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Arye Sharuz Shalicar und sein Buch "Der neu-deutsche Antisemit

 Gehören Juden heute zu Deutschland? Eine persönliche Analyse

 

Collage von Erhard Arendt


Journalisten sind ein faules Volk…und alle sind Antisemiten“

 
7. Mai 2019 - Abi Melzer - Ein paranoides und überflüssiges Buch eines zionistischen Wirrkopfs.


Ich habe mich mit Mühe durch das langweilige Buch dieses israelischen Agent Provocateur gequält und wollte es mehrmals in den Papierkorb werfen. Für eine Rezension hätte ein einziges Wort genügt: Paranoia. Ich habe es aber bis zur letzten Seite gelesen, um die Absurdität eines solchen Pamphlets zu verstehen und um darüber zu schreiben und andere zu warnen.

Ich war auch vierzig Jahre Verleger und hätte ein solches Manuskript noch am selben Tag zurückgeschickt oder, falls kein Rückporto dabei wäre, in den Müll geworfen. Es ist von der ersten bis zur letzten Seite reine Propaganda aus dem berühmt-berüchtigten Ministerium für „Hasbara“ in Jerusalem. Hasbara, erklärte einst ein israelischer Konsul in Miami, bedeutet die Wahrheit sagen. Ein guter Witz, nicht wahr?

Shalicar stammt von einem ehemaligen (...) Gang aus dem Berliner Wedding (...)  Da er Jude war floh er nach Israel wo er in der Armee eine ungewöhnliche Karriere machte und schließlich zum Armeesprecher für deutsche Journalisten wurde, die in Israel akkreditiert waren. Seine Aufgabe war es die zahlreichen und gut dokumentierten Verbrechen des israelischen Staates schön zu reden und publizistisch unter das Volk zu bringen. Er sollte Märchen aus tausendundeiner Nacht erzählen und ihnen die Propaganda eintrichtern, die man für sie vorbereitet hat: Israel ist immer im Recht und die Palästinenser sind alle Terroristen.

„Ich bin zu der Erkenntnis gekommen“, schreibt er, „dass eine sehr einseitige Medienberichterstattung über Israel und den „Nahostkonflikt“ Antisemitismus auf deutschen Straßen fördert.“ Wenn er sonst kaum etwas richtiges in seinem Buch geschrieben hat, so ist dieser Satz absolut richtig, auch wenn Shalicar es nicht so gemeint hat. Auch ich bin der Meinung, dass die einseitige pro Israel Berichterstattung in der deutschen Presse und die Nicht-Berichterstattung über Kriegsverbrechen der israelischen Armee und des täglichen Unrechts und völkerrechtswidrigen Verhaltens Israels gegenüber den Palästinensern, in der Tat Antipathien gegenüber Israel fördert und schließlich auch Antisemitismus. Die Einseitigkeit, über die Shalicar hier so selbstgerecht klagt, ist eine Einseitigkeit zugunsten Israels und nicht der Palästinenser.

Es ist überhaupt lächerlich und seltsam wie er die mächtigen Israelis bedauert und bemitleidet und den schwachen Palästinensern Terrorismus vorwirft und die Absicht Israel zu vernichten und zu delegitimieren. Als ob die Palästinenser dies könnten. Während sie um ihr Leben und Überleben kämpfen, ist die israelische Armee damit beschäftigt noch mehr palästinensisches Land zu rauben und mit Juden zu kolonisieren.

„Wenn Israel nicht stark wäre, dann, wären die arabischen Armeen erfolgreich bis nach Jerusalem und Tel Aviv durchgedrungen. Im besten Fall hätten sie die Frauen am Leben gelassen, um sie zu misshandeln.“ Warum schreibt er nicht „zu vergewaltigen“? Dabei sind israelische Soldaten in arabische Dörfer gedrungen und arabische Frauen vergewaltigt. Ich weiß, dass will man in Israel nicht hören, aber es gibt genügend jüdische Zeitzeugen, die das bestätigen. Erst kürzlich sagte der IDF-Chefrabbi, dass „Soldaten arabische Frauen vergewaltigen können, um die Moral zu erhöhen“

Und natürlich darf nicht fehlen, dass die „Nachbarn einen ins Meer jagen wollen.“ Dieser gemeine, zynische und rassistische Mythos existiert schon seit der Gründung des Staates Israel, seit die Juden tausende und abertausende von Palästinensern ins Meer geworfen haben.  >>>

 

 

