, aus ihrem Haus hinausgeschmissen zu werden, zwei Jahre
nach einer „dringenden Zwangssorder“, die vom israelischen Obersten
Gerichtshof veröffentlicht wurde.
Letzte
Woche stimmte Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat schließlich unter
Protest nach steigendem Druck zu, Beit Yehonatan zu schließen. Barakat
hatte hart gegen die Ausführung der Gerichtsorder gekämpft, wobei ihm
ranghohe Mitglieder des Parlaments, der Polizei und sogar Benyamin
Netanyahu, der israelische Ministerpräsident, gegen den Rat des eigenen
Generalanwalts geholfen haben, der erklärte, die Zukunft von Beit
Yehonatan sei eine „reine Gemeindeangelegenheit“.
Aber
der Bürgermeister hat nicht einfach kapituliert. Er machte darauf
aufmerksam, dass Beit Yehonatan nur unter einer Bedingung evakuiert
werde, wenn mehr als 200 Abrissbefehle für palästinensische Häuser, vor
allem in Silwan genau zu selben Zeit ausgeführt werden. Er
behauptete, den Eindruck vermeiden zu müssen, dass das Gesetz in
diskriminierender Weise gegen Juden ausgeführt würde.
Jeff
Halper, Chef des ICAHD sagte, H. Barakats Idee der Fairness wäre
„lächerlich“.
„In
den letzten 15. Jahren sind mehr als 1000 palästinensischen Häuser in
Ost-Jerusalem zerstört worden, dagegen aber kein einziges Siedlerhaus,“
sagte er. „Tatsächlich haben keine Siedler je ihr Haus in Ost-Jerusalem
verloren.“
Während Barakat seine Ankündigung macht, gibt er zu, dass die 200
Hauszerstörungen sehr wahrscheinlich einen Konflikt auslösen werden. Die
Palästinenser in Ost-Jerusalem kochen wegen Planungsbeschränkungen schon
seit Jahrzehnten (vor Wut). Diese Beschränkungen zwangen viele von
ihnen, illegal zu bauen oder illegal anzubauen. Denn es ist fast
unmöglich für sie, von den israelischen Behörden Baugenehmigungen zu
erhalten.
Herr
Halper sagte, die Gemeindeverwaltung hätte 22 000 palästinensische
Häuser in Ost-Jerusalem als illegal bezeichnet, und sogar einen Mangel
an 25 000 Häusern für die 250 000 starke palästinensische Bevölkerung
der Stadt taxiert.
Die
Häuser, die für den Abriss bestimmt sind, schließen palästinensische
Häuser rund um Beit Yehonatan ein, da sie die Planungsbeschränkungen
verletzen, die Familien nur zwei Stockwerke zu bauen erlauben; trotz
der Beschränkung haben viele Häuser vier Stockwerke und die Besitzer
müssen deshalb Geldstrafen zahlen.
Außerdem wünscht der Stadtrat, 88 Häuser in dem kleinen Bustan-Gebiet
zu zerstören, da dieses – wie die Gemeindeverwaltung behauptet – in der
Gefahr stände, überflutet zu werden.
Zeinab
Jaber lebt direkt neben Beit Yehonatan in einem Haus, in dem sie 1961
geboren wurde. Das Gebäude wurde vor 20 Jahren für illegal erklärt, als
es wegen der wachsenden Familie um zwei Stockwerke erhöht wurde. Heute
zahlt sie und ihre sechs erwachsenen Söhne monatlich mehr als $1000 in
der Hoffnung, die Zerstörung abzuwenden.
Ihr
Sohn Amjad, 32, verheiratet mit zwei kleinen Söhnen, sagte, er wage
nicht, die Zahlung auszusetzen. „Es ist einfach: wenn man nicht zahlst,
endet man im Gefängnis.“
„Warum
sind die Siedler hier?“, fragt Frau Jaber, „Sie sind nur deshalb hier,
weil sie uns diesen Ort hier wegnehmen wollen. Bevor wir nicht weg sind,
sind sie nicht glücklich.“
Am
gegenüberliegenden Hang, also auf der andern Seite des Tales von Beit
Yehonatan wohnt Mohammed Jalajil, 48. Er sagt, er zweifle nicht daran,
dass die Gemeindeverwaltung die 200 Häuser zerstören wird. Er, seine
Frau und die fünf Kinder leben zusammengedrängt in einem Raum in der
Wohnung von Verwandten, seitdem ihr eigenes Haus vor sieben Jahren
zerstört wurde.
H.
