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Israel lässt sich von
US-Anwaltskanzlei im Kampf gegen BDS-Aktivisten in
Europa und Nordamerika helfen
- Chaim Levinson und Barak Ravid - 25.10.2017 - Die
Regierung lässt sich nach Dokumenten, die Ha'aretz
bekommen hat, heimlich von einer US-amerikanischen
Anwaltskanzlei im Kampf gegen BDS (Boykott,
Investitionsentzug und Sanktionen) in Europa,
Nordamerika und andernorts helfen.
Die Regierung hat die Kanzlei Sidley Austin
beauftragt rechtliche Möglichkeiten vorzubereiten
und Gerichtsverfahren abwickeln. Das
Justizministerium und das Ministerium für
Strategische Angelegenheiten haben es abgelehnt, die
Natur dieser Aktivitäten offen zu legen, für die der
Staat im Lauf der letzten zwei Jahre hunderttausende
Dollar gezahlt hat. Die Ministerien bezeichnen die
Aktivitäten als "diplomatisch extrem sensibel".
Vor etwa zwei Jahren verpflichtete das
Sicherheitskabinett das Ministerium für Strategische
Angelegenheiten für die Koordinierung des Kampfes
gegen "Delegitimierung" und bestimmte größere Mittel
für diese Bemühungen. Das Ministerium für
Strategische Angelegenheiten überweist einen Teil
des Geldes an das Außenministerium in verschiedenen
Plätzen weltweit, und einen anderen an jüdische
Organisationen im Ausland für Öffentlichkeitsarbeit
an Campussen und anderen Orten.
Aber auch das Ministerium für Strategische
Angelegenheiten operiert in dieser Sache auf eine
Weise, die es nicht öffentlich bekannt gemacht hat.
In der Vergangenheit hat der Generaldirektor des
Ministeriums, Sima Vaknin, der Knesset mitgeteilt,
dass es damit befasst sei "geheimdienstliche
Informationen zusammenzutragen und anzugreifen"
(gathering intelligence and attacking).
Im Lauf des letzten Jahres hat Anwalt Eitay Mack
Regierungsministerien gebeten, im Namen von
Menschenrechtsaktivisten Informationen über alle mit
ausländischen, an anti-BDS-Aktivitäten beteiligten
Organisationen unterzeichneten Vereinbarungen
anzunehmen. Das Außenministerium sagte, es hätte
noch keine solchen vertraglichen Verpflichtungen,
aber das Justizministerium stellte zensierte
Dokumente zur Verfügung.
Die Dokumente zeigen, dass die Abteilung für
Sonderaufgaben im Büro des Staatsanwalts, die – in
Zusammenarbeit mit dem Minsterium für Strategische
Angelegenheiten - für Angelegenheiten der nationalen
Sicherheit zuständig ist, Anfang 2013 öffentliche
Ausschreibungen für internationale Anwaltskanzleien
gemacht hatte. Und zwar für "Vorbereitung von
Dokumenten und rechtlichen Möglichkeiten sowie die
Abwicklung von Gerichtsverfahren
(Rechtsstreitigkeiten oder Prozessvertretung),
soweit es für die Bekämpfung des BDS-Phänomens
erforderlich ist, insbesondere hinsichtlich Aufrufen
und Initiativen zur Verhängung von Boykott und
Sanktionen gegen israelische Unternehmen und
Betriebe sowie gegen ausländische Unternehmen, die
in Israel geschäftlich tätig sind".
Die detaillierte Beschreibung der Dienstleistungen
war aus dem Dokument gestrichen (zensiert) worden.
