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Ludwig Watzal

Iranische Journalisten diskutieren mit deutschen Intellektuellen

Das Feuer des Terrors wird mit Benzin bekämpft

Demokratie kann nicht mit B52-Bombern und durch Besetzung eines Landes eingeführt werden, sondern bedarf einer kontinuierlichen intellektuellen Auseinandersetzung mit anderen Kulturen. Das macht die Entwicklung im Irak deutlich. Dem Dialog fühlt sich auch die Bundesregierung verpflichtet. Er setzt im Rahmen der Europäischen Union auf die Stärkung der Vereinten Nationen und des Völkerrechts, der Förderung des Rechtsstaates, der Demokratie und der Meinungsfreiheit. Von diesem Konzept erhofft man langfristig den Wurzeln des Terrorismus und der organisierten Kriminalität begegnen zu können.

Aber dies ist nicht nur die deutsche Sicht. Auch in den von Krisen betroffenen Regionen findet diese Strategie unter Intellektuellen Zuspruch; wie auch bei einer Delegation iranischer Journalisten, die nach Deutschland gekommen waren, um mit deutschen Medienvertretern und Wissenschaftlern über "Medien und globale Herausforderung" zu diskutieren. Dies ist die zweite Veranstaltung ihrer Art im Rahmen des kulturellen Dialogprogramms mit dem Iran, dass von der Kommunikationsabteilung des Auswärtigen Amtes und des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) organisiert wurde.

Die Vorträge und Debatten kreisten um Möglichkeiten und Grenzen einer Weltinnenpolitik, die Situation des Iran in seinem nahöstlichen und zentralasiatischen Umfeld sowie die Demokratieentwicklung und die Rechtssicherheit des Landes. Deutschland sieht den Iran als das Land mit Zukunft im Mittleren Osten, das ein großes zivilgesellschaftliches Potenzial hat, wie Michael Gerdts, Leiter der Kommunikationsabteilung des Auswärtigen Amtes, betonte. Ziel des Dialoges sei der Abbau von Missverständnissen und das bessere Verstehen der jeweilig anderen Position. Hier wird bewusst an das angeknüpft, was einmal "kritischer Dialog" genannt worden ist.

Die Politik des Iran muss sich mit drei Konfliktherden auseinander setzen: Irak, Afghanistan und Palästina. In diesen Ländern werde es zu keiner Beruhigung der Lage kommen, weil es dort gravierende Ungerechtigkeiten gebe, so Hamid Reza Assefi, Sprecher des iranischen Außenministeriums. Die Medien, forderte er, sollten sich bei den genannten Konflikten insgesamt mehr für Gerechtigkeit einsetzen. Viele der übrigen Teilnehmer zweifelten daran, dass diese Forderung Aussicht auf Erfolg haben könnte und die realistische Rolle von Medien beschreibt. Entsprechend vertrat Herfried Münkler, Professor an der Berliner Humboldt-Universität, die These, dass Medien das Dramatische von Ereignissen in den Vordergrund stellten. Münkler warf manchen Medienvertretern vor, dass sie aus Terroranschlägen einen "Event" machen. Durch diese, bisweilen effektheischerische Berichterstattung, könnte man den Eindruck gewinnen, dass ein "insgeheimes Zusammenspiel" zwischen Medien und Tätern entstehe. Schließlich verhelfe die breite Berichterstattung den Tätern und ihren Anschlägen zu verhältnismäßig großem Einfluss. Die Anschläge erführen eine große und breite öffentliche Wahrnehmung. Münkler: "Sie zwingen Staaten zu Handlungen, die sie aus Interessenabwägung heraus vielleicht nicht getan hätten." So müssten Staaten auf Angriffe para- oder substaatlicher Akteure wie "Kriegsherren" oder "Terrornetzwerke" reagieren. Diese "Entstaatlichung der Kriege" habe zu einem dramatischen Ungleichgewicht geführt und die Basis des Kriegsvölkerrechts zerstöre. Es sei eine "normative Asymmetrie" entstanden, die zu "gerechten" oder "heiligen Kriegen" führe. Eine Fortsetzung dieser Entwicklung bewirke die Schwächung der Vereinten Nationen; die Gleichartigkeit der Akteure verschwinde. Europa könne diese Entwicklung durch den Export von Staatlichkeit wie auf dem Balkan und Afghanistan nur bedingt aufhalten. Münkler hält die Frage nach dem Sieg über den Terrorismus für "infantil". Eher müsse man die Terroristen so durch Verfolgung unter Druck setzen, dass sie weniger Potential für terroristische Anschläge hätten.

