Gesetze genügen nicht, um
palästinensische Kinder zu schützen
-
Alma Biblash -
In
Ost-Jerusalem hat die Polizei
sechs-jährige Kinder festgenommen
und verhört, oft ohne die Eltern zu
informieren.
Am Dienstag gegen 14
Uhr wurden zwei 8-jährige Kinder im
Ost-Jerusalemer Stadtteil Silwan von
israelischen Polizeioffizieren
festgenommen. Die Offiziere
behaupteten, die Kinder hätten
Steine geworfen – die Kids sagten,
sie hätten nur auf der Strasse
gespielt. Minuten später wurden sie
schon zur Polizeistation gefahren.
Das ist ein guter
Zeitpunkt, um die Polizei daran zu
erinnern, dass Kinder nach dem
israelischen Recht erst ab dem Alter
von 12 Jahren strafmündig sind, und
dass trotz der Checkpoints,
Abriegelungen und Betonbarrieren der
Regierung von Netanyahu das
israelische Recht – das festlegt,
dass die Polizei unter keinen
Umständen ein Kind unter 12 Jahren
festnehmen und verhören darf – noch
immer für die Bewohner von
Ost-Jerusalem anzuwenden ist.
Die Kinder wurden in
einer Station festgehalten, wo sich
kein einziger Polizist die Zeit
nahm, die Eltern zu benachrichtigen.
Die Eltern suchten ihre Kinder
überall, wandten sich schließlich an
lokale Aktivisten, die einen Anwalt
anriefen (und ihn baten) zu helfen,
die Kinder ausfindig zu machen. Zu
diesem Zeitpunkt war es bereits 17
Uhr. Rechtsanwalt Muhammad Mahmud,
gut bekannt in den Korridoren der
Gerichte und Polizeistationen, kam
zur (Polizei) Station Oz und
verlangte, die Kinder freizulassen.
Laut Mahmud wollte der Head Officer
auf der Station die Kinder in Arrest
halten und sie (anderen) zum Verhör
zu übergeben. Als Mahmud darauf
bestand, wurden die Kinder
schließlich frei gelassen. Einfach
so, ohne dass irgend jemand eine
Antwort dafür gehabt hätte, warum
zwei kleine Kinder – rechtswidrig –
für Stunden festgehalten wurden. So
wie in vielen anderen Fällen.
Am 21. Oktober wurde
ein 10-jähriger Junge im Haus von
Angehörigen in Silwan festgenommen.
Trotz seines Alters wurde er für ein
Verhör (auf die Polizeistation, Ü.)
mitgenommen. Seine Mutter kam zur
Polizeistation, wo ihr der Zutritt
verweigert wurde. Der 13-jährige
Cousin des Jungen, der ebenfalls
festgenommen worden war, wurde ohne
die Anwesenheit eines Elternteils
verhört. Am 25. Oktober wurden,
ebenfalls in Silwan, zwei Brüder im
Alter von 6 und 9 Jahren zur
Polizeistation mitgenommen und erst
nach mehreren Stunden frei gelassen.
Dies sind nur zwei Beispiele aus
einem Stadtteil aus den letzten
Wochen. Man kann annehmen, dass
viele solche Fälle unter dem Radar
durchgehen.
Israelische Gesetze
über die Rechte von Teenagern
während Arrest und Verhör sind
eigentlich ziemlich fortschrittlich
– auf dem Papier. Sie garantieren,
dass Teenager zu angemessener
Tageszeit und in Anwesenheit eines
Elternteils verhört werden. Sie
garantieren auch, dass Teenager
nicht in der Öffentlichkeit mit
Handschellen gefesselt werden, und
dass sie von jemandem verhört
werden, der dazu autorisiert ist. Es
genügt zu sagen, dass sie viele
wichtige Dinge garantieren. Wenn es
aber um den Umgang der Polizei mit
palästinensischen Kindern in
Ost-Jerusalem geht, ist es unschwer
zu sehen, dass die Gesetze nur noch
zu einer Reihe bloßer Empfehlungen
werden.
Allein in den letzten
sechs Monaten gab es dort dutzende
dokumentierte Fälle, in denen die
Polizei Minderjährige festgenommen
hat ohne die Eltern zu informieren
und sie – es überrascht nicht – ohne
die Anwesenheit eines Elternteils
verhört hat. Mindestens neun von
ihnen waren noch nicht strafmündig.
Die Gesetze erlauben für das Verhör
eines Minderjährigen ohne elterliche
Aufsicht nur unter außergewöhnlichen
Umständen und mit der Genehmigung
eines Offiziers. Aber in Jerusalem
ist die Ausnahme die Regel, und die
Genehmigung wird meistens
automatisch gewährt. Die Gerichte
erlauben trotz der Proteste von
Anwälten die Fortführung dieses
Vorgehens. Sogar der Shin Bet (macht
es so), wenn er Kinder für seine
eigenen Verhöre mitnimmt.
Die Kinder von
Ost-Jerusalem werden seit mehreren
Jahren attackiert. In Silwan gibt es
kein einziges Kind, das Festnahmen
nicht aus erster Hand kennt –
entweder die eigene oder die von
Angehörigen oder Freunden. Viele
Kinder berichten von körperlichen
und psychischen Mißhandlungen im
Arrest, Lehrer berichten, dass sich
Kinder infolge des Auftretens der
Polizei nicht konzentrieren können,
Eltern versuchen ihre Kinder davon
abzuhalten, ohne Begleitung auf der
Strassen zu gehen.
Wenn die Polizei oder
die Öffentlichkeit glaubt, die
Festnahme von Kindern würden das
Steine Werfen verhindern, täuschen
sie sich. Versuche die Regeln für
die Anwendung tödlicher Gewalt zu
lockern und Gesetze für minimale
Strafen für Steine Werfer zu
erlassen, wird den Kindern nur noch
mehr Schaden zufügen.
Wir halten eine ganze
Generation von Kindern in einer
kranken, gewalttätigen Gesellschaft,
die auf Polizeikontrolle und Kampf
ums Überleben baut – ein Ort, an dem
Rechte und Bedürfnisse von Kindern
ohne Bedeutung sind. Wenn diese
Kinder frei gelassen werden, fühlen
sie sich in der Regel noch
ohnmächtiger und noch wütender. So
lange Frustration, Wut und die
Unfähigkeit sich eine bessere
Zukunft vorzustellen wachsen, so
lange wird auch ihr Widerstand
wachsen.
Der Sprecher der
Jerusalemer Polizei muss noch auf
die oben angeführten Klagen
reagieren. Wenn wir eine Antwort
erhalten, wird sie hier
veröffentlicht. Quelle:
www.972mag.com/the-law-is-not-enough-to-protect-palestinian-children/113677/
Übersetzung: K. Nebauer |