Das Justizministerium sagte, die Details würden noch
überarbeitet, da ihre Veröffentlichung "den
Auslandsbeziehungen des Landes schaden und der
Fähigkeit dieser Institutionen, die erbetenen
Dienstleistungen zu erbringen, beeinträchtigen
könnte". >>>

Gasteig verbannt
erneut Israel-Kritiker – Grüne warnen
vor Gefährdung der Meinungsfreiheit
- Donnerstag, 26. Oktober 2017 -
P R E S S E M I T T E I L U N G -
Fraktionschef Dr. Florian Roth hat vor
einer schleichenden Aushöhlung der
Meinungsfreiheit in städtischen
Institutionen gewarnt. Hintergrund ist
das erneute Vorgehen der
Gasteig-Geschäftsführung gegen eine
Veranstaltung mit Kritikern der
israelischen Regierungspolitik, die
wegen ihres Eintretens für die Kampagne
BDS (Boykott, Desinvestitionen und
Sanktionen) aus den Räumen des Gasteigs
verbannt werden sollen.
Bereits Ende September war der Gasteig
vor dem Landgericht München damit
gescheitert, eine Vermietungszusage für
einen Vortrag von Judith Bernstein von
der Jüdisch-Palästinensischen
Dialoggruppe aus formalen Gründen
nachträglich zurückzuziehen. Diesmal
zielt die Ablehnung einer Raumvermietung
direkt auf das politische Engagement von
Judith Bernstein: Ihr soll, gemeinsam
mit ihrem Mann Reiner, der Preis
„Aufrechter Gang“ der Humanistischen
Union verliehen werden – Laudator soll
Tilman Spengler sein. Die Humanistische
Union ist eine angesehene linksliberale,
maßgeblich von Intellektuellen getragene
Bürgerrechtsorganisation, in deren
Beirat etwa Klaus Hahnzog, Hartmut von
Hentig, Burkhard Hirsch, Claudia Roth
und Klaus Staeck vertreten sind.
Die Gasteig-Geschäftsführung hat eine
Raumvermietung nun mit dem Hinweis
abgelehnt, für den Gasteig kämen
„Veranstaltungen von oder mit Personen,
aus dem Umfeld der BDS-Kampagne
entsprechend unserer Mietbedingungen
nicht in Frage“ und bezieht sich dabei
auf einen von CSU und SPD gestellten
Antrag zu diesem Thema.
Dr. Florian Roth: „Es kann nicht
angehen, dass städtische Gesellschaften
bestimmte Meinungen und Personen nur auf
Grund von Stadtratsanträgen aus ihren
Räumen verbannen – auch wenn diese
Anträge von den Mehrheitsfraktionen
stammen. Ein solcher vorauseilender
Gehorsam ist geeignet, die politische
Kultur ernsthaft zu gefährden – denn
wozu noch Stadtratssitzungen abhalten,
wenn der Wille der Großen Koalition
ohnehin für verbindlich gehalten wird?“
>>>
Pressemitteilung - der HUMANISTISCHE
UNION e.V. - Die
Bürgerrechtsorganisation vereinigt mit
der Gustav Heinemann-Initiative
Regionalverband München-Südbayern -
München, 25.10.17
-
++++++
Preisverleihung ++++++ „Aufrechter Gang"
für Judith und Reiner Bernstein
- Für ihren Einsatz zur Verlegung von
Stolpersteinen in München sowie ihren
unermüdlichen Beitrag zur Versöhnung
zwischen Israelis und Palästinensern
erhalten Judith und Reiner Bernstein den
Preis „Aufrechter Gang" der
Humanistischen Union München-Südbayern
(HU).
Judith Bernstein ist in Jerusalem
geboren als Tochter deutscher Juden, die
nach Palästina auswandern mussten. Dr.
Reiner Bernstein ist Historiker und
Publizist; er hat sich in vielen
Schriften mit der Situation im Nahen
Osten auseinandergesetzt.
