Felicia Langer,
Tübingen, 8. November 2015

Ich begrüße sehr herzlich die Organisatoren
der Ausstellung "Haft ohne Anklage" über
Administrativhaft in israelischen
Gefängnissen. Die Ausstellung erläutert die
in Deutschland kaum bekannte Praxis der
Administrativhaft ohne Anklage, ohne
Gerichtsverfahren, verlängerbar auf
unbestimmte Zeit. So wird sie in den seit
1967 besetzten Gebieten gegen
palästinensische Gefangene angewendet. Sie
verstößt gegen das internationale
Völkerrecht.
Ich habe in meiner mehr als 23jährigen
Tätigkeit als Anwältin Hunderte
Palästinenser erlebt, die unter dieser Form
der Gefangenschaft gelitten haben: Sie waren
Häftlinge ohne jeden Schutz!
Vor einigen Tagen forderte der Präsident der
Palästinenser Mahmoud Abbas Auflagen für
Israel. Im "Schwäbischen Tagblatt" vom 29.
Oktober hieß es: "Abbas vor UN-Rat:
Beschützen Sie uns." Palästinenserpräsident
will Auflagen für Israel. Es war eine Bitte
um Schutz - und eine Abrechnung mit Israel:
Palästinenserchef Abbas fordert die
Weltgemeinschaft auf, Israel Grenzen zu
setzen. von Jan Herbermann
Genf. Es war eine Abrechnung auf der Bühne
der Vereinten Nationen:
Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas
besuchte den UN-Menschenrechtsrat in Genf
und griff dabei Israel an. Auch ging er mit
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu
ins Gericht - wegen dessen umstrittenen
Äußerungen zum Holocaust.
Die Palästinenser hatten die Visite ihres
Präsidenten beim Menschenrechtsrat beantragt
- das Gesuch wurde den diplomatischen
Gepflogenheiten gemäß angenommen. Abbas
verlangt von den Vereinten Nationen, Israel
in Schranken zu weisen. "Beschützen Sie
uns", verlangte Abbas, ohne konkret zu
werden. Die Rede fand vor dem Hintergrund
der Gewalt in Nahost statt. In Israel und
den Palästinenser-Gebieten waren nach
UN-Angaben in den vergangenen Wochen 58
Palästinenser und 11 Israelis durch Gewalt
ums Leben gekommen.
Auf dem weniger als einstündigen
Sondertreffen des UN-Gremiums zum Schutz der
Menschenrechte sagte Abbas: Die israelische
Besatzungsmacht und israelische Siedler
seien für Plünderungen, Folter, Terror und
Tötungen verantwortlich. Der Präsident warf
den Israelis vor, die Palästinenser
kollektiv zu bestrafen. Die Zerstörung von
Häusern, die Vertreibung und
Massenverhaftungen müssten gestoppt werden.
Die israelischen Siedlungen in den
Palästinensergebieten würden nach einem
kolonialen Plan errichtet. Zudem ermutige
die israelische Regierung die Siedler, mit
Gewalt gegen die Palästinenser vorzugehen.
Damit verletze Israel systematisch und
fortwährend das Völkerrecht. Israel "agiert
als ein Staat über dem Gesetz", erklärte
Abbas.
Der Palästinenserpräsident attackiert
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu
persönlich für dessen Äußerungen zum
Holocaust der Nazis. Netanjahu versuche den
NS-Diktator Adolf Hitler von der
Judenvernichtung frei zu sprechen und
schiebe die Schuld den Palästinensern in die
Schuhe, erklärte Abbas. Netanjahu hatte
erklärt, der damalige Großmufti von
Jerusalem, Amin al-Husseini, habe Hitler
während des Zweiten Weltkriegs zur
Ausrottung der Juden angestachelt.
Abbas unterstrich: Ziel aller Bemühungen
müssten zwei unabhängige Staaten sein, die
friedlich und gleichberechtigt nebeneinander
existierten.
----------- soweit das "Schwäbische
Tagblatt" -------------------------
Vom "Kampf gegen Phantome - Die
Administrativhaft" schrieb ich schon vor
Jahren. Das Prinzip der
Administrativhaft stützte sich auf eine
Verfügung des militärischen Befehlshabers
der besetzten Gebiete oder des Generalstabs
in Israel (bis das Gesetz geändert wurde)
oder des Verteidigungsministers. Wer eine
solche Haftanweisung erlassen konnte, war
nicht verpflichtet, irgendetwas mit
gerichtsfesten Beweisen zu belegen. Es
genügten Verdachtsmomente oder Erwägungen,
die sich auf vertrauliche Informationen des
Sicherheitsdienstes stützen, die darauf
hinweisen, dass die Person eine Gefährdung
für die Sicherheit in den besetzten Gebieten
darstelle.
