Aus aktuellem Anlass eine Pressemitteilung von medico
international über ein humanitäres Entwicklungsprojekt von
medico und der israelischen Organisation Comet-ME. Dazu einen
Beitrag über das Projekt, sowie Hintergründe über die Lage in
jenen 60% der Fläche der Westbank, die nach wie vor und seit
1967 unter direkter israelischer Verwaltung stehen. Die
Weiterleitung und Veröffentlichung (unter Angabe der Quelle:
www.medico.de) dieser Beiträge ist erlaubt und erwünscht.
Mit den besten Grüßen Tsafrir Cohen
Israel will von Deutschland
finanzierte humanitäre Projekte im Westjordanland abreißen
"Verdrängung durch gezielte
Rückentwicklung"
Israelische Behörden wollen im
Westjordanland humanitäre Projekte, die mit deutschen Mitteln
finanziert werden, im Wert von mehr als 200.000 Euro abreißen
lassen. Betroffen sind Windkraft- und Solaranlagen, welche die
Frankfurter Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico
international in Zusammenarbeit mit der israelischen
Organisation Comet-ME in palästinensischen Dörfern der
Südhebronhügel errichtete. Finanziert werden die Projekte aus
Spendengeldern und mit finanzieller Unterstützung des Deutschen
Auswärtigen Amts.
Rund 1.500 Palästinenser sind von
der dezentralen, regenerativen Energieversorgung abhängig, da
die israelische Administration ihnen den Anschluss an die
bestehenden Wasser- und Stromleitungen in den sog. C-Gebieten,
entgegen dem Humanitären Völkerrecht, verweigert. "Die
israelischen Behörden fördern dort zwar die jüdischen Siedlungen
mit großzügigen Subventionen, genehmigen Palästinensern aber
nicht den Bau von Kindergärten oder Gesundheitseinrichtungen",
kritisiert medico-Nahostreferent Tsafrir Cohen.
Cohen erläutert: "Der drohenden
Abriss ist Ausdruck einer Politik der gezielten Rückentwicklung.
Die israelische Administration macht der palästinensischen
Bevölkerung das Leben in den C-Gebieten unmöglich. Sie werden so
in die dichtgedrängten städtischen Enklaven Ramallah oder Hebron
verdrängt.“ Aber ohne den ländlichen Raum der C-Gebiete –
immerhin 60 Prozent der Westbank – ist kein lebensfähiger
palästinensischer Staat möglich, da sind sich Bundesregierung,
EU, UN und Weltbank einig. Mit dieser Abrissprozedur erteile, so
Cohen, die israelische Politik einer Zweistaatenlösung faktisch
eine Absage.
Ein widerständiges Projekt gegen die
Verdrängung
Israelisch-palästinensische
Solidarität im Zeichen erneuerbarer Energien
Wadha An-Najjar stößt den an der
Decke hängenden Sack aus gegerbter Ziegenhaut, der frische
Ziegenmilch enthält, mit kräftigen Bewegungen hin und her. So
lange, bis die flüssige Milch zu Joghurt oder Butter gerinnt.
Diese anstrengende, langwierig anmutende Tätigkeit ist für sie
Routine. Aber seit sie und ihre Familie über Strom in ihrem Zelt
verfügen, muss sie diese nicht täglich ausüben, sondern kann die
frisch produzierte Butter oder den Joghurt aus Schafsmilch, den
die Familie auf dem Markt verkauft, kühl stellen. Neben dem
Kühlschrank steht ein Fernsehgerät, und in den langen
Winterabenden kann sich Wadha jetzt die geliebten jordanischen
TV-Serien über Beduinenfamilien anschauen, während die Kinder
auch nach Sonnenuntergang ihre Hausaufgaben machen können, bevor
die gesamte Familie beim Abendbrot das Brot, das sie essen, auch
sehen können.
Die Südhebronhügel: Mechanismen der
Verdrängung entlang ethnisch-religiöser Zuordnung
Die einfachen Vorteile einer
Stromversorgung konnten Wadha An-Najjar und die anderen Bewohner
des kleinen Dorfs Qawawis lange Jahre nicht genießen. Wie
mehrere Tausend andere Bewohner palästinensischer Gemeinden in
der atemberaubenden Wüstenlandschaft der Südhebronhügeln leben
sie in bitterster Armut. Ihre Hütten, Zelte und traditionellen
Höhlenwohnungen haben weder Strom- noch Wasseranschluss. Denn
hier, ganz im Süden des von Israel besetzten Westjordanlands
verläuft die Elektrifizierung entlang ethnisch-religiöser
Grenzen. Den Anschluss an die Stromtrasse – in Blickweite
gelegen, versorgt sie die nahen, seit Jahren wachsenden
jüdischen Siedlungen – hat die Besatzungsbehörde verboten.
