Wer in den vergangenen
Wochen die Medien in Hinblick auf
die Berichte über die in Österreich
tätigen muslimischen und
palästinensischen Vereine verfolgte,
fühlte sich an Heinrich Bölls
verlorene Ehre der Katharina Blum
erinnert. Wie in Bölls Roman
diffamierte ein geltungssüchtiger
und skrupelloser Journalist der
WIENER ZEITUNG einzelne Personen und
pauschal den Verein
Palästinensische Vereinigung in
Österreich sowie die
Palästinensische Humanitäre
Vereinigung mit falschen,
unsachlichen und boshaften
Anschuldigungen. Ziel dieser
Berichte ist nicht wie angegeben
einen "sicherheitspolitischen
Skandal" journalistisch aufzudecken,
sondern mittels übler Nachrede,
unhaltbarer Verdächtigungen und
böswilligen Unterstellungen gegen
palästinensische und muslimische
Vertreter in Österreich einerseits
Druck auf die sozialdemokratische
Politik in Österreich auszuüben,
andererseits die humanitäre Arbeit
der angegriffenen Personen und
Organisationen zu sabotieren. Die an
Rufmord grenzenden Methoden der
Berichte wurden unhinterfragt von
anderen österreichischen Medien -
wenn auch in abgeschwächter Form -
aufgegriffen. Trotz gegenteiliger
Erkenntnisse der österreichischen
Sicherheitsbehörden könnten diese
Anspielungen und Verleumdungen in
der öffentlichen Meinung bestehen
bleiben. Wir wollen der
diskreditierenden Anschuldigung der
"Unterstützung des Terrorismus"
unsere konkrete Kenntnis
entgegenstellen, um so mehr als wir
die Palästinensische Humanitäre
Vereinigung kennen und schätzen,
und als Einzelpersonen und als
Verein für antirassistische und
friedenspolitische Initiative durch
Übernahme von Kinderpatenschaften
unterstützen. Darüber hinaus fühlen
wir uns als Verein, der seit Jahren
bildungspolitische und humanitäre
Arbeit auf diesem Gebiet leistet
gefordert Stellung zu beziehen,
nicht zuletzt da wir im März 2007
Ahmed Al Kurd, den Bürgermeister der
Stadt Deir Al Balah im Gazastreifen
und Vertreter der palästinensischen
Hilfsorganisation Al Salah
nach Wien eingeladen haben, und auch
gegen Ahmed Al Kurd als Person
Behauptungen erhoben wurden, die ihm
Nähe zum Terrorismus unterstellen.
Die Anschuldigen des Journalisten
beziehen sich im wesentlichen auf
Aussagen von palästinensischen
Einzelpersonen und auf Listen des
CIA und der US-Regierung.
Offiziell wurden diese Listen - wie
zum Beispiel die US Department of
Treasury Anti Terrorist Financing
Guidelines: Voluntary best practices
for US-based charities" (erstmals
erschienen im Jahr 2002) -
veröffentlicht, um die Verwendung
von Entwicklungszahlungen für
terroristische Zwecke zu verhindern.
De facto aber bedeuten sie die
Übernahme der Kontrolle über NGOs,
damit Gelder nur für Projekte und
Empfänger verwendet werden, die
direkt den US-amerikanischen
imperialen Interessen dienen. Nicht
zuletzt deshalb wurden diese
Richtlinien von den meisten NGOs in
den USA zurückgewiesen, da sie zu
einer direkten Einflussnahme durch
die Regierung führen. Dennoch kam
dieser Versuch des Eingriffs in die
Arbeit der NGOs in weiteren,
überarbeiteten Versionen noch
deutlicher zum Tragen. Dessen
ungeachtet werden diese
"Richtlinien" und andere bedenkliche
"Listen", auf denen die derzeitige
US-Regierung und der CIA auch völlig
unbescholtene Personen als angeblich
"terrorverdächtig" führen, in diesem
konkreten Fall leider von einem
österreichischen Journalisten
herangezogen, um NGOs und
Einzelpersonen zu diffamieren und
ihre humanitäre Arbeit zu behindern.
