7. Internationale
Sabeel-Konferenz in Nazareth und Jerusalem 12.-19. November 2008 "Die Nakba: Erinnerung, Realität und darüber hinaus"
Wir sind mehr als 200
Christen aus fünf Kontinenten, die zusammen gekommen sind, um der
tragischen Ereignisse zu gedenken, die vor 60 Jahren das Leben des
palästinensischen Volkes erschüttert haben. Während wie uns hier
eingefunden haben, um von den einheimischen palästinensischen
Gemeinden zu hören und um ihnen unsere Solidarität und unsere
Unterstützung anzubieten, haben wir auch von den Brüdern und
Schwestern der islamischen und jüdischen Gemeinden gehört, die
ebenfalls Zeugen der Ungerechtigkeit sind, die der palästinensischen
Bevölkerung dieses Landes wiederfahren ist. Sie haben erlebt, wie
mehr als 531 Dörfer entvölkert und zerstört und mehr als 750.000
Flüchtlingen geschaffen worden sind, denen seit 1948 nicht erlaubt
wird, in ihre Häuser zurückzukehren.
Wir weisen auf die Ironie des
Zufalls hin, dass in diesem Jahr auch der 60. Jahrestag der
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gefeiert wird. Um einen
gerechten Frieden zu erreichen, muss die volle Wahrheit über die
Vorfälle von 1948 und die darauf folgende Vertreibung von weiteren
hunderttausenden palästinensischer Bürger im Jahr 1967 (ein Prozess,
der bis zum heutigen Tag andauert) erzählt werden. Die
Menschenrechte des palästinensischen Volkes werden auch weiterhin
mit Füssen getreten, unter einer militärischen Besatzung, die sowohl
die Unterdrückten als auch den Unterdrücker entmenschlicht. Wir
teilen die Überzeugung, dass nur die Anerkennung der vollen
Wahrheit, die dieser Unterdrückung zugrunde liegt, zu wahrer
Befreiung aller Konfliktparteien führt. Wahrheit ist die Grundlage
für das Schaffen von Frieden. Wir erkennen die Wahrheit an, dass
unser Schweigen über die Situation des palästinensischen Volkes der
Komplizenschaft in dieser fortdauernden Tragödie gleichkommt.
Der Status Quo ist ein
Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Als Christen können wir nicht
länger schweigen. Die Situation verschlimmert sich von Tag zu Tag.
Der so genannte Friedensprozess ist eher ein gleich bleibender und
andauernder Prozess des Todes und der Zerstörung, sowohl physisch
als auch geistig. Die Nakba – die Katastrophe – die dem
palästinensischen Volk auferlegt worden ist und noch immer auferlegt
wird – setzt sich unvermindert und uneingeschränkt fort. Die
Wahrheit darüber wird zum Schweigen gebracht oder ignoriert, sowohl
in unseren Kirchen als auch in den Medien. Das muss sich ändern,
wenn wir wahrhaftig Jesus' Aufruf Friedensstifter zu sein, Folge
leisten wollen.
Wir sind durch die tausende
Palästinenser und Israelis ermutigt worden, die Methoden des
gewaltfreien Widerstandes praktizieren, in dem Bestreben, den
aktuellen Konflikt zu beenden. Wir sehen die Praxis der
Gewaltfreiheit als das geeignetste Mittel, um in dieser Situation,
in der das Gleichgewicht der militärischen Kräfte so überwältigend
einseitig ist und wo das Vertrauen auf Gewalt die Dinge nur
zusehends verschlimmert, Frieden zu erreichen. Wir sind beunruhigt
darüber, dass die Bibel durch die, die den Konflikt verstärken, als
ein Instrument der Kolonialisierung und Ausbeutung gebraucht wird.
Wir lehnen die Ausschliesslichkeit einer soch einseitigen
Interpretation der biblischen Wahrheit ab.
Wir streben nach Versöhnung
aller Völker dieser Erde und rufen deshalb unsere Brüder und
Schwestern der weltweiten Kirche dazu auf, im Auftrag der Versöhnung
zu sprechen und zu handeln.
Wir sind berührt worden durch
die Gesichter von Kindern, egal wohin wir kamen. Wir haben erkannt,
dass eine ganze Generation von Kindern verkrüppelt wird, weil sie
keinen Zugang zur Ernährung haben, die sie für eine normales
Wachstum und eine gesunde Entwicklung benötigen. Sie erleiden
geistige und soziale Entfemdung, Gewalt und fehlende Chancen,
etwas, was keiner von uns auch nur einen Tag in unseren Gemeinden
tolerieren würde. Wir erinnern uns an den Aufruf der
Friedensnobelpreisträger, dass die erste Dekade dieses neuen
Jahrhunderts der Gewaltfreiheit gewidmet werden sollte. Wir hören
erneut den Ruf Jesu des "lasset die Kinder zu mir kommen", wodurch
die aktuelle Ausgrenzung der Kinder sichtbar gemacht werden soll und
sie damit die internationale Gemeinschaft herausfordern, mit ihrer
Verwundbarkeit und ihrem Bedürfnis nach Schutz. Deshalb rufen wir
all unsere Kirchen und Regierungen auf:
- Sich mit erneuerter Kraft
dafür einzusetzen, diese sich endlos weiter ausbreitende
militärische Besatzung zu beenden;
- Auf die vollständige
Umsetzung der UN-Resolutionen zu bestehen, auf die Erfüllung der
Menschenrechte und aller Klauseln des internationalen Rechts, die
Israels Rückzug aus den besetzten palästinensischen Gebieten und das
Recht der palästinensischen Flüchtlinge auf Rückkehr betreffen;
- Auf die Ermöglichung
grössere Bewegungsfreiheit sowie auf menschlichere Bedingungen in
den besetzten Gebieten zu bestehen;
- Darauf zu bestehen, dass
Israel all seinen Bürgern, sowohl jüdischen als auch
palästinensischen, die gleichen Rechte gewährt;
- Sich aus Investitionen in
Firmen, die die Besatzung ermöglichen, herauszuziehen;
- Darauf zu bestehen, dass
Israel die fortdauernde Abriegelung und Kollektivstrafen, die die
Bewegungsfreiheit von Menschen, Waren und humanitärer Hilfe, nach
und aus Gaza behindern, aufzuheben; und schliesslich
- die Arbeit von Sabeel darin
zu unterstützen, Brücken der Gewaltfreiheit zwischen den Menschen
aller monotheistischer Religionen, die in der Region repräsentiert
sind, zu unterstützen.
Wir haben den Ruf der Dringlichkeit
unser christlichen Mitbrüder und Mitschwestern in diesem heiligen
Land gehört. Sowie in den Tagen Jesu, liegt Bethlehem heute unter
militärischer Besatzung, umgeben von einer Gefängnismauer. Unsere
Erinnerungen an die Geburt des Kindes vor 2000 Jahren wird der
Realität der Kinder, Eltern und Grosseltern aus Bethlehem heute
entgegengestellt und von ihr herausgefordert. Als Gefolgsleute
dieses heiligen Kindes wollen wir in Gedanken bei den Menschen von
Bethlehem sein, wenn wir zu Gebeten und Aktionen für Licht und Leben
zusammenkommen! Lasst uns auf kreative Weise versuchen, den Status
Quo zu herauszufordern, mit Taten, die aus dem Geist von Mut, Liebe
und Wahrheit geboren sind.