Mancher Familienverband lebt hier
seit dem 19. Jahrhundert, andere flüchteten hierher während des
Kriegs 1948 aus dem heutigen Israel. Sie hatten ihre Häuser, ihr
Land und ihre Einkommensquellen verloren. Mit dem wenigen Geld,
das sie bei sich hatten, erstand manche Flüchtlingsgemeinde ein
Stück Land. In dieser von Wassermangel gezeichneten
Halbwüstenregion bedeutete dies, dass sie dazu verurteilt waren
von der Ziegen- und Schafzucht zu leben. Das Land anbauen
konnten sie lediglich während des sehr kurzen Frühlings.
Zwei Jahrzehnte später, 1967 wurde
die Westbank von Israel erobert. Bald zogen die ersten
israelischen Siedler in die Region. Nach und nach bemächtigten
sie sich des Lands. Eingezwängt durch Zugangstraßen zu den
Siedlungen, geschlossene Militärgebiete und jüdische Siedlungen
blieb den palästinensischen Gemeinden immer weniger Weideland.
Gleichzeitig erkennt die israelische Administration die
palästinensischen Dörfer nicht an. Sprich, für die israelische
Bürokratie existieren sie einfach nicht. Folglich gibt es keine
genehmigten Bebauungspläne für diese Gemeinden. Daraus ergibt
sich automatisch, dass alle Infrastruktur illegal ist, und jede
noch so kleine Baumaßnahme eine Gesetzesübertretung darstellt.
Immer wieder rücken israelische Bulldozer ein und zerstören hier
eine ärmliche Behausung, dort ein Toilettenhäuschen oder eine
einfache Wasserzisterne zum Sammeln von Regenwasser, die die
Palästinenser notgedrungen ohne Genehmigung bauen.
Während sich die palästinensischen
Bewohner an das Leben zwischen dem Schütt abgerissener Hütten
gewöhnen müssen, wachsen die nahe gelegenen israelischen
Siedlungen. Symmetrische Reihen von Einfamilienhäusern,
einheitliche rote Ziegeldächer und Vorgärten. Die Straßen zu den
Siedlungen sind frisch asphaltiert, die Versorgung mit Wasser
und Strom ist auf dem letzten Stand der Technik. Eine hübsche
Postkartenidylle. Sauber durch Zäune getrennt von den vielerorts
wenige Meter entfernt liegenden palästinensischen Gemeinden.
Die C-Gebiete: Gezielte
Rückentwicklung
Die palästinensischen Bewohner in
den Südhebronhügeln haben das Pech, wie 150.000 weitere
Palästinenser in den C-Gebieten zu leben. Anfang der 1990er
Jahren schlossen Israel und die Palästinensische
Befreiungsorganisation PLO die Osloer (Friedens)Verträge. Die
besetzten Gebiete sollten - so verstand es die
Weltöffentlichkeit jedenfalls - stufenweise an neu zu
schaffenden palästinensischen Autoritäten übergeben werden. Die
dicht bevölkerten Palästinensergebiete wurden als A- und
B-Gebiete deklariert und sind seitdem der palästinensischen
Autonomiebehörde zivilrechtlich unterstellt. Fast genau 60% des
Westjordanlands wurden als C-Gebiet deklariert und unterliegen
der direkten israelischen Verwaltung. Doch, was in aller Welt
als die erste Stufe hin zum Aufbau eines Staats Palästina
verstanden wurde, ist zwei Jahrzehnte später zu einer
Dauereinrichtung ausgeartet. Mit schwerwiegenden humanitären
Konsequenzen.
Da Israel in diesen Gebieten die
staatliche Macht darstellt, hätten die israelischen Behörden
hier die Verantwortung für das Wohl der Bevölkerung. Doch
während sie die israelischen Siedlungen großzügig
subventionieren, verknappen sie systematisch den Zugang der
palästinensischen Gemeinden zu Wasser und Land, verbieten den
Anschluss der Häuser ans Stromnetz oder den Bau von Kindergärten
oder Gesundheitseinrichtungen. Mit dieser Politik einer
gezielten Rückentwicklung verdrängt die israelische
Administration die palästinensische Bevölkerung in die
dichtgedrängten städtischen Enklaven, etwa Ramallah oder Hebron.