Im Vorstand der „Initiative
Stolpersteine für München“ haben beide
jahrelang gemeinsam für die Verlegung
der Stolpersteine auf öffentlichem Grund
gekämpft. Immer wieder wurde ihre Arbeit
vom Münchner Stadtrat behindert und die
Verlegung auf öffentlichem Grund
verboten, obwohl bereits in fast 1200
deutschen Kommunen Stolpersteine zum
Gedenken an die Opfer der Nazidiktatur
verlegt wurden. In zahlreichen
Veranstaltungen zur friedlichen Regelung
des Nahostkonflikts haben Judith und
Reiner Bernstein sich engagiert. Sie
treten für die politische Koexistenz
beider Völker ein und setzen dafür ihre
Kontakte zu israelischen und
palästinensischen Friedensgruppen ein.
Auch in der Jüdisch-Palästinensischen
Dialoggruppe sollen Brücken des
Verständnisses und der Zusammenarbeit
gebaut werden.
Weil im Münchner Rathaus CSU und SPD die
Kritik an der Siedlungspolitik der
israelischen Regierung mit
Antisemitismus gleichsetzen, sollen
keine kommunalen Räume für ihre
Veranstaltungen zur Verfügung gestellt
werden. Dieser absurde Vorwurf trifft
jetzt auch die Humanistische Union, d.h.
der HU wird die Nutzung kommunaler Räume
für die Preisverleihung verwehrt.
Vor dem Hintergrund, dass die HU in
ihrer Arbeit besonders ihrem Mitgründer
Fritz Bauer verpflichtet ist, der durch
sein Engagement u.a. den Frankfurter
Auschwitz Prozess maßgeblich
vorangetrieben hat, erscheint das
Verbot, städtische Räume zu nutzen,
geradezu skandalös! Trotz dieser
Widrigkeiten wird die Humanistische
Union Judith und Reiner Bernstein mit
ihrem Preis „Aufrechter Gang" für ihr
Engagement und ihren Widerstand gegen
den öffentlichen Machtanspruch sowie für
ihren Kampf für die Meinungsfreiheit im
Geiste des Grundgesetzes auszeichnen.
Die Preisverleihung wird Anfang 2018
stattfinden. Die Laudatio hält der Autor
Dr. Tilman Spengler.
Mit diesem Preis würdigt die
Humanistische Union seit 30 Jahren
Frauen und Männer, die sich in Bayern
für Bürgerrechte und Demokratie
einsetzen und mit dieser Haltung zur
demokratischen und politischen Kultur
beitragen.
Mit freundlichen Grüßen Wolfgang
Killinger, Vorstandsmitglied -
suedbayern@humanistische-union.de
LINK zu dem Preis "Aufrechter Gang"
»Zur Zeit der Verleumder«
- Eine ideologiekritische Intervention
gegen die Instrumentalisierung von
Juden, Judentum und der jüdischen
Katastrophe
Der Rechtstrend in der westlichen Welt
hat bizarre Erscheinungsformen. Linke
werden als »Nazis«, jüdische
Antifaschisten als »Verräter«
diffamiert. Bereits Anfang der
1980er-Jahre klagte der Dichter Erich
Fried die Stigmatisierung jüdischer
Linker als »rote Antisemiten« an. Seine
von den ersten Verwerfungen des
neoliberal radikalisierten Kapitalismus
geprägte Gegenwart beschrieb er als
»Zeit der Verleumder«. Was damals mit
wütenden Polemiken begann, ist heute zu
einem Komplex aus Rufmordkampagnen und
Sanktionen ausgewachsen, die aus den
etablierten Parteien und AfD, von
neokonservativen »Antideutschen«,
»Antinationalen« und christlichen
Fundamentalisten initiiert und von den
hegemonialen Medien propagiert werden.