Obwohl es nicht den geringsten
Anhaltspunkt für eine tatsächliche
Unterstützung von terroristischer
Aktivität gibt, wird politischer und
medialer Druck ausgeübt. Für die
Betroffenen bedeutet dies schwierige
Prozesswege bestreiten zu müssen;
selbst Bankinstitute werden unter
Druck gesetzt - ähnlich dem
skandalösen Fall der angedrohten
Kontenauflösung bei kubanischen
Kunden nach der Übernahme der
Bawag-PSK-Gruppe durch den
US-amerikanischen Konzern Cerberus.
Alles in allem sind dies bewusste
Versuche, die Arbeit der NGOs zu
behindern oder gar vollständig zu
blockieren.
Charakteristisch für humanitäre
Organisationen, wie die
Palästinensische Humanitäre
Vereinigung oder auch die Al
Salah Islamic Society ist nicht,
dass sie bestimmten Parteien nahe
stehen, geschweige denn
terroristische Aktivitäten
unterstützen, sondern ihre
Besonderheit ist, dass sie
unabhängig von großen westlichen
Geldgebern arbeiten können und ihre
Hilfe bedürftigen Teilen ganz
konkret der palästinensischen
Gesellschaft zukommt, unabhängig von
Parteizugehörigkeit, politischer
Meinung oder Religionszugehörigkeit.
Mit dem Versuch gerade muslimischen
humanitären Einrichtungen immer
wieder die Nähe zu Terrorismus zu
unterstellen sind auch
kulturhegemoniale und rassistische
Implikationen verbunden: Islamische
Vereinigungen, deren Finanzierungs-
und Verteilungssystem,
Bildungsinstitutionen oder Formen
der sozialen Unterstützung nicht
westlichen Vorstellungen
entsprechen, sondern genuin
arabischer Herkunft sind, werden
besonders stark unter Druck gesetzt
oder sogar - ohne jeden Grund -
kriminalisiert.
Nach der Aussetzung der
Entwicklungszahlungen im Jahr 2006
und insbesondere auch jetzt nach den
Ergebnissen von Annapolis zeigen die
USA - und leider in ihrem Gefolge
auch die Europäische Union -, dass
nur ein bestimmter, kleiner und kaum
repräsentativer Teil der
palästinensischen politischen
Landschaft unterstützt werden soll.
Dieser Teil rund um die Gefolgschaft
des Präsident Mahmoud Abbas
repräsentiert aber definitiv nicht
die gesamte palästinensische
Gesellschaft, die sich gerade durch
eine demokratische Vielzahl an
Parteien, politischen Strömungen und
zivilgesellschaftlichen Initiativen
auszeichnet. All jene
gesellschaftlichen Segmente welche
die US-Interessen und US-Erlasse
nicht widerspruchslos erfüllen,
sondern eine eigenständige
gesellschaftliche Entwicklungen in
Palästina anstreben und sich nicht
dem Diktat der USA, der
Besatzungsmacht Israel, der Weltbank
oder dem IWF ausliefern wollen,
sollen isoliert und zerschlagen
werden. Der Druck auf humanitäre
Organisationen dient letztlich dazu
politische Ziele durchzusetzen:
Westliche Geldgeber definieren, wer
unterstützenswert ist und wer nicht.
Wer es wagt sich diesen Regeln zu
widersetzen, wird boykottiert,
sabotiert, diffamiert und
ausgehungert.
Ziel dieser undemokratischen Politik
ist eine neuerliche Aufoktroyierung
eines "Friedensplanes" der die
grundlegenden Rechte der
palästinensischen Seite - ein Staat
in den Grenzen von 1967, Jerusalem
als Hauptstadt und das Rückkehrrecht
für die palästinensischen
Flüchtlinge - weitgehend
unberücksichtigt lässt, die
palästinensische Bevölkerung soll
dazu gezwungen werden diesen Plan
anzuerkennen, soll zermürbt werden,
um auf die völkerrechtlich
verbrieften Rechte zu verzichten,
mehr noch, nur mehr das nackte
Überleben soll verhandelbar werden.