Ich werde nicht mehr über diese Art der Haft
referieren, denn Sie haben hier doch eine
Ausstellung darüber. Stattdessen möchte ich
über die Opfer, meine damaligen Mandanten,
etwas sagen. Meistens waren es
links-orientierte Palästinenser, die - trotz
allem - mit Israel, aber ohne die Besatzung,
Frieden schließen wollten.
Ich beschreibe so eine Gruppe von 1974: -
"Folter" - Unter der totalen Abschirmung
des Sicherheitsdienstes fanden 1974 die
Verhöre der "Nationalen Front"-Häftlinge
statt - einem Bündnis palästinensischer
Organisationen in den besetzten Gebieten.
Solcher Häftlinge wie Suleiman Al-Najab,
Husni Hadad, Djasan Harb, Abd Al-Majid,
Hamdan und Khalil Hijasi. Unter ihnen
Kommunisten und andere, die bereits die
"Behandlungen" des jordanischen Regimes
beziehungsweise seiner berühmt-berüchtigten
Geheimpolizei vor dem Sechstagekrieg 1967
kennengelernt hatten. Das, was sie nach
ihren Worten in der aufgeklärtesten aller
Demokratien erlebt haben, soll das
Allerschlimmste gewesen sein.
Suleiman Al-Najab, in Administrativhaft, war
lediglich bereit, seinen Namen und die
Nummer seiner Identitätskarte anzugeben, und
dafür zahlte er den Preis: Nach den "Falaka",
fürchterlichen Schlägen auf die Fußsohlen,
zwangen ihn seine Verhörer, in den Korridor
zu gehen, wobei sie ihn ständig hin- und
herstießen. Sie fesselten ihn nackt an einen
Stuhl, fesselten seine Hände mit
Handschellen hinter dem Rücken. Einer seiner
Folterer stellte sich mit dem ganzen
Körpergewicht auf die Handschellen, was das
Opfer vor Schmerz hochspringen ließ. Andere
Peiniger schlugen dann auf sein
Geschlechtsteil.
Die Augen von Suleiman blieben 15 Tage lang
ununterbrochen verbunden. Sein rechtes Bein
wurde mit einer Kette von 30 Zentimetern
Länge an die Eisentür seiner Zelle
angebunden. Turnusmäßig wurde er, total
nackt, mit einem dicken langen Stock
geprügelt. Das Essen war eine abscheuliche
Masse aus undefinierbaren Bestandteilen,
aber er nahm das Zeug zu sich, um die Qualen
durchstehen zu können.
Ich habe nach vielen Tagen und großen
Bemühungen die ganze Gruppe im
Jalame-Gefängnis (neben Haifa) schließlich
zu sehen bekommen, in Anwesenheit von dem
Shin-Beith-Agenten mit Namen Abu Nabil.
Alle meine Mandanten wurden gefoltert, ich
habe die Spuren gesehen. Manche waren nicht
im Stande zu gehen, weil ihre Fußsohlen
durch Schläge verletzt worden waren. Abu
Nabil hat diese Wunden auch gesehen. Einer
von der Gruppe, Khalil Hijazi, hat erzählt,
dass er am meisten geschlagen wurde, wenn er
über den Frieden gesprochen hat...
So friedensresistent war der Besatzer,
jahrelang...
Ich habe damals den höchsten Gerichtshof mit
einer Klage gegen die Folterer angerufen.
Die Staatsanwaltschaft hat eine Erklärung
von Abu Nabil, der dasselbe wie ich gesehen
hatte, vorgelegt, die besagte, dass alles,
was ich und meine Mandanten sagten, Lügen
seien... Es war wie ein Schlag ins Gesicht.
Die Klage wurde abgelehnt.
Und man foltert weiter. Die
Administrativhaft ist weiterhin ein Mittel,
das für den israelischen Besatzer legitim
ist, sogar für Minderjährige... Alles
geschieht, weil die Welt noch immer
schweigt. Und das Schweigen angesichts von
Unrecht ist eine Art Mittäterschaft!
Deshalb ist es so wichtig, die Stimme zu
erheben und die Lügen zu entlarven. Und
deshalb soll man diese Ausstellung überall
zeigen. ÜBERALL! Deshalb ist der Aufruf von
Präsident Mahmoud Abbas vor dem
UNO-Menschenrechtsrat so wichtig:
"Beschützen Sie uns!" Und seine Bitte an die
Welt, Israel Grenzen zu setzen. "Es ist
höchste Zeit, du liebe Welt", sagt die
Stimme unseres Herzens...