Jalajil, 48, sagte: „ Nur wenige Monate, nachdem sie unser Haus
nahmen, sah ich, wie die Siedler ihres daneben bauten. ….
Wenn
Herr Barakat mit seiner Drohung durchkommt, werden die Hauszerstörungen
von der internationalen Gemeinschaft prompt getadelt werden. Im letzten
Monat schlossen sich Frankreich und die USA den UN an und denunzierten
mehr als 100 Zerstörungen innerhalb der letzten drei Monate in
Ost-Jerusalem.
Die
Entscheidung des Bürgermeisters ist vergleichbar mit der „Price-tag-Rache“-Politik
der Siedler auf der Westbank“, warnte Meir Margalit, ein Ratsmitglied
von Jerusalem: Die Siedler griffen palästinensische Dörfer aus Rache
dafür an, wenn es offizielle Versuche gibt, einige Siedleraußenposten
im palästinensischem Gebiet abzubauen.
Der
Unterschied hier ist nur der, dass der „Price tag“ diesmal nicht von
den Siedlern selbst erhoben wird, sondern von der Gemeindeverwaltung und
der Regierung --- in ihrem Namen,“ sagte er.
Gestern war die Gemeindeverwaltung dabei, an die Bewohner des Beit
Yehonatan eine Notiz herauszugeben, dass sie innerhalb von sieben Tagen
das Haus evakuieren müssten; aber die Operation wurde in letzter Minute
gestrichen, als die Polizei sich weigerte, hier mit zu arbeiten.
In
Silwan haben sich die Spannungen seit mehreren Jahren wegen der
Tätigkeit einer anderen Siedlerorganisation (Elad) verstärkt, die mit
offizieller Unterstützung mitten in einem palästinensischen Stadtteil
einen archäologischen Park, Davidsstadt genannt, gebaut hat. Nachdem die
Palästinenser vertrieben worden waren, sind mindestens 80 jüdische
Familien in die Häuser in der Nähe eingezogen.
Als
sich Elad selbst in Silwan festgesetzt hatte, ist es für Beit Yehonatan
noch schwieriger geworden, sich abzusichern. „Gewöhnlich stellen die
Siedler mit dem, was sie tun, eine Fassade der Legalität dar,“ sagt
J.Halper. Das Problem ist hier, dass sie in einer offen illegalen Weise
gebaut haben, ohne Genehmigung und die Gebäudehöhe um drei Stockwerke
überschritten.
Auf
Barakats Widerstand, die Bewohner von Beit Yehonatan zu vertreiben,
wurde im letzten Monat ein Schlaglicht geworfen, als er versuchte,
juristischen Druck abzuwenden, indem er eine neue Planungspolitik
vorschlug, um illegale Gebäude in Silwan zu legalisieren. Der
Bürgermeister schlug vor, dass die Regel, die Gebäude auf zwei
Stockwerke zu beschränken, auf vier revidiert wird.
Die
Reform wurde zuerst für Beit Yehonatan angewandt und die drei weiteren
Stockwerke versiegelt. Man erlaubte den jüdischen Familien in den
übrigen, den unteren vier Stockwerken wohnen zu bleiben.
Obwohl
H. Barakat versprach, dass illegale palästinensische Gebäude auch
gerettet werden würden, hat Ir Amin, eine israelische
Menschenrechtsgruppe die Forderung des Bürgermeisters abgewiesen.
Die
überwältigende Mehrheit der palästinensischen Häuser würde keinen Erfolg
haben, sich zu qualifizieren, weil die Landerfassungsdokumente für
dieses Gebiet fehlen und eine Reihe von Parkplatzforderungen,
Zufahrtsstraßen und Abwässerverbindungsrohre unmöglich zu
berücksichtigen sind. So schrieb Orly Noy, eine Sprecherin letzten
Monat an Haaretz.
Sie
fügte noch hinzu, dass in den palästinensischen Gebieten von
Ost-Jerusalem 70 km Abwässerrohre fehlen und dass seit Israels Besatzung
1967 keine einzige neue Straße in diesem Stadtteil gepflastert
wurde.
Eine
Planungskarte von Ost-Jerusalem, die kürzlich von der Jerusalemer
Gemeindeverwaltung gezeichnet wurde, kam letzten Monat zum Vorschein,
als H. Barakat versprochen hatte, Gebäude zu legalisieren: sie zeigte,
dass mehr als 300 Häuser – die meisten in Silwan - kurz vor dem Abriss
stehen.
( dt.
Ellen Rohlfs)
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