Ein
Leben für Gerechtigkeit; Liebe und Versöhnung, von Reuven
Moskovitz - Herausgegeben von Martin
Breidert u. Ekkehart Drost, 260 S., Sommer 2015 - Rezension von
Ulrike Vestring - FrauenWegeNahost - November 2015
Dies
ist ein Buch der Freundschaft. Reuven Moskovitz hat viele
Freunde in Deutschland. Hier finden sie seine wichtigsten
Aufzeichnungen aus fast 50 Jahren Friedensarbeit. Ein Buch der
Freundschaft auch deshalb, weil zwei ausgewiesene Freunde nicht
nur des Verfassers, sondern auch Freunde eines gerechten
Friedens zwischen Palästina und Israel dieses Buch herausgeben
haben. Sie haben die Gedanken, Briefe und Appelle von Reuven
Moskovitz durch Texte seiner Wegbegleiter ergänzt.
Und wer ist dieser Reuven Moskovitz? In Rumänien geboren, der
Nazi-Verfolgung nur knapp entronnen lebt er heute in Jerusalem.
Das erklärt das Lebensziel des heute 86-Jährigen: Versöhnung.
Dafür tritt er unermüdlich ein, mit Hartnäckigkeit, Charme und
– Musik.
Ich bin Reuven zum erstenmal bei der Verleihung des Aachener
Friedenspreises 2003 begegnet. Die Laudatio, gehalten vom
Journalisten und Nahost-Kenner Andreas Zumach, galt dem
israelischen Preisträger ebenso wie der Palästinenserin Nabila
Espanioly.
Plötzlich Geigenklänge. Ein kompakter kleiner Mann betritt das
Podium, die Geige unterm Kinn. Zehn Minuten lang spielt er
Weisen wie aus dem Schtetl, deutsche Volkslieder und arabische
Melodien. Und hätte noch mehr gespielt, seine begeistert
mitklatschende Zuhörerschaft zum Singen und Tanzen gebracht.
Aber die Enge des Programms ließ es nicht zu.
Zwei Jahre später, auf der großen Palästina-Konferenz in der
Kölner Feuerwache. Ich sitze auf dem Podium zwischen fünf
hochmögenden Nahost-Experten, von denen keine und keiner gewillt
ist, seine Redezeit einzuhalten. Plötzlich steht unten Reuven
Moskovitz mit seiner Mundharmonika. Unmöglich ihm klar zu
machen, dass er „nicht dran“ ist. Seine Freunde im Publikum
scheren sich so wenig wie er um die Tagesordnung. Und mir wird
klar, dass ich es mit einem Friedensabenteurer zu tun habe.
Die Mundharmonika reiste auch auf dem jüdischen Boot für Gaza
mit, dem es 2010 erwartungsgemäß nicht gelang, die israelische
Blockade zu durchbrechen. Soldaten enterten das Boot und nahmen
die jüdischen Friedenssucher teilweise gewaltsam fest. Reuven
spielte noch, als ein Soldat die für Kinder in Gaza bestimmten
50 Mundharmonikas zertrampelte.
Der Autor hat eine tiefe Beziehung „zu dem Deutschland, das ich
liebe.“ Sie zeigt sich in seiner Beherrschung der Sprache ebenso
wie in seiner Kenntnis der Lyrik von Brecht, Fried, Heine,
Hesse, Kästner und Mascha Kaleko, die er in seinen Texten fast
beschwörend zitiert. Das macht die Lektüre zu einem
herzbewegenden Erlebnis.
Es
findet seine Ergänzung in den informativen und teilweise
anrührenden Zeugnissen von Reuvens deutschen Freunden, die die
Herausgeber in kluger Auswahl präsentieren. Nicht zu vergessen
die Fotos. Das Schönste für mich ist die Szene aus einem
Jerusalemer Wohnzimmer: Reuven Moskovitz mit erhobener Hand auf
dem Sofa sitzend, ihm gegenüber Jeff Halper, in kurzen Hosen und
Flipflops. Zwei jüdische Streiter für einen gerechten Frieden.
„Losung“ nennt Reuven ein Gedicht des jüdischen Dichters Josef
Papiernikoff von 1924, das er seinen Jahresbriefen voranstellt:
Mag sein, dass ich bau in der Luft meine Schlösser.
Mag sein, dass mein Gott ist im ganzen nicht da.
Im Traum ist mir heller, im Traum ist mir besser,
im Traum ist der Himmel noch blauer als blau.
Mag sein, dass ich werd’ mein Ziel nicht erreichen.
Mag sein, dass mein Schiff wird nicht kommen zum Steg.
S’geht mir nicht darum, ich soll was erreichen.
S’geht mir um den Gang auf einem sonnigen Weg.
Dies könnte auch Reuvens Losung sein. Wir wünschen ihm einen
sonnigen Weg. |