Aber ohne den ländlichen Raum dazwischen ist weder Entwicklung
für die Palästinenser, geschweige denn ein lebensfähiger
palästinensischer Staat möglich. Stattdessen entstand ist der
größte Teil der Westbank zu einem Raum geworden, in dem entlang
ethnisch-religiöser Zuordnung zwei Rechtsordnungen für zwei
Bevölkerungsgruppen nebeneinander bestehen. Hier setzen medico
und seine lokalen Partner an, um grundlegende humanitäre Hilfe
zu leisten und darüber hinaus die politischen, sozialen und
ökonomischen Menschenrechte zu verteidigen – und damit die
erzwungene Segregation der Palästinenser zurückzudrängen.
Unerwartete Solidarität
Etwa mit der israelischen
Organisation Comet-ME. Gegründet wurde sie von Noam Dotan und
Elad Orian, zwei jüdisch-israelischen Aktivisten, die sich mit
der israelischen Politik nicht abfinden wollten. Sie kennen die
Südhebronhügeln seit langem und wollten mehr tun als nur gegen
die unhaltbaren Zustände demonstrieren. Die beiden Physiker
gründeten Comet-ME, um den palästinensischen Gemeinden auf den
Südhebronhügeln mit Strom zu versorgen. Da feste Stromnetze
verboten sind, kamen sie auf die Idee mit alternativen
Energiequellen zu arbeiten. Nach einem Pilotprojekt mit
alternativen Energien im Dorf Susya konnten Comet-ME und medico
mithilfe des Deutschen Auswärtigen Amts, das sich stark für das
Projekt engagierte und 2009-10 ca. 170.000€, 2011-12 413.000€
zur Verfügung gestellt hatte, mit großangelegten Projekten
beginnen. In jedem dieser Projekte wurden jeweils in fünf
Gemeinden Wind- und Solaranlagen installiert. Diese haben die
beiden Aktivisten aus Hunderten von Einzelteilen selber gebaut,
um Geld zu sparen. Tage- und nächtelang tüftelten sie an für
jede Gemeinde maßgeschneiderten Anlagen. In jedem Dorf
installierten sie die Anlagen unter reger Beteiligung der
gesamten Gemeinde. Wochenlang übernachteten sie in den Dörfern.
Zu Hilfe kamen palästinensische Studenten aus einer technischen
Fachhochschule in Hebron, die gleichzeitig gelernt haben, wie
Solar- und Windanlagen funktionieren und wie diese zu warten
seien. Auch einige der Dorfbewohner wurden ausgebildet, damit
sie künftig die Anlagen warten können.
Insgesamt mehr als 800 Menschen
haben heute eine Basisstromversorgung: Es gibt auch abends
Licht, Handys können aufgeladen werden, Kühlschränke ermöglichen
längere Aufbewahrung von Lebensmitteln für den Eigenbedarf sowie
für den Verkauf von Milchprodukten. Die Frauen der Dörfer müssen
nicht mehr täglich zwei bis drei Stunden Schaffsmilch schlagen,
um Schaffsbutter und Joghurt herzustellen.
„Am Abend auf die Hügel zu schauen
und zu sehen, wie die Lichter aufgehen, ist ein ganz besonderes
Gefühl“, sagt Noam. „Das Projekt war aber mehr. Es hat das Leben
der Menschen hier ungemein erleichtert, doch wir sollten uns
keine Illusionen machen: Die Verdrängungsmechanismen der
Besatzung werden ihr Leben und die Entwicklung ihrer Gemeinden
weiter tangieren, aber das Licht in ihren Dörfern ist ein
Zeichen für ihren Widerstand, der darin besteht, dass sie
einfach bleiben und sich nicht verdrängen lassen. Und für
unseren Widerstand, die Verdrängung nicht zu akzeptieren“. Auch
die innere Verfassung der Gemeinden hat sich verändert: Nach
jahrelanger Zermürbung und Vernachlässigung haben sie kaum noch
als Gemeinden existiert. Ohne kommunale Einrichtungen versuchte
jede Familie zu überleben, sich nicht vom eigenen Stück Land
verdrängen zu lassen. Kommunale Einrichtungen gibt es ja keine.