Die Politik der USA und Israels wurde von iranischer Seite immer wieder kritisch angesprochen. So hätten der Unilateralismus und die neokonservative Eroberungsstrategie die negativen Seiten der Globalisierung deutlich gemacht und zu einem klassischen Imperialismus geführt, wie Mohammad Dehshiri, Professor und Mitarbeiter des iranischen Fernsehens, ausführte. Im Zuge der Terroranschläge vom 11. September 2001 wurden die Vereinten Nationen und das Völkerrecht marginalisiert. Die Europäische Union ist beim Kampf gegen den Terror zur Passivität verdammt worden. Statt allein auf Hardpower zu setzen, wie dies die USA täten, sollte die EU den kulturellen Dialog fördern. Das Denken dürfe nicht unter einem Technologiediktat stehen. Wenn eine gewisse Kultur für ein Land gut sei, heiße dies noch lange nicht, das sie für alle nutzbringend sei, betonte Assefi. Wenn jedes Land seinen kulturellen Beitrag leisten könne, gäbe es kein Probleme. Die USA, so wurde kritisierte, berücksichtigten aber nicht die Meinung der anderen Länder. "Der Iran will Stabilität im Irak. Wir waren das erste Land, das den vorläufigen Regierungsrat anerkannt hat."

Der Publizist Mahmoud Dehghan vertrat die These, dass die Terrorbekämpfung der USA nichts mit Anti-Terrormaßnahmen zu tun hat, sondern insgeheim ein Kampf gegen unliebsame Regime ist. Damit wollen die USA, so Dehghan, amerikawillige, autoritäre Führungen installieren, wie etwa die Regierung Karsei in Afghanistan. Beim Kampf gegen den Terror werde das Feuer mit Benzin bekämpft, umschrieb er das Vorgehen der USA bildhaft. Widerstand rege sich überall dort, wo die USA ihren Willen durchsetzen wollten. Ziel der USA sei es unter anderem, kleinere Regierungen einzuschüchtern und zu disziplinieren. Bisher habe man in der Schaffung von starken Regierung in Afghanistan und Irak versagt. Dehgahn stellte in Aussicht, dass sich der Iran an der Globalisierung beteiligen werde, wenn es eine faire Chance für alle Staaten gebe. "Wenn aber Globalisierung gleich Amerikanisierung sein soll, werden wir Widerstand leisten", sagte der iranische Publizist.

Dass der Iran weiterhin im Fadenkreuz der USA steht, machte Udo Steinbach, Direktor des Orientinstitut in Hamburg, deutlich. Der Irakfeldzug habe auch den Iran betroffen, sagte er. Der Iran sei jetzt von allen Seiten durch US-Truppen eingekreist. Der irakische Staatspräsident Saddam Hussein sei zwar hinweggefegt worden, aber gleichzeitig sei das "westliche Paradigma" im Irak gescheitert. Steinbach hob hervor, dass die Amerikaner zwar die politische Agenda diktieren, aber oft keinen konzeptionellen Ansatz für die Zukunft haben. Ihre Ratlosigkeit zeigt sich laut Steinbach auch im Palästinakonflikt, wo sie die Kontrolle verloren haben. Es sei eine Fehleinschätzung, den Widerstand gegen Arafat als Teil des Kampfes gegen den Terror zu begreifen. Das Verhalten der USA im Irak und Palästina ist die "größte politische Fehlleistung seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges", so Steinbach. Israel sei die große Unbekannte in diesem Konflikt. "Wie gehen wir damit um, Israel in eine nuklearfreie Zone im Nahen und Mittleren Osten mit einzubeziehen?", fragte Steinbach. "Israel muss erkennen, dass seine Zukunft in Europa liegt und nicht in der Rolle des Brückenkopfes der USA im Nahen Osten."

Von iranischer Seite wurde immer wieder auf die Rolle der EU Bezug genommen und ein Gegensatz zu den USA aufgebaut. "Die USA sind mit ihren Demokratieparolen unglaubwürdig. Die Europäer haben sich dagegen beispielhaft verhalten. Sie sind für die Bevölkerungen glaubwürdiger", so Dehghan. Diese Frontstellung entspricht eher einem Wunschdenken, weil es niemanden in der EU gibt, der eine solche anstrebt, und die EU machtpolitisch gegenüber den USA in einer wenig komfortablen Lage ist. Man erwartet vielleicht von der EU mehr, als diese Organisation wirklich leisten kann.

Neben den politischen Ausführungen haben Beiträge zur Rolle der Religion in der Demokratie und zum Säkularismus die Notwendigkeit dieser Art Veranstaltungen deutlich gemacht. Seitens des Irans wurde von Amir Mohebbian ein Antagonismus zwischen Demokratie und Religion aufgebaut, den er durch eine "religiöse Demokratie" aufgelöst wissen wollte. Dieser Begriff klang für die deutschen Vertreter fremd, die skeptisch waren, ob man Menschenrechte von Minderheiten in einer solchen Demokratie schützten könnte. Jochen Hippler, Professor an der Universität Duisburg, verteidigte den Säkularismus als nicht per se "antireligiös". Säkularismus solle nicht den Glauben schwächen. Er sei aber auch kein Allheilmittel für alle gesellschaftlichen Probleme.

Der Mediendialog zwischen Iran und Deutschland hat deutlich gemacht, dass es noch großer Anstrengungen bedarf, westliches und orientalisches Denken, wenn nicht in Einklang, so doch sich einander näher zu bringen. Ludwig Watzal
 

Quelle
Homepage Dr. Ludwig Watzal

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