Zu diesen politischen
Instrumentarien zählt gleichfalls
die polizeiliche Aufrüstung kleiner
paramilitärischer Gruppen und eines
demokratisch nicht legitimierten
"Sicherheitsapparates", der
Oppositionelle und
Parlamentsangehörige verhaftet und
die Arbeit von humanitären,
zivilgesellschaftlichen
Organisationen durch Repression,
Verhaftungen und Beschlagnahmung von
Geldern und Infrastruktur
einschränkt.
Was als Vorgehen gegen die Hamas
bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit
ein Angriff gegen die
palästinensische Gesellschaft als
Ganzes, gegen demokratische und
zivilgesellschaftliche Prozesse im
Land, als trauriges Symbol dafür
steht die vollkommene Isolierung,
Aushungerung und Zermürbung der
Menschen im Gazastreifen.
Der Großteil der palästinensischen
Bevölkerung in Palästina, in den
Flüchtlingslagern und in Europa
trägt diese Methode nicht mit - die
Verbindung der Menschen im Exil zu
der Bevölkerung in der Heimat
Palästina bleibt aufrecht. Dafür
steht unter anderem die humanitäre
Arbeit der Palästinensischen
Humanitären Vereinigung.
Die substantielle Hilfe dieser
Vereine ist das Einzige, was derzeit
überhaupt noch das Überleben der
Menschen wie beispielsweise im
Gazastreifen sichert; eine Region
die abgeschottet ist von der
Außenwelt, in der eine normal
funktionierende wirtschaftliche
Infrastruktur durch Krieg und
Isolierung seitens der
Besatzungsmacht Israel undenkbar
geworden ist; mit einer
Arbeitslosigkeit von 90 % und
praktisch ohne Zugang zu humanitärer
Unterstützung und Hilfe durch
westliche Staaten.
Es sind Institutionen wie die
Palästinensische Humanitäre
Vereinigung die in dieser Situation
als Einzige einen Beitrag zum
Überleben der palästinensischen
Bevölkerung leisten, und somit ein
Abgleiten dieser Gesellschaft in
Extremismus und sozialer Verelendung
verhindern. Durch Bildung, Schulen,
Kindergärten und kulturelle
Initiativen wird den
palästinensischen Kindern eine
menschliche Lebensgrundlage und
Hoffnung gegeben, eine Hoffnung, die
durch Besatzung, Isolation von der
Weltgemeinschaft und tagtägliche
militärische Bedrohung immer wieder
zu schwinden droht.
Es sind nicht mehr und nicht weniger
als die grundlegendsten
Menschenrechte, die Organisationen
und Einrichtungen wie die
Palästinensische Humanitäre
Vereinigung den Menschen in
Palästina zugestehen.
- Seit geraumer Zeit geben wir
selbst als europäische NGO
finanzielle Unterstützung für die
Palästinensische Humanitäre
Vereinigung, indem wir die
Patenschaft für Kinder in den
Flüchtlingslagern im Libanon und im
Flüchtlingslager Jabaliah im
Gazastreifen übernehmen. Wir wissen
aus den Briefen der Kinder an uns,
welchen immens wichtigen Beitrag die
Palästinensische Humanitäre
Vereinigung und andere humanitäre
Organisationen durch ihre Arbeit
leisten: Krankenhäuser, Schulen,
Unterrichtsmaterial und
Schultaschen. Wir verwehren uns mit
aller Entschiedenheit dagegen, dass
diese Spenden als Unterstützung des
Terrorismus diffamiert werden.