Die Projekte boten ihnen die Möglichkeit, nicht nur sich selbst
zu helfen sondern wieder als eine Gemeinde zu agieren. Die
Projekte könnten diese Entwicklung auch langfristig sichern.
Solar- und Windanlagen sind nachhaltige, umweltschonende
Energiequellen, doch sie sind pflegebedürftig. Alle Nutzer
müssen deshalb für ihren Strom zahlen. Das Geld fließt in eine
gemeinsame Kasse, mit deren Hilfe künftige Reparaturen gedeckt
werden. Damit hat jede Gemeinde weiterhin ein Projekt, an dem
sie gemeinsam arbeiten kann.
Die israelische zivil-militärische
Administration schlägt zurück
Bislang wurden diese Projekte von
der Abrisswut der israelischen Behörden verschont. Doch jetzt
erließ die israelische Ziviladministration einen Baustopp. Es
sind insgesamt fünf Gemeinden und 500 Menschen hiervon
betroffen. Drei dieser Anlagen, in den Gemeinden Qawawis,
Tha’lah und Shi’b Al-Butum wurden im Rahmen der Zusammenarbeit
von Comet-ME und medico und finanziert durch das Deutsche
Auswärtige Amt 2011 installiert. Die Baustopp-Verfügungen gelten
als die erste Stufe einer fast automatischen Prozedur, an deren
Ende ein Abriss steht. medico und seine Partner werden alles
versuchen, um diesen zu verhindern. Wir werden Widerspruch
einlegen und wenn nötig bis zum Obersten israelischen
Gerichtshof gehen.
Doch auch hierzulande müssen wir
verstehen: Wenn bei Wadha An-Najjar und ihrer Familie der Abriss
kommt, so gehen nicht nur bei ihnen die Lichter aus. Hier wird
gezielt daran gearbeitet, die Palästinenser als Individuen und
als Kollektiv aus den C-Gebieten zu vertreiben und diese an
Israel anzuschließen. Doch ohne die C-Gebiete, immerhin 60% der
Westbank kann es keinen palästinensischen Staat geben, da sind
sich Bundesregierung, EU, UN und Weltbank einig. Mit dieser
Abrissprozedur erteilt die israelische Politik einer
Zwei-Staaten-Lösung faktisch eine Absage.
Projektstichwort:
Das expansive israelische Enklavensystem droht einem
künftigen Palästina allenfalls umstellte Gebiete zu
überlassen. Dagegen verteidigen die lokalen medico-Partner
in Tel Aviv, Ramallah und Gaza die politischen, sozialen und
ökonomischen Menschenrechte. Ihre Kooperation und ihre Hilfe
ist konkret: Freier Zugang zu Gesundheitsdiensten ohne
ethnische und nationale Zuschreibungen, basismedizinische
Nothilfe und nachhaltige Entwicklungsarbeit. Dabei geht es
immer auch darum Wege zu finden, wie dem fast perfekten
System von Aus- und Einschlüssen entkommen werden kann.
Damit Gewalt und Abgrenzung ein Ende haben. Das
Spendenstichwort lautet:
Israel-Palästina.
Spendenkonto
von medico international: Kontonummer 1800, Frankfurter
Sparkasse, BLZ 500 502 01
Fakten über die C-Gebiete
C-Gebiete im Westjordanland (Quelle: UN-OCHA)
Was sind die C-Gebiete?
In Übereinstimmung mit den Osloer
Verträgen Anfang der 1990er Jahre wurde die Westbank wie folgt
aufgeteilt:
-
A-Gebiete (18% des Gesamtgebiets, über 50% der
Gesamtbevölkerung) unter palästinensischer Zivil- und
Sicherheitsverwaltung
-
B-Gebiete (20% des Gebiet, über 40% der Bevölkerung) unter
palästinensischer Zivilverwaltung und gemeinsamer
israelisch-palästinensischer Sicherheitsverwaltung
-
C-Gebiete (62% des Gebiets, ca. 6% der Bevölkerung) unter
fast voller israelischer Zivil- und Sicherheitsverwaltung
Im C-Gebiet befinden sich die freien
Flächen der Westbank, in denen Entwicklung stattfinden kann
sowie große Teile der agrarwirtschaftlichen Fläche. In den
C-Gebieten leben auch etwa 150.000 Palästinenser in 149 zumeist
kleinen Gemeinden. Die C-Gebiete nehmen nicht nur geografisch
den Löwenanteil der Westbank ein. Sie stellen das einzige
zusammenhängende Gebiet der Westbank dar. Es umschließt die
dicht bebauten A- und B-Gebiete, in denen sich alle
palästinensischen Städte befinden sowie viele der Dorfkerne.