Ein neues Gespenst geht um in Deutschland

 llana Hammerman - 5. 7. 2019

,,Der neu-deutsche Antisemit" heißt ein kürzlich in Deutschland erschienenes Buch. Sein Autor Arye Sharuz Shalicar ist jetzt unterwegs, um für sein Werk in ganz Deutschland zu werben. Die Reise wird von der Bundesregierung finanziert, genauer gesagt von ihrem Beauftragten für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus. Dieses Amt, das solch einen eigenartigen Titel trägt - das wahre jüdische Leben in Deutschland, das seinerzeit so vielfältig war, wurde vor siebzig Jahren brutal vernichtet-, wurde vor etwas mehr als einem Jahr eingerichtet. So bekam ich neulich während meines Besuchs in Berlin ein wenig von dem zu spüren, was als heutiges „jüdisches Leben" ausgegeben wird, mittels offener oder verdeckter Interventionen der israelischen Regierung und ihrer Institutionen. Ich besuchte einen Abend zu Ehren des Buches, der an der Humboldt-Universität stattfand.

Shalicar ist israelischer Staatsbürger, Major der Reserve, ehemaliger Armeesprecher und auch heute in leitender Position: Leiter der Abteilung für auswärtige Angelegenheiten im „Ministerium für Nachrichtendienste". Auf der offiziellen Website dieses Ministeriums - ebenfalls ein relativ neues Produkt im Geiste der Zeit - heißt es, dass „das Ministerium als aktiver Partner in Israels nachrichtendienstlichem und sicherheitspolitischem System fungiert ... als Basis eines Apparats, dessen Ziel es ist, 'schwache Signale' und 'aufkommende Trends' in der Welt und in der Region frühzeitig zu erkennen" Aber in der Humboldt-Universität stellte sich Shalicar als Privatmann vor: ,,Arye, ich bin Arye."

Arye ist in Deutschland geboren und aufgewachsen und schreibt und spricht fließend Deutsch, gewürzt mit aktuellen Floskeln der Umgangssprache. In diesem fließenden Deutsch hat der Mann vor seinen deutschen Zuhörern eine lange Hetz- und Propagandarede gehalten - eine arrogante, giftige und rassistische Hetze vor allem gegen Muslime, aber auch gegen bestimmte Juden und eine billige Propaganda zum Lob Israels und seiner Politik. Seine Worte wurden vom Publikum mit Genugtuung und Applaus aufgenommen.

In der Einladung hieß es, dass eine Diskussion vorgesehen sei. Also meldete ich mich zu Wort, um meine jüdisch-israelische Sichtweise zum Ausdruck zu bringen. Ich wollte die Tatsachen richtigstellen, was Deutschland und Israel betrifft, und habe besonders immer wieder gegen die Verteidigungsmauer des „Privatmannes" protestiert, hinter der sich der Vortragende verschanzte.

Ich erhielt feindselige Reaktionen: Weder der Vortragende, noch der Moderator, noch das Publikum waren an einer Diskussion interessiert. Ich wurde mit bösen Blicken fixiert und aufgefordert zu schweigen. Arye beklagte sich, ich störe so sehr, dass er nach dem Abend eine entspannende Massage brauche. So sagte er es und grinste das Publikum kokett an, das mit einem Lächeln der Zuneigung und des Verständnisses reagierte. Es war offensichtlich, dass er ein Mann nach ihrem Geschmack war, dieser dreiste Israeli, der gegen Muslime im Allgemeinen und in Deutschland insbesondere predigt und für die Notwendigkeit plädiert, mit starker Hand gegen sie vorzugehen. Ausdrücklich gegen sie und nicht gegen den deutschen Rechtsextremismus, der laut jüngsten Berichten für eine erheblich zunehmende Zahl durch Hass motivierter Verbrechen verantwortlich ist. Anfang Juni fand sogar ein politischer Mord statt: Der Kasseler Regierungspräsident wurde vor seinem Haus wegen seines Engagements für die Flüchtlinge in Deutschland ermordet. Ich verließ den Raum gequält von einer Last, die ich bei meinen früheren Besuchen in Deutschland so nie gespürt hatte.

Ein heißer Sommer hat von Berlin Besitz ergriffen. Der ganze Himmel strahlt in blauer Farbe. Und doch lief ich unter ihm gebeugt und mit düsteren Gefühlen umher, als ob die Wolken der Vergangenheit am Himmel wieder aufziehen, unvorhersehbar, hinterhältig - eine erstickende Feindseligkeit hüllt sich in ein Gewand von allumfassender Liebe, und dieses Gewand wird immer dicker.