Kritische Juden sind wüstesten Attacken
ausgesetzt: Drohungen, vereinzelt sogar
Tätlichkeiten, meist aber Beschimpfungen
und Herabwürdigungen, wie »Alibi-Jude«
und »selbsthassender Jude«, sogar
Holocaust-Überlebender und deren
Nachkommen, gehören mittlerweile zum
politischen Alltag. Die im September von
der Deutschen Bundesregierung
angenommene groteske
Antisemitismus-Definition, mit der so
gut wie jede Kritik an Israel, sogar an
»nicht-jüdischen Einzelpersonen und/oder
deren Eigentum« als Erscheinungsformen
von Judenhass gebrandmarkt werden
sollen, zielt auf eine Kriminalisierung
jüdischer Marxisten und anderer
kapitalismuskritischer Linker. Die
jüngst von deutschen Bürgermeistern und
ihren Magistraten auf den Weg gebrachte
Verordnung des Entzugs öffentlicher
Veranstaltungsräume, durch den
offensichtlich ein Redeverbot für
jüdische Linke im Täterland exekutiert
werden soll, wird den ohnehin in der
Berliner Republik fortschreitenden
Prozess der Entdemokratisierung und
Einschränkung der Meinungsfreiheit
beschleunigen.
Das Projekt Kritische Aufklärung möchte
diese Besorgnis erregenden Entwicklungen
auf einer ideologiekritischen Konferenz
in Berlin mit Vorträgen und anderen
Beiträgen von deutschen und
internationalen Wissenschaftlern,
Künstlern, Journalisten und Aktivisten
analysieren, aufarbeiten und
Gegenstrategien diskutieren.
Auf Wunsch vermitteln wir Interviews mit
den Referenten und Rednern der
Konferenz.
-
Berlin, 26. Oktober 2017
Projekt Kritische Aufklärung
- ist ein Zusammenschluss für
ideologiekritische Interventionen gegen
rechte Tendenzen in Deutschland. Er
wurde im Juli 2017 von deutschen und
israelischen Marxisten – u.a.
Journalisten, Künstler, Wissenschaftler,
die meisten sind politische Aktivisten –
gegründet, die besonders besorgt sind
über antiemanzipative Bestrebungen, den
fortschreitenden Verrat an kritischer
Aufklärung und Verfall der politischen
Kultur innerhalb linker Bewegungen,
Parteien und Medien.
Nähere Informationen >>>
Kontakt:
pka@projektkritischeaufklaerung.de
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Gideon Levy benennt
Israels fundamentale, rassistische
Religion: Zionismus
- Jonathan Ofir - 2. September 2017 -
Gideon Levy hat gestern in Haaretz eine
Kolumne veröffentlicht, die am weitesten
geht, was ich in israelischen
Mainstream-Medien gesehen habe, als ich
den Zionismus herausforderte. Er nennt
es eine Bewegung, die "im Widerspruch zu
den Menschenrechten steht und damit
tatsächlich eine ultranationalistische,
kolonialistische und vielleicht sogar
rassistische Bewegung ist, wie sie von
Befürwortern der Gerechtigkeit weltweit
behauptet wird".
Sein Text mit dem Titel "Minster of
Truth" war ein typisch sarkastisches
Stück vor dem Hintergrund von
Justizministerin Ayelet Shaked, die
Anfang der Woche gesagt hatte:
„Der Zionismus sollte sich nicht - und
ich sage hier, er wird es auch nicht -
weiterhin einem universell ausgelegten
System individueller Rechte beugen ".
Levy nimmt Shaked's Worte auf und
erläutert die Botschaft weiter:
So glaubt Shaked, wie so viele Menschen
auf der ganzen Welt, dass Israel auf den
Fundamenten der Ungerechtigkeit
aufgebaut ist und deshalb vor dem
feindlichen Gerede von Gerechtigkeit
geschützt werden muss. Wie sonst lässt
sich die Abstoßung von
Diskussionsrechten erklären?
Individuelle Rechte seien wichtig, aber
nicht, wenn sie losgelöst von den
zionistischen Herausforderungen "seien,
sondern wieder richtig: Die
zionistischen Herausforderungen stehen
in der Tat im Widerspruch zu den
Menschenrechten.