- Wir haben letztes Jahr Ahmed Al
Kurd, den Bürgermeister der Stadt
Deir al Balah im Gazastreifen und
Vertreter der Hilfsorganisation
Al Salah zu einem Symposium nach
Wien eingeladen. Auch er spürt den
Druck und die
Kriminalisierungsversuche, in den
Medien, in Palästina selbst, wo
Gelder der Hilfsorganisation
beschlagnahmt wurden und die
Schikanen der israelischen Behörden,
die ihm derzeit die Heimreise nach
Gaza verwehren. Sein "Vergehen" ist
die Tatsache langjährig humanitäre
und Entwicklungszusammenarbeit
geleistet und den Aufbau von
Wasserversorgungsanlagen in
Zusammenarbeit mit internationalen
Organisationen und der UNO
durchgeführt zu haben. Unserer
Meinung nach sind es Menschen wie
Ahmed Al Kurd, die durch
integrative, politische und
humanitäre Arbeit und durch
demokratische Legitimität
tatsächlich die palästinensische
Bevölkerung repräsentieren. Das
Gespräch und die Zusammenarbeit mit
solchen Menschen ist unabdingbar für
ein Verständnis der
palästinensischen Situation, wichtig
für den Dialog zwischen Palästina
und der Europäischen Union, sowie
für eine umfassende und friedliche
Lösung des
israelisch-palästinensischen
Konflikts.
- Wir als NGO werden, wie so viele
andere antirassistische Vereine in
Europa selbstverständlich unsere
Arbeit zur Aufklärung und Sammlung
von Ideen zur Schaffung einer
gerechten Lösung in Israel/Palästina
fortführen, und sind darin nicht
zuletzt durch viele mutige
Persönlichkeiten in Wissenschaft und
Politik indirekt bestärkt worden.
Die derzeitige Haltung der
westlichen Staaten und der EU
erscheint uns völlig
kontraproduktiv. Wir als NGO nehmen
uns das Recht und die Pflicht, mit
allen Teilen der palästinensischen
Gesellschaft zusammenzuarbeiten, um
politische Arbeit und humanitäre
Hilfe relevant und effizient
durchführen zu können. Wir als NGO
haben das Recht und die Pflicht mit
allen Teilen der politischen
Landschaft, mit allen Parteien und
Organisationen in Kontakt zu treten,
den Austausch zu suchen um den
Dialog umfassend und relevant werden
zu lassen. Um so mehr ist dies
gerade jetzt unsere Aufgabe, in
einer Zeit, in der die offiziellen
Stellen der Europäischen Union
diesen Dialog nicht führen, sondern
sich der verhängnisvollen Politik
der USA und Israels anschließen.
Wenn in dieser integrativen und
objektiven Form des Vorgehens ein
Sympathisantentum, eine
Unterstützung oder gar die
Mitgliedschaft in irgendeiner Partei
gesehen wird, ist das eine
demokratiepolitisch und rechtlich
äußerst bedenkliche Sache und
bedroht die unabhängige Arbeit aller
Nicht-Regierungs-Organisationen.
- Wir ersuchen die verantwortlichen
Politiker und die Europäische
Öffentlichkeit nicht das einseitige
Bild, das durch US-Regierung und
einzelne Journalisten vermittelt
wird, als Leitlinie für das eigene
Politikverständnis zu übernehmen,
sondern sich weiterhin objektiv an
humanitären, rechtsstaatlichen,
demokratischen und völkerrechtlichen
Kriterien zu orientieren.
Wir verstehen unsere Arbeit als
einen bescheidenen Beitrag, das
politische Erbe von Dr. Bruno
Kreisky am Leben zu erhalten, ein
Erbe das derzeit bedauerlicherweise
in der österreichischen und
europäischen Politik in
Vergessenheit zu geraten scheint.
Dieser Politiker hat durch seine
Weitsicht und Dialogbereitschaft
Brücken gebaut, während andere diese
Brücken durch Bomben zerstörten.
Dezember 2007, Verein für
antirassistische und
friedenspolitische Initiative
Verein für antirassistische und
friedenspolitische Initiative (Dar
al Janub - دار الجنوب
Zentrum Interkultureller Begegnung),
Kleistgasse 8, 1030 Wien,
Tel.: 0676 / 78-93-413
Wenn Sie die Arbeit des Vereins
für antirassistische und
friedenspolitische Initiative
unterstützen möchten, überweisen Sie
bitte eine Spende mit den folgenden
Angaben:
Empfänger: Verein für
antirassistische und
friedenspolitische Initiative
Verwendungszweck: Spende
Kontonr.: 92 160 350
BLZ: 60 000