Veranstaltungen, bei denen Kritiker der israelischen Politik, Juden und Nichtjuden, sprechen wollen, bekommen keine öffentlichen Räume mehr. Der Münchner Stadtrat hat beschlossen, keine Räume in kommunalen Einrichtungen für Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen, die die SOS-Bewegung unterstützen, nicht einmal für Veranstaltungen, die sich mit der Bewegung befassen (!). Der farbige Rapper Talib Kweli aus New York, der planmäßig zu einem Festival in Düsseldorf eingeladen worden war, wurde vom Direktor des Festivals aufgefordert, seine Position gegenüber der SOS-Bewegung schriftlich klarzustellen. Als sich der Künstler weigerte, dies zu tun, wurde seine Beteiligung abgesagt.

Am 17. Mai wurde im Bundestag mit überwältigender Mehrheit eine Resolution verabschiedet, in der definiert wurde, was Antisemitismus sei, und behauptet, dass diese Definition auf die SOS-Bewegung zutreffe. Peter Schäfer, Direktor des Jüdischen Museums Berlin, ein Judaist ersten Ranges, musste unter dem Druck der Kritik zurücktreten; die Pressesprecherin des Museums wurde freigestellt, nachdem auf der Homepage des Museums auf einen Zeitungsartikel hingewiesen wurde, in dem eine Petition jüdischer Akademiker aus Israel und außerhalb Israels gegen den Beschluss des Bundestags zitiert wurde. Eine große Bank in Berlin hat das Konto der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost" endgültig geschlossen, nachdem vor einigen Monaten die Universität Göttingen und der Oberbürgermeister ihre Patenschaft beim etablierten jährlichen Göttinger Friedenspreis zurückgezogen hatten, weil die Jury den Preis an diese Organisation für ihren Einsatz für Menschenrechte verliehen hatte. Der haltlose Grund für diese Entscheidung war die Unterstützung der SOS-Bewegung seitens der „Jüdischen Stimme", also ,,Antisemitismus".

Aus dieser immer längeren Liste wird klar, gegen wen die Deutschen sind: gegen die SOS-Bewegung. Diese Bewegung wurde für sie, die Deutschen, zu einem Sündenbock unter dem Deckmantel eines neuen eigenartigen politischen, von Interessen geleiteten Kampfes gegen den Antisemitismus. Dazu soll hier klar festgestellt werden (und dies tue ich, obwohl ich mit einigen SOS-Positionen nicht einverstanden bin), dass diese Bewegung nichts mit Antisemitismus zu tun hat: Sie ist einzig und allein aus dem Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern entstanden.

Wen nun unterstützen die Deutschen? Die Veranstaltung an der Humboldt Universität und Shalicars Buch gaben mir eine traurige Antwort: Sie unterstützen mit öffentlichen Geldern den neuen israelisch-jüdischen Rassisten, den der Autor und sein Buch in all seiner Hässlichkeit verkörpern. Shalicar hält in Deutschland nicht nur die Fahne des Rassismus gegen Araber, Muslime und Einwanderer aus muslimischen Ländern hoch, sondern auch die Fahne des Rassismus gegen Juden, die Kritik an der Politik der israelischen Regierung üben, und sogar gegen Deutsche, denen er eine jüdische Identität zuschreibt.

Einer der Menschen, auf die es Shalicar in seinem Buch besonders scharf und grob abgesehen hat, ist Dr. Reiner Bernstein. Bernstein, geboren 1939, wohnhaft in München, widmete seine Doktorarbeit dem Studium des Antisemitismus in der Weimarer Republik; er ist ein Wissenschaftler und Publizist, eine Person, die sich am öffentlichen und politischen Leben beteiligt. Eine zentrale Rolle in seinem Engagement spielt die gründliche Beschäftigung mit dem Konflikt zwischen dem Staat Israel und dem palästinensischen Volk. Bernstein hat in Deutschland die Genfer Initiative vertreten, steht also für die Zwei-Staaten-Lösung. Sein Weg ist nicht der der SOS-Bewegung. Seit vielen Jahren bemüht er sich, den Stimmen der israelischen und palästinensischen Friedensaktivisten und Menschenrechtsorganisationen im deutschen Diskurs Gehör zu verschaffen - eine zunehmend schwierige Aufgabe in der heutigen Zeit.

Ein weiterer Meilenstein in Bernsteins Arbeit ist seine Beteiligung am Gedenkprojekt „Stolpersteine". Sechs Jahre lang stand er in seinem Wohnort München an der Spitze dieses beeindruckenden Projekts, dessen Ziel es ist, die Erinnerung an die Opfer der Nazis mit eingelassenen Gedenksteinen auf den Gehwegen wachzuhalten. Dies ist eine der kreativen und eindrucksvollen Initiativen, die dazu führen, dass die Auseinandersetzung mit den Verbrechen Nazideutschlands an ihren richtigen Ort gebracht wird: in die Öffentlichkeit. Die Verfolgung jüdischer Bürger fand ja vor aller Augen statt, und so wurde die gesamte deutsche Gesellschaft zu einem Partner im Verbrechen - durch aktive Beteiligung und durch passives Hinschauen.