Und Levy ist sehr klar, was es heißt,
sich dagegen zu stellen:
Der Zionismus ist die
fundamentalistische Religion Israels,
und wie in jeder Religion ist seine
Leugnung verboten. In Israel sind'
nicht-zionistisch' oder'
antizionistisch' keine Beleidigungen,
sondern soziale Ausweisungsbefehle. Es
gibt nichts Vergleichbares in einer
freien Gesellschaft. Aber nun, da Shaked
den Zionismus entlarvt hat, ihre Hand
auf die Flamme gelegt hat und die
Wahrheit zugegeben hat, können wir
endlich freier über den Zionismus
nachdenken. Wir können zugeben, dass das
Recht der Juden auf einen Staat dem
Recht der Palästinenser auf ihr Land
widersprach und dass der rechtschaffene
Zionismus ein schreckliches nationales
Unrecht hervorgebracht hat, das nie
berichtigt worden ist; dass es Wege
gibt, diesen Widerspruch zu lösen und zu
büßen, aber die zionistischen Israelis
werden ihnen nicht zustimmen ".
Hintergrund ist, dass Shaked auf die
Entscheidung des Obersten Gerichtshofs
vom vergangenen Montag reagiert hat, in
der er sich gegen die unbefristete
Inhaftierung afrikanischer Asylsuchender
ausgesprochen hat, die sich weigern, in
>>>
Eine
automatische Übersetzung mit
DeepL – ein wenig überarbeitet.
17.-19.11.
Art Violence – Udi Aloni
Filmretrospektive – arabisches Rap
Konzert mit Tamer Nafar & Rasha Nahas
zur Eröffnung
-
Hoffnung durch gelebte,
jüdisch-palästinensische Zusammenarbeit
verschiedener Generationen sowie sein
Einsatz für den Binationalismus und
einen gemeinsamen, jüdisch-arabischen
Staat treiben den
israelisch-amerikanischen Regisseur und
Künstler Udi Aloni (*1959 in Tel Aviv)
zu seinen Filmen an. Vom 17. bis 19.
November stellt er erstmals komplett
alle seine Filme aus 20 Jahren, seine
kulturellen Visionen und künstlerischen
Mitstreiter im Babylon in der „Udi Aloni
Filmretrospektive – Art Violence“, in
Gesprächen und einer Lecture vor. Zur
Eröffnung am 17. November um 20 Uhr ist
seine jüngste Produktion „Junction 48“
zu sehen. Im Anschluss gibt es ein
Live-Konzert mit dem arabischen Rap-Star
und „Junction 48“-Hauptdarsteller Tamer
Nafar (*1979 in Lod) und mit Rasha Nahas
(*1996 in Haifa). Mit ihrem poetischen,
experimentellen Rock gilt Nahas als
junger, aufstrebender Star der
palästinensischen
Musik-Undergroundszene. Aloni
unterstützt Nahas als Mentor und lässt
sie als Artist in Residence aktuell in
Berlin leben. Beide palästinensischen
Musiker treten erstmals gemeinsam in
einem Konzert auf und werden begleitet
von Samar Qupty (*1989 in Nazareth), der
Hauptdarstellerin von „Junction 48“.
Udi Aloni ist streitbarer, kontrovers
diskutierter Visionär, für viele ein
Enfant terrible, Freund von Philosophen
wie Slavoj Žižek, Judith Butler, Alain
Badiou sowie Sohn von Shulamit Aloni
(1928-2014), der bekannten israelischen
Menschenrechtsaktivistin und
Erziehungsministerin in der Regierung
von Yitzhak Rabin. Seine Arbeiten
verbinden Kunst, Musik, Philosophie und
politisches Engagement. Zeitweilig hat
Aloni in Berlin gelebt. Seit 2003 hat er
seine Filme auf der Berlinale in der
Panorama-Sektion vorgestellt, insgesamt
inzwischen fünf abendfüllende
Produktionen und einen Kurzfilm. Wieland
Speck unterstützt deshalb die Babylon
Retrospektive. Auch das Babylon in der
Rosa-Luxemburg-Straße ist für Aloni von
symbolischer Bedeutung: Rosa Luxemburg
hat maßgeblich die politische Sichtweise
seines polnischen Großvaters David Adler
(1905-1980) geprägt. Seine Mutter
Shulamit Aloni hat die neue hebräische
Ausgabe von Luxemburgs „Briefe aus dem
Gefängnis“ mit einem Vorwort versehen.