Diese sind wie Dutzende Inseln voneinander durch C-Gebiet
getrennt. Ohne die C-Gebiete – so Weltbank, UN und EU
übereinstimmend – besteht das palästinensische Gebiet aus
geographisch nicht zusammenhängenden Enklaven. Folglich kann es
für die Palästinenser keine nachhaltige Entwicklung, wird es
keinen palästinensischen Staat ohne die C-Gebiete geben.
Gleichzeitig umschließen die
C-Gebiete alle israelischen Siedlungen im Westjordanland
außerhalb Ostjerusalems. 1972, fünf Jahre nach der Eroberung des
Westjordanlands lebten in den heutigen C-Gebieten 1.200
israelischen Siedler. Als die Osloer Verträge 1993 abgeschlossen
wurden, waren es schon 110.000, und in den Jahren danach
verdreifachte sich die Zahl auf etwa 310.000 in über 200
Siedlungen im Jahr 2010 (Dazu kommen weitere 200.000 in
Ostjerusalem). Ihre Zahl vergrößerte sich im letzten Jahrzehnt
um 5,3% jährlich.
Wer herrscht über die C-Gebiete?
Die israelische
Ziviladministration. Diese
ist für die Verwaltung und die
öffentliche Ordnung, für Wohlfahrt und Förderung von
Palästinensern wie israelischen Siedlern in den C-Gebieten
verantwortlich. Ihre Mitarbeiter sind israelische Soldaten und
israelische Zivilisten. Eine formelle palästinensische
Vertretung ist nicht vorgesehen. Im Gegensatz zu den
israelischen Siedlern, deren Gemeindekomitees autorisiert sind
Baugenehmigungen zu erteilen. Alle Planungen – auf lokaler wie
regionaler Ebene - finden ohne palästinensische Beteiligung
statt. Diese Planungsprozesse berühren jeden Aspekt des Lebens
der in den C-Gebieten lebenden palästinensischen Individuen wie
der einzelnen Gemeinden. Die Ziviladministration herrscht also
de facto über alle zivilen Belange in den C-Gebieten. Sie
beeinflusst direkt und indirekt den humanitären, materiellen,
gesellschaftlichen und psychologischen Zustand der Palästinenser
und entscheidet allein über Entwicklung oder Rückentwicklung
aller Individuen und Gemeinwesen in den C-Gebieten.
Ein System der Verdrängung und
Segregation
Mithilfe unterschiedlicher
administrativer Maßnahmen und Planungsverordnungen dezimierte
die Besatzungsadministration die palästinensische Präsenz im
ländlichen Gebiet, den heutigen C-Gebieten schon vor Abschluss
der Osloer Verträge. So lebten allein im Jordantal, zum größten
Teil als C-Gebiet deklariert, vor 1967 200.000 bis 320.000
Palästinenser; heute sind es nur noch 56.000, von denen etwa 70%
in der Enklave Jericho leben, also im A-Gebiet.
Seit Abschluss der Osloer Verträge
verhärtete sich die Genehmigungspolitik der israelischen
Administration. So erhielten lediglich 5,6% der Bauanträge in
den Jahren 2000-07 auch eine Genehmigung. Die israelische
Planungspolitik verhindert die Errichtung palästinensischer
Infrastruktur in den C-Gebieten: In 70% der C-Gebiete ist jede
Bebauung verboten, und in der Praxis erlaubt die israelische
Ziviladministration den Bau von lediglich 1% des C-Gebiets, das
aber so gut wie voll ausgebaut ist. Von den 149
palästinensischen Dörfern haben 131 keine Bebauungspläne
jenseits von Plänen aus der britischen Mandatzeit aus den
1940ern. Diese entsprechen keinesfalls den heutigen Realitäten
und werden lediglich restriktiv genutzt, sprich um jede neue
Infrastrukturmaßnahme für illegal zu erklären. Zudem wurde über
ein Drittel des C-Gebiets durch die israelische Administration
als Naturschutzgebiet oder als geschlossenes Militärgebiet
deklariert. Palästinenser dürfen diese Gebiete folglich nicht
nutzen, in der Regel nicht einmal betreten. Darüber hinaus
dürfen Palästinenser die israelischen Siedlungen nicht betreten;
auch breite Pufferzonen um die Siedlungen – früher Weide- und
Anbauflächen der Palästinenser - sind für Palästinenser tabu.