Aber siehe da, auch in diesem Zusammenhang ist Shalicar auf Bernstein wütend, so unglaublich es klingen mag: Reiner Bernstein, so steht es in Shalicars Buch, ,,liebt tote Juden in Deutschland und ehrt sie mit Stolpersteinen, aber mit lebendigen Juden in Israel hat er ein Problem, weshalb er eine Organisation unterstützt, die zum Boykott lebendiger Juden aufruft ... Bernstein ist ein selbsthassender Jude, ich glaube, dass er es hasst, Jude zu sein und insgeheim sich wünscht, er wäre kein Jude. Bernstein lebt in einer Fantasiewelt. Er ist Jude und wird Jude bleiben, ganz gleich, wie sehr er es hasst, Jude zu sein." So schreibt dieser unverschämte Israeli über einen moralisch aufrechten Mann, der vor achtzig Jahren als Sohn deutscher protestantischer Eltern geboren wurde und kein Jude ist.

 Nun aber lassen wir Shalicar mit seinem Rassismus und seinen Lügen beiseite. Denn mit den Deutschen habe ich eine Rechnung offen: Der Höhepunkt dieses Kapitels auf deutscher Seite war das Urteil des Landgerichts Berlin, das gerade in diesen Tagen eine Klage Bernsteins gegen Shalicar und den Verlag, der das Buch veröffentlicht hat, wegen Rufmords und Verleumdung zurückgewiesen hat. Das Urteil besagt, dass die Äußerungen in dem Buch „eine zulässige kritische Meinungsäußerung" nicht überschritten. Dafür lieferten Bernsteins Ansichten eine sachliche Grundlage. Zum Selbsthass, den Shalicar dem „Juden" Bernstein vorwirft, und zu der falschen Behauptung, Bernstein sei Jude, sagt das Gericht, dass diese Aussagen als eine noch legitime „subjektive Einschätzung" gälten, die sogar durch die politische Einstellung Bernsteins und seiner Frau (sie ist tatsächlich Jüdin) bestätigt würden. Es ist wichtig anzumerken, dass sich das Urteil auch auf die öffentliche Meinung in Deutschland stützt, die unter dem Einfluss der politischen Führung des Landes Kritik an der Politik Israels als eine Form des Antisemitismus ansieht. In ihrem Urteil bezieht sich die Richterin ausdrücklich auf den neuen Beschluss des Bundestages, der dieser Position seinen staatlichen Segen verliehen hat.

In einem offenen Brief haben sich die Kulturwissenschaftler Jan und Aleida Assmann, die letztes Jahr mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden sind, für den zurückgetretenen Direktor des jüdischen Museums Peter Schäfer eingesetzt: ,,Ein neues Gespenst geht um in Europa: das ist der Antisemitismus¬Vorwurf." Er stelle „uns Europäer, insbesondere Deutsche, unter Generalverdacht und ruft im Stil der McCarthy-Ära zu einer Hexenjagd auf jeden auf', der die Politik Israels nicht unterstütze und denunziere ihn als Antisemiten.

„Wir haben Angst", sagen mir immer wieder Gesprächspartner in Deutschland, die die gefährlichen Entwicklungen in Israel mit Bedauern und Besorgnis betrachten und sich fürchten, dies zum Ausdruck zu bringen. Diese Angst wächst immer weiter, denn das ist heute nach dem Bundestagsbeschluss die offizielle Position, die seit einigen Jahren im öffentlichen Leben und in Gerichtsurteilen vorherrscht: Die Kritik an der israelischen Politik gilt als Antisemitismus und wird juristisch verfolgt - auch wenn gerade diese Politik Millionen Juden (und Nichtjuden), die in dem von Israel kontrollierten Gebiet leben, in eine völlig ausweglose Situation bringt.