Udi Aloni: “As a paraphrase of Joseph
Beuys‘ work: I love Berlin. Berlin loves
me. Five of my films were opened at the
Berlinale and achieved amazing awards
here. The pre-war German philosophy was
a big influence on my theological,
political thinking. We could say ‘Local
Angel’ is travelling with Walter
Benjamin and ‘Forgiveness’ is like
dancing with Franz Rosenzweig.”
Im Zentrum des arabischen Hip Hop Films
„Junction 48“ (2016), u.a. mit dem
Berlinale Panorama Publikumspreis
ausgezeichnet, steht eine junge,
palästinensische Generation, verkörpert
durch den Hip Hopper Kareem (Tamer
Nafar) und seine Freundin und
Gesangspartnerin Manar (Samar Qupty).
Sie leben als palästinensische
Minderheit im israelischen Lod, arabisch
Lyd, heute ein Vorort von Tel Aviv. 1948
wurden zehntausende Palästinenser
gewaltsam aus Lod vertrieben, um
israelischen Siedlern Platz zu machen.
Kareem und seine Freunde erleben nicht
nur Diskriminierung und Willkür durch
die Polizei. Sie wollen sich auch von
ihrer Elterngeneration emanzipieren,
insbesondere von der patriarchalischen
Einengung, die Frauen kaum Spielraum
lässt.
Musik ist ein wichtiger Bestandteil in
Udi Alonis Filmen. 2001 lernte er Tamer
Nafar und dessen Band D.A.M. kennen und
hat inzwischen in fünf Filmen mit Nafar
zusammengearbeitet. Nafar gilt als einer
der ersten, arabischsprachigen Hip
Hopper. „Junction 48“ erzählt im
wesentlichen seine Geschichte. Zum
anderen zeigt der Film aber auch die
Bedeutung junger, palästinensischer
Frauen. So beginnt Aloni mit einer
Nahaufnahme von Tamer Nafar und endet
mit einem Close Up auf Samar Qupty.
Tamar Nafar: “We as Palestinians must
fight the Israeli Apartheid and the
Gender Apartheid. My dream is to march
hand in hand, a woman holding a man’s
hand against any separation wall. It is
not reasonable to walk separately and
ask for unity at the same time! …
Freedom for all or freedom for none!”
(2016, offener Brief an den Popsänger
Mohammed Assaf)
Alonis erster Spielfilm “Forgiveness”
(2005) weist wie “Junction 48” auf die
gewaltsame, jüdisch-palästinensische
Geschichte hin: Der junge David Adler
weiß nicht, wohin er gehört. Sein Vater
entkam Auschwitz und lebt nun in den
USA. Als Davids Mutter jung verstarb,
schickte er den Sohn nach Israel, holte
ihn aber bald wieder zurück. David fühlt
sich wie ein “fucking Yo-yo”, träumt auf
Englisch, stottert in Hebräisch. Nun
kehrt er nach Israel zurück, leistet
dort seinen Militärdienst und findet
sich nach einem Vorfall im
psychiatrischen Krankenhaus von Deir
Yassin wieder. 1948 tötete dort eine
jüdische Miliz über 100 arabische
Dorfbewohner. Kurz danach wurde das
Krankenhaus auf den Ruinen erbaut. Die
ersten Patienten waren
Holocaustüberlebende.