Die israelische Regierung
subventioniert und fördert dagegen Häuserbau, Bildungs-, Wasser-
und Verkehrsinfrastruktur in den wachsenden israelischen
Siedlungen im Westjordanland. Diese sind zu 40% auf privatem
palästinensischem Land gebaut und hindern so palästinensische
Entwicklung. Gleichzeitig forciert Israel die Verstaatlichung
von Land. Dieses Land stellt die zivile Administration jedoch
fast exklusiv für den israelischen Siedlungsausbau bereit.
Da Infrastruktur kaum gebaut werden
kann, müssen die Palästinenser auf intensive Landwirtschaft,
Industrie oder Tourismus im C-Gebiet verzichten. Übrig bleibt
eine wenig intensive Landwirtschaft – saisonales Gemüse und
Viehzucht. Während seit 2010 45 einfache Zisternen und
Regenwasserauffangsysteme palästinensischer Dorfbewohner
zerstört wurden, haben die israelischen Siedlungen im Jordantal
– zum größten Teil C-Gebiet - eine intensive Landwirtschaft vor
Ort aufgebaut, vor allem für den Export. Sie beanspruchen das
Meiste Wasser der Region: Allein die etwa 10.000 israelischen
Siedler des Jordantals nutzen ein Drittel des Bedarfs der
gesamten palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland (2,5
Millionen Menschen). Zu Vorzugspreisen: Der Wasserpreis ist bis
zu 75% subventioniert. Während jeder
Siedler täglich 487 Liter Wasser für den privaten Verbrauch zur
Verfügung hat, stehen den Palästinensern in der Westbank
durchschnittlich 70 Liter zur Verfügung, vielen Bewohner der
Gemeinden im C-Gebiet im Jordantal lediglich 20 Liter – nach den
Standards der Weltgesundheitsorganisation die Menge, die
benötigt wird um bei akuten humanitären Krisen, zu überleben,
aber weit unter der empfohlenen Menge von 100 Litern.
Da sie kaum Genehmigungen erhalten,
leben, arbeiten, spielen, lernen Abertausende Palästinenser in
den C-Gebieten in von der Administration nicht genehmigten
Bauten. Die israelische Administration reagiert mit Abrissen:
Seit 2000 wurden mehr als 4.800 palästinensische Häuser und
andere Bauten (Schulen, Tierunterstände, Lagerräume,
Wasserzisternen, Toiletten, Kinderspielplätze etc.) abgerissen.
11% der Palästinenser in den C-Gebieten mussten seit 2000 ihr
Haus mindestens einmal verlassen. Tausende Menschen sind nach
wie vor akut bedroht von Vertreibung. Allein zwischen 2009 und
Mitte 2011 waren es 1.072, dazu wurden Olivenhaine und Obst- und
Gemüsestände zerstört.
Der Mangel an Genehmigungen und
Entwicklung sowie die Abrisspolitik führen zu einer erzwungenen
Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung aus den
C-Gebieten.
Internationales Recht
Das humanitäre
Völkerrecht – so die internationale Gemeinschaft – gilt für die
besetzten Palästinensergebiete als Ganzes und für die C-Gebiete
im Besonderen, da letztere unter direkter israelischer
Verwaltung und Juristiktion stehen. Dem humanitären Völkerrecht
nach trägt Israel als Besatzungmacht die Verantwortung für die
Sicherstellung der Grundbedürfnisse der unter Besatzung lebenden
Bevölkerung. Israel ist dazu verpflichtet die Besatzung so zu
administrieren, dass die gesamte lokale Bevölkerung davon
profitiert und darf eigene Bevölkerung nicht in diese Gebiete
ansiedeln. Gemäß internationalem Recht darf sich eine
Militärbesatzung kein Land durch Gewalt oder Drohung aneignen.
Vielmehr muss sie Einrichtungen und Dienstleistungen zur Deckung
des humanitären und des Grundbedarfs schützen und entsprechende
Arbeit begünstigen. Die Besatzungsmacht darf für Hilfsleistungen
Bedingungen stellen, doch dies darf nur aus Sicherheitsgründen
und in gutem Glauben, sprich weder willkürlich noch als
Vergeltung gegen die Bevölkerung oder Hilfspersonal geschehen.