In der Tat geht in Deutschland ein neues böses Gespenst um. Die Drahtzieher sitzen in Israel, es sind die israelische Regierung, der Auslandgeheimdienst und der Inlandsnachrichtendienst, die ein Vermögen für diese Tätigkeiten ausgeben. Aber die Schuldigen an diesem neuen Gespenst, Politiker aller Schattierungen, sitzen in Deutschland. Ich glaube nicht an die Unschuld und Ehrlichkeit jener, die sich von diesem Garn einwickeln lassen. Ich verdächtige sie der Heuchelei und Scheinheiligkeit. Bewusst oder unbewusst oder weil sie die Tatsachen nicht wissen wollen, bedienen sie sich einer neuen Art von Rassismus, zu der auch eine völlige Gleichgültigkeit gegenüber unserem Schicksal hier in Israel gehört. In diesem Sinne verfolgen sie auch uns, Mitglieder des Friedenslagers in der israelischen Gesellschaft. Unser Spielraum wird immer weiter verengt. ,,B'tselem" und „Breaking the Silence" sind hier sicherlich keine gern gesehenen Gäste. Die Warnungen seitens israelischer Historiker und israelischer Faschismus- und Nationalsozialismus¬Forscher vor dem aktuellen Weg der israelischen Regierung können nach der neuen Definition des Antisemitismus in Deutschland sanktioniert werden. Wenn die international hochgeschätzte Tageszeitung „Haaretz", die diesen Stimmen eine wichtige Plattform bietet, eine deutsche Zeitung wäre, würden ihre Redakteure heute ganz sicherlich auf der Anklagebank sitzen.
Der Text wurde von Jonathan Nieraad, Berlin, aus dem Hebräischen übersetzt.    Quelle

 

 

 


 

"Gezielte zivile Tötungen" und  "Lebt mit der Angst"

Anmerkungen und Anregungen zur Lesereise von Arye Sharuz Shalicar in Deutschland

Helmut Suttor - 12. 5. 2019

Quelle facebook  + Quelle Welt

In  diesen Tagen reist der Deutsch-Israeli Arye Sharuz Shalicar durch die Republik um seine Buch: Der neu-deutsche Antisemit: Gehören Juden heute zu Deutschland? Eine persönliche Analyse  zu präsentieren.

"Arye Sharuz Shalicar (hebräisch אריה שרוז שליקר; geboren 13. August 1977 in Göttingen[1]) ist ein deutsch-israelischer Politologe, Buchautor und Offizier. Der ehemalige Hip-Hop-Musiker diente seit 2009 als Presseoffizier bei den Israelischen Verteidigungsstreitkräften und bekleidete zuletzt den Rang eines Majors. Seit 2017 ist er Mitarbeiter der israelischen Regierung im Ministerium für Nachrichtendienst" - so wird er in Wikipedia vorgestellt. In den Verlautbarungen seines Verlages wird eine weitere Funktion, die eines Beraters des derzeitigen israelischen Außenministers Israel Katz genannt.

Herr Shalicar wurde 2015, damals noch Armee-Sprecher, durch die Bild-Journalistin Antje Schippmann vorgestellt: "Pünktlich zum 50. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen startet er seine eigene Facebook-Seite, auf der er den deutschen Usern seine Arbeit und die Sicherheitslage Israels erläutert. Es ist die erste offizielle Facebook-Seite eines israelischen Regierungsvertreters in deutscher Sprache". [1]

Die deutsch-israelischen Beziehungen könnten auf der Bürgerebene noch viel besser sein, dazu will ich beitragen“ (...) Viele sind falsch informiert und ich will ein Ansprechpartner werden, damit in Krisenzeiten die Leute nicht nur darauf hören, was in den Zeitungen steht oder was ihre Freunde ihnen sagen, sondern auch auf meiner Seite nachschauen oder mich direkt fragen, was hier los ist.“ - so sieht Herr Shalicar seine Mission.

Wer sich im Internet umsieht, bekommt sehr schnell einen Begriff davon, wie israelische Regierungspropaganda in Kooperation mit BILD, anderen deutschen Presseorganen und der Hasbara-Community funktioniert - was für ein PR-Asset in der Person des Herrn Shalicar der israelischen Regierung in diesem Kontext inzwischen herangereift ist.

Herr Shalicar veröffentlichte auf seiner Facebook-Seite am 15. Dezember 2017 einen Text (in deutsch und englisch), der zur Pflege der deutsch-israelischen Beziehungen "auf Bürgerebene" eher ungeeignet war. Dies hat er nach kurzer Zeit offensichtlich selbst eingesehen, weswegen er den Eintrag vier Tage später löschte.[2]  Sich auf das Verbrennen israelischer Fahnen in Deutschland beziehend lautet die deutsche Version des Textes:

„Die Message dieses Artikels geht auch raus an all diejenigen in Deutschland, die denken, dass sie den Davidstern öffentlich verbrennen können, ohne dafür bestraft zu werden. WIR wissen, WER ihr seid, WO ihr seid und WIE WIR EUCH zur Rechenschaft ziehen können. WIR bestimmen Zeitpunkt und Ort. Lebt mit der Angst!“

Auf Nachfrage erklärte sich Herr Shalicar: "Das ist meine private Seite. Ich wurde in Deutschland geboren und hatte es mit hunderten antisemitischer Angriffen junger Muslime zu tun. Es ist unfassbar, dass sie Juden bedrohen und jüdisch-israelische Symbole verbrennen. Das verletzt mich persönlich und ich bin nicht länger willens das zu tolerieren."