Als Rückkehrer, der mit neuen Augen auf
seine alte Heimat blickt, agiert Aloni
selbst in zwei seiner dokumentarischen
Werke: In „Left“ (1996), ursprünglich
Teil des Ausstellungsprojektes
„Re-U-Man“ im Metropolitan Museum of Art
in New York, hält er den israelischen
Wahlkampf fest, aus dem erstmals der
Hardliner Benjamin Netanjahu siegreich
als Ministerpräsident hervorgeht. Aloni
spricht mit den arabischen Bürgern
Israels, interviewt den
arabisch-israelischen Politiker Azmi
Bishara (*1956), der an der
Humboldt-Universität in Berlin
studierte, 1996 Knesset-Abgeordneter
wurde und 2007 Israel verließ.
In „Local Angel“ (2002), inspiriert von
Walter Benjamins „Angelus Novus“ und
„Engel der Geschichte“, versucht Udi
Aloni den theologisch-politischen
Hintergrund zu begreifen, vor dem seine
Mutter Shulamit Aloni als
Friedensaktivistin und Gründerin des
Israeli Civil Rights Movement agiert.
Durch Vermittlung der Freundin von
Shulamit Aloni, der palästinensische
Menschenrechtsanwältin Hanan Aschrawi
(*1946), Tochter einer der PLO-Gründer,
trifft er Yassir Arafat. Inspiration
sieht Aloni in der jungen Generation.
Erstmals tritt Tamer Nafar in einem
seiner Filme auf.
Einen starken Mitstreiter für die Vision
des jüdisch-palästinensischen
Zusammenlebens fand Udi Aloni in dem
Regisseur, Schauspieler und Gründer des
Freedom Theatres in Jenin, Juliano
Mer-Khamis (1958-2011). Mer-Khamis war
palästinensischer Jude und befand sich
mit seiner emanzipatorischen
Theaterarbeit für Flüchtlinge zwischen
allen Stühlen. Aloni war für das Cinema
Department des Theaters zuständig. Nach
dem schockierenden Mord an dem Freund
drehte Aloni zusammen mit den zwei
Freedom-Schauspielerinnen Batoul Taleb
und Mariam Abu Khaled (*1991 in
Nazareth) ein berührendes, filmisches
Denkmal mit „Art/Violence“ (2013),
ausgezeichnet auf der Berlinale mit dem
Cinema Fairbindet Preis. Die
Schauspielerin Maryam Abu Khaled
arbeitet aktuell im Exil Ensemble am
Maxim Gorki Theater, u.a. in dem als
Stück des Jahres 2016 ausgezeichneten
„The Situation“. Abu Khaled wird am 18.
November zu einem Gespräch mit Udi Aloni
zu „Art/Violence“ zu Gast sein.
Wie ein Solitär wirkt der Dokumentarfilm
„Kashmir: Journey to Freedom“ (2008) nur
auf den ersten Blick. Tatsächlich bleibt
sich Aloni in seinem Bestreben, als Jude
solidarisch mit friedvollen Muslimen zu
sein, treu. Zusammen mit dem aus den USA
zurückgekehrten Kashmiri-Amerikaner
Usmaan Raheem Ahmad blickt er auf die
konfliktreiche Kaschmir-Region und die
Jammu Kashmir Liberation Front. Yasin
Malik (*1966), Anführer der JKLF und
früherer Soldat, begibt sich auf einen
gewaltlosen Friedensmarsch durch die
Region. In Malik Sajad, einem
19-jährigen Cartoonisten, findet Aloni
einen beeindruckenden Vertreter der
jungen Generation. Auch mit diesem Film
machte sich Aloni Gegner: Indien verbot
ihm die Einreise.
BABYLON
- Cinema, Kommunales Kino, Filme,
Stummfilme, Konzerte, Lesungen, Theater,
Workshops, kleine und größere Festivals,
Vermieteungen >>>
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