Israel ist
schon ein bi-nationaler Staat und
ist es schon seit langer Zeit
-
Gideon Levy - 14.12. 2015 -
Die Debatte muss sich
nun verändern. Keine Proklamationen
über Zwei-Staaten und Jüdischer
Staat. Die Aufgabe ist jetzt, es
gerecht zu machen. - Ein Demonstrant
hält eine Flagge, die wie eine
israelische Flagge aussieht, doch
mit den palästinensischen Farben
entworfen ist, da er gegen die
neuen Sparmaßnahmen demonstriert,
die in Israels Budget von 2013-14
eingeschlossen wurden. Zu sagen,
dass Israel kein jüdischer Staat
ist, ist nicht länger
aufwieglerisch. Wer fürchtet sich
vor einem bi-nationalem Staat?
Die
Zwei-Staaten-Entwicklung und die
Apartheid-Option . Der Terror,
der Schock, der Rückstoß und
Widerstand der Ein-Staat-Lösung, die
sich in jedem zionistischen Israeli
rührt, sind verständliche
Emotionen. Sie sind die Spuren von
120 Jahren Zionismus und 120 Jahren
Kampf des palästinensischen Volkes
mit allen Ängsten, allem Hass,
Ideologie, Propaganda und
Gehirnwäsche. Außerdem verheißen
die augenblicklichen Präzedenzfälle
vom Balkan bis Nordirland nichts
Gutes. Die Ein-Staat-Lösung ist der
dunkelste der Dämonen, die zur
Mutter aller Katastrophen führt: die
Rückkehr der palästinensischen
Flüchtlinge. Intifadas, Kriege,
Terror, Tyrannei, Bürgerkrieg und
Armageddon verblassen vor dem
Terror, den die Idee einer
bi-nationalen Demokratie in das
israelische Herz schlägt. Rückkehr
ist die absolute Apokalypse.
So ist es, wenn die
Mitglieder der benachbarten Nation
als unmenschlich angesehen werden.
So ist es, wenn man im Schatten
eines Traumas lebt, den jemand
sicher macht, kultiviert, vergrößert
und seinen Einfluss verdreht. Die
Folge davon: ein bi-nationaler Staat
wird als Einladung zum Selbstmord
gesehen. Mit dieser Art von Staat
wird jede Veränderung der Denkweise
zu einem langen Weg. Dieses Israel
wird nie die Palästinenser
freiwillig als Bürger mit gleichen
Rechten akzeptieren. Und wir können
dem Ministerpräsident vertrauen,
dass er seinen Teil macht: In der
letzten Woche beantwortete Benjamin
Netanjahu deutlich US –Außenminister
John Kerrys Warnungen mit den
Waffen des Jüngsten Gerichts: Israel
wird kein bi-nationaler Staat sein.
Wenn der Premier sagt, Israel wird
kein bi-nationaler Staat sein, dann
wird er es natürlich auch nicht
sein. Da gibt es nur eine
Kleinigkeit aus dem Bereich der
Fakten: seit jetzt mehr als 48
Jahren ist Israel schon ein
bi-nationaler Staat. Es gibt keine
andere Art und Weise ihn zu
beschreiben: ein Staat, der zwei
Nationen regiert, ist bi-national.
Es gibt auch keine Anzeichen, dass
sich diese Situation verändern wird.
Und so wird die Kampagne der
Panikmache wie ein Kartenhaus
zusammenfallen. Es wird sich
herausstellen, dass die Katastrophe
schon hier ist, und es ist nicht das
Ende der Welt. In Basel gründete
Theodor Herzl den jüdischen Staat;
70 Jahre später, 1967 kam er ans
Ende und wurde ein bi-nationaler
Staat. Den größten Teil seiner
Geschichte war Israel dann ein
bi-nationaler Staat. Der
schreckliche Dämon ist die
Realität.
Vielleicht ist der
Teufel gar nicht so schrecklich. In
der grausamsten, ungerechtesten
Situation, die man sich vorstellen
kann – in der ein bi-nationales
Israel ein Apartheid-Regime in den
(besetzten) Gebieten hält, das
seine arabischen Bürger
diskriminiert, sind die
erschreckenden Prophezeiungen nicht
wahr geworden. Da gibt es keinen
Bürgerkrieg, keine Massaker im
jugoslawischen Stil. Alle paar Jahre
gibt es einen Aufstand, alle paar
Jahre gibt es einen kleinen Krieg.
Israel lebt mit dem Schwert; es ist
nicht das Ende der Welt, gewiss
nicht in seinen eigenen Augen. Um
wie viel schlechter könnte es mit
Bi-Nationalismus sein, wenn er
demokratisch wird? Und warum soll
der Staat nicht jüdischen Charakter
haben, was immer dies bedeutet;
warum soll er nicht in einer
bi-nationalen Demokratie erhalten
werden, neben dem nationalen
Charakter der zweiten Nation?
Befürworter der
Ein-Staat-Lösung versuchen einen
verrückten Vorschlag zu machen: die
Einrichtung eines gerechten Regimes,
eine Demokratie der Gleichheit für
jeden, nicht nur für Juden. Das ist
die ganze Geschichte, die ganze
Katastrophe. Der Hintergrund dazu
ist eine andere Entwicklung, die
zunehmend in Israel und darüber
hinaus Anerkennung findet: die
Vergeblichkeit der Alternative. Es
gibt immer noch Leute, die sich mit
der Idee der Zweistaatenlösung
amüsieren, ob aus Trägheit, oder
einem Wunsch, irregeführt zu werden,
um den Status quo zu erhalten. Und
da gibt es Leute, die denken, es
wäre möglich einen palästinensischen
Staat zu errichten, und
Gerechtigkeit auch jenseits der
1967er-Grenze walten zu lassen,
ohne all die Siedlungen zu
evakuieren und ohne das
Flüchtlingsproblem zu lösen. Das ist
wahnsinnig. Es hat nie eine
israelische Regierung gegeben, die
an solch eine Lösung glaubte. Der
Beweis ist, dass keiner jemals
ernstlich den Bau der Siedlungen
stoppte, deren ganzer Zweck war,
solch einer Option vorzubeugen.
(Ellen Rohlfs) |