Hierzu ist folgendes festzustellen. Im Dezember 2017 war Herr Shalicar seit acht Jahren Sprecher der israelischen Armee. Es handelte sich also um einen Regierungsbeamten in gehobener Stellung mit langjähriger Erfahrung. Insofern liegt es nahe davon auszugehen, dass er nicht isoliert gehandelt hat, sondern mindestens in informeller Absprache mit anderen Mitarbeitern. Wenn man nach so langer Zeit der Sozialisation in israelischen Regierungsdiensten derartige Texte formuliert und veröffentlicht, stellt sich die Frage, ob das Milieu in dem sich Herr Shalicar bewegte und bewegt ganz oder teilweise anschlussfähig ist an die Geisteshaltung, die in seiner Äußerung  zum Ausdruck kommt.  

Dagegen, dass er nur als Privatperson handelte, spricht nicht nur die Wir-Form, sondern auch die Tatsache seiner Bekanntgabe durch BILD als "erste offizielle Facebook-Seite eines israelischen Regierungsvertreters." In jedem Fall drückt sich darin eine Selbstverständnis aus, das Deutschland als erweitertes israelisches Inland begreift in dem man gut zu Hause ist und nach belieben auch jenseits von Recht und Gesetz schalten und walten kann.

Offensichtlich hat die Veröffentlichung 972mag.com die Löschung des Beitrags ausgelöst. Der Artikel erschien am 18.12.2017, die Löschung erfolgt einen Tag später. Dies war demnach vermutlich nicht eigene Einsicht sondern es bedurfte eines Impuls von außen.

Dass ein israelischer Regierungsbeamter offen Drohungen in Mafia-Diktion ausspricht bezogen auf Personen, die in Deutschland leben, halte ich für einen beispiellosen Vorgang. Das gilt ganz unabhängig davon, gegen welche Personen sich dies richtet. Hier wird Gewalt angedroht, wobei offen bleibt ob sich diese auf Körperverletzungsabsicht beschränkt oder weiter geht. Wenn Terror mit der Verbreitung von Angst und Schrecken zu tun hat, dann ist es die Absicht dieses Textes ein entsprechendes Klima zu erzeugen.

Ein interessantes Detail kommt hinzu: Auf den Tag genau gleichzeitig mit dem Lebt-mit-der Angst-Eintrag soll Shalicar einen Eintrag über die israelische Antiterror-Einheit Mistaravim (bedeuted: Werde Araber) eingepflegt haben.[3] Wie das Bild oben zeigt, kleiden sich deren Mitglieder arabisch um sich unter Arabern bewegen zu können. Demnach sollte offensichtlich die Drohung unterstrichen werden mit Informationen zu dieser Truppe, die gern als "Elite-Einheit" präsentiert wird, im partiell rechtsfreien Raum der Westbank hin und wieder eher unprofessionell durch Rambo-Praktiken auffällt und sich wenig um Recht und Gesetz schert. Auch dieser Beitrag ist gelöscht.

Eine Mistaravim-Einheit (20-30 Personen) hat beispielsweise am 12.11.2015 das al-Ahli Hospital in Hebron überfallen. Es sollte der 22jährige als Patient einliegende Azzam al-Shalalda festgenommen werden, der eine Messerattacke auf einen jüdischen Siedler verübt haben soll und dabei von diesem verletzt wurde. Bei der Mistaravim-Aktion wurden ein bis zwei Verwandte des Gesuchten erschossen, er selbst wurde dabei entführt. [4] Die Nichtregierungsorganisation (NGO)  Ärzte ohne Grenzen hat gegen diese Aktion protestiert. Internationales Menschenrecht erfordere die Respektierung von Gesundheitseinrichtungen. Kranke seien ohne Ansehen ausschließlich nach Gesichtspunkten medizinischer Ethik zu behandeln.[5] Darüber hinaus geht es um einen anderen Aspekt, nämlich die Frage, ob die Menschen durch Exekutionen oder wegen Notwehr ums Leben kamen.  Die Kommandoaktion (nicht die Erschießung), teilweise aufgenommen von installierten Kameras, lässt sich im Internet besichtigen. [6] Angesichts der großen Anzahl von Kommandomitgliedern stellt sich zunächst unter Plausibilitätsgesichtspunkten die Frage, ob es nicht-lethale Handlungsalternativen gab. Zweitens ist zu Fragen ob aufgeklärt wurde wie der/die Palästinenser zu Tode kamen.

In diesem Kontext ist auf einen Vorfall zu verweisen, der sich im März 2016 ebenfalls in Hebron ereignete. Ohne dass dies den beteiligten Militärs während des Geschehens bewusst war, wurde die Exekution eines wehrlos am Boden liegenden Palästinensers, des 21-jährigen Abdel Fattah al-Sharif (ebenso ein Messerattentäter) vom Dach eines Nachbarhauses gefilmt und durch die NGO Betselem ins Netz gestellt .[7] Es ist aufschlussreich, sich dieses Video anzusehen. Die Soldaten verhalten sich angesichts der Erschießung ganz unaufgeregt, als ginge es um eine Routineangelegenheit. Der Schütze Elor Azaria lädt sein Gewehr in aller Ruhe durch, seine Kameraden beobachten dies und treten einen Schritt zurück. Dies nährt Zweifel an der Erklärung der israelischen Armee es habe sich hier um einen "schwerwiegenden Vorfall" gehandelt "der gegen die Werte der israelischen Armee verstösst".
 

Exekution vor laufender Kamera: (1) Elor Azaria lädt seine Waffe durch. (2) Abdel Fattah al-Sharif lag zum Zeitpunkt seiner Exekution schon 11 Minuten schwerverletzt am Boden

Elor Azaria wurde wegen Todschlags zunächst zu 18 Monaten Haft verurteilt, aber schon nach einem Jahr vorzeitig entlassen,  obwohl er, wie die zuständige Staatsanwältin feststellte, keine Reue zeigte.[8] Nach deutschem Recht liegt der Strafrahmen für Totschlag zwischen 5 und 15 Jahren (§ 112 StGB). Die zuständige Richterin musste wegen Morddrohungen unter Polizeischutz gestellt werden. 2015 hat die Knesset die Obergrenze für Steinewerfer auf 20 Jahre  Gefängnis heraufgesetzt. Justizministerin Ajelet Schaked: „Ein Steinewerfer ist ein Terrorist, und nur eine passende Strafe kann als Abschreckung und gerechte Bestrafung dienen.“  

Die hier vorgestellten Ereignisse fanden in der Amtszeit von Herrn Shalicar als Armeesprecher statt. Er sollte also auskunftsfähig sein. Er sollte dazu befragt werden. Es würde dadurch vermutlich etwas schwieriger, die Rolle des Märchenonkels im nahostpolitischen Kindergarten durchzuhalten, wo die Guten zur Linken und die Schlechten zur Rechten feinsäuberlich sortiert dem deutschen Publikum vorgeführt werden.

Dass Herr Shalicars Äußerungen auch in einem weiteren Sinn möglicherweise nicht isoliert zu sehen sind, ergibt sich aus einem Interview,[9] seines derzeitigen Dienstherrn Israel Katz (seit Februar 2019 Außenminister).  2016, damals war Katz u.a. Minister für Nachrichtendienste, führte er aus:  

Frage: Gibt es eine Verbindung zwischen Ihrer Rolle als Geheimdienstminister zum jahrelangen Kampf, den Israel gegen das BDS-Phänomen führt. Das Boykott-Phänomen gegen den Staat Israel?

AntwortAbsolut. Es führt es aus und muss es ausführen. Israel muss eine gezielte zivile Hintertreibung/Vereitelung (targeted civil thwarting) der Führung von BDS-Aktivisten ausführen.

Unter den verschiedenen Euphemismen für gezielte Tötung werde "targeted thwarting  (...) von israelischen Offiziellen gebraucht (...) während Ausdrücke wie 'extra-judicial killings' von Israelis selbst nicht in Gebrauch sind."  - so der Völkerrechtler Roland Otto. [10] Auf Rückfragen, was der Begriff targeted civil thwarting genau meine weicht Herr Katz entweder aus (möchte nicht ins Detail) gehen, schildert Aktivitäten normaler geheimdienstlicher Aufklärung und bringt, wie der vor ihm in derselben Sendung interviewte Innenminister, BDS und namentlich Omar Barghuti in Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten (Katz: Gezielte zivile Hintertreibung/Vereitelung meint, solche Aktivisten zu entlarven, solche Leute, das System, die Mechanismen und ihre Verbindungen mit jenen Organisationen, die schon die Grenze überschritten haben zu militärischer terroristischer Aktivität).

Katz benutzt das Stilmittel der Insinuation: Das Gemeinte, dass BDS in Verbindung mit dem Terrorismus steht, wird angedeutet ohne es zitier- und konkretisierbar eindeutig zu sagen. "Die Methode der Insinuation beruht auf dem Prinzip, etwas in der Sache zu behaupten, ohne es in der Form beweiskräftig behauptet zu haben."[11]  Dies gilt v.a. auch für  targeted civil thwarting, wenn man weiß, dass dieser Begriff ohne die Einfügung "civil" als eindeutige Bezeichnung verbreitet ist. Wie Israel mit Terroristen verfährt ist ja bekannt.

Selbstverständlich führt Katz weder einen Beweis noch ein Indiz für Terror-Verbindungen von BDS an. Es geht hier offensichtlich darum, den Terrorismusbegriff so zu erweitern, dass er nach Belieben auf Oppositionsgruppen und Gegner anwendbar wird, die grundsätzliche Kritik an israelischer Regierungspolitik üben. Herr Erdogan lässt grüßen!

BDS soll illegalisiert werden als eine legitime Position im politischen Meinungsstreit in Israel und anderswo. In den USA gibt es inzwischen Berufsverbote in Zusammenhang mit BDS. BDS-Sympathien oder auch nur Kritik an der Siedlungspolitik sind ein Ausschlussgrund für Bewerber auf öffentliche Stellen.[12] Hierzulande sind wir noch nicht ganz so weit. Für USA und Deutschland dürfte gelten: Man wird sich eher auf die Gerichte als auf die Politik verlassen können, wenn es darum geht, das Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu Israel und Palästina zu wahren oder wieder her zu stellen.

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Ich schlage vor, die hier angeführten Themen im Kontext der Veranstaltungen zum Buch von Herrn Shalicar friedlich und zivilisiert zu thematisieren.

Die - vermutlich unvollständige - Liste zu Ort und Zeit findet sich unten.[13] Die Veranstaltungen werden übrigens ganz oder z.T. vom Deutschen Außenministerium mit finanziert. Man wird bezweifeln dürfen, dass dies mit den einschlägigen Förderrichtlinien kompatibel ist.

Helmut Suttor, Frankfurt

  

Datum

Uhrzeit

Ort

13.05.2019

18:00

Jüdische Gemeinde Kassel
Bremer Straße 3
34117 Kassel

14.05.2019

19:00

Liberale Jüdische Gemeinde
Fuhsestraße 6
30419 Hannover

15.05.2019

19:00

Amerikazentrum Hamburg e. V.
Am Sandtorkai 48
20457 Hamburg

16.05.2019

19:30

Pressehaus der Nordwest-Zeitung
Petersstraße 28-34
26121 Oldenburg

17.05.2019

19:00

Kreisvolkshochschule Aurich
Oldersumer Straße 65-73
26605 Aurich

20.06.2019

19:00

Jüdisches Gemeindehaus
Kleiner Saal
Fasanenstraße 79–80
10623 Berlin
Eintritt: EUR 8,00/5,00

14.05.2019

15:00

Forum der Paul-Klee-Schule Celle in der Wittestraße 14

 

[1] https://www.bild.de/politik/ausland/israel/der-erste-deutsche-facebook-major-israels-40908970.bild.html
[2] https://972mag.com/israeli-official-threatens-german-activists-we-know-who-you-are/131672/
[3] https://electronicintifada.net/blogs/ali-abunimah/live-fear-israeli-officer-warns-german-protesters-facebook
[4] https://uk.reuters.com/article/uk-israel-palestinians-violence/undercover-israeli-troops-raid-hospital-kill-palestinian-idUKKCN0T10KA20151112
[5] https://www.msf.ie/article/palestine-msf-urges-military-authorities-comply-international-humanitarian-law
[6] https://electronicintifada.net/blogs/ali-abunimah/israel-executes-palestinian-hospital-room
[7] https://www.watson.ch/international/pal%C3%A4stina/831304535-israelischer-soldat-toetet-palaestinenser-vor-laufender-kamera-und-keiner-reagiert
[8] https://www.ard-telaviv.de/incident/todesschuetze-von-hebron-kommt-bald-frei/
[9] https://www.youtube.com/watch?v=ukXAFxI8Ix4; Übersetzung der englischen Untertitel des in Hebräisch geführten Interviews
[10] Otto, Roland, Targeted Killings and International Law. With Special Regard to Human Rights and International Humanitarian Law, 2012, S. 12
[11] Vgl. Thomas Meyer, Methoden und Strategien. Insinuation als Stilmittel, in: Friedrich-Ebert-Stiftung /Akademie der Politischen Bildung (Hrsg.), Am rechten Rand, Analysen und Informationen für die politische Bildung, Bonn 1995, S. 18.
[12] https://forward.com/opinion/417722/your-anti-bds-crusade-hurts-jews/
[13] https://www.hentrichhentrich.de/buch-der-neu-deutsche-antisemit.html

 

 
 

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