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Kommentar des Monats Januar 2012 für: "Das Palästina Portal"

 

 

So ergeht es einem Mann, den Israel besonders demütigen will.

von Abraham Melzer

 

Simon Wiesenthal-Center veröffentlicht eine „Top-Ten-Liste“ der weltweit gefährlichsten Antisemiten.

Was ist denn aus dem Antisemitismus geworden, wenn ein linker Politiker aus Duisburg, der es gewagt hat Israels Politik zu kritisieren, zu den Top-Ten-Antisemiten der Welt gehört? Einst hatte das Judentum gewaltige antisemitische Feinde, die auch tausendfach Juden ermordet haben, einst galt als Antisemit, wer die Protokolle der Weisen von Zion verbreitet oder zumindest deren Vertreibung oder Entlassung gefordert hat, von Antisemiten à la Adolf Eichmann, die jüdisches Blut an ihren Händen hatten, ganz zu schweigen. Heute reicht es, Israels Politik zu kritisieren oder sich gegen die moralische Erpressung mit der Auschwitzkeule zu wehren, um in eine ehrenvolle Liste der zehn gefährlichsten Antisemiten der Welt aufgenommen zu werden.

Was ist denn aus dem Antisemitismus geworden? Einst wusste man, dass ein Antisemit derjenige ist, der Juden hasst und Juden vernichten will, nur weil sie Juden sind. Heute ist es genau umgekehrt: Ein Antisemit ist derjenige, den Juden hassen und vernichten wollen. Wie ist es möglich, eine solch absurde und primitive Liste zu veröffentlichen, wie sie vom Simon Wiesenthal Center veröffentlicht worden ist, als ob es sich um die zehn meist gesuchten Terroristen der Welt handeln würde?  An der Spitze steht der palästinensische Präsident Abbas, dem man vorwirft, kein Zionist zu sein, und wer kein Zionist ist, der ist nach der Interpretation des SWC automatisch ein Antisemit. Wie kommt denn Abbas dazu, ein eigenes Land für sich und sein Volk zu fordern? Genügt ihm nicht der Vorgarten auf dem Grundstück des israelischen Siedler-Außenministers Avigdor Lieberman? Wenn er Sehnsucht nach palästinensischem Land hat, kann er doch jederzeit Liebermans Vorgarten im besetzten Palästina bearbeiten, wobei die Benutzung des Wortes „besetzt“ falsch ist, weil es die Sachlage nur verniedlicht. In Wirklichkeit handelt es sich um kolonisiertes Land, um Siedler und um „Indianer“, die aber in diesem Fall Palästinenser heißen. Ob die Amerikaner deshalb Israel so blind und kritiklos unterstützen, weil es sie an ihre eigene Kolonisation Nordamerikas erinnert? Sehen sie in den Palästinensern tatsächlich Siux und Apachen, in Abbas den Häuptling Winnetou und in Lieberman Old Shutterhand?

Es erübrigt sich zu erwähnen, dass auch alle anderen Top Ten-Antisemiten, ob Mikis Theodorakis oder Recep Tayyip Erdogan, kein jüdisches Blut an ihren Händen haben, im Gegensatz zu israelischen Politikern wie Netanjahu, Barack oder Sharon, die noch stolz darauf sind, dass sie eigenhändig „Araber“ getötet haben. Sie haben lediglich eine vom zionistischen Mainstream abweichende Meinung zu dem, was Israel tut. Dabei haben immer mehr Israelis weit radikalere Ansichten, die bis zu der Forderung reichen, führende Mitglieder der Regierung und die gesamte Spitze der Armee vor Gericht in Den Hag zu stellen, wo sie auch hingehören.  Wenn man die Kriterien des SWC als Maßstab für Antisemitismus nehmen würde, dann ist halb Israel antisemitisch und die übrige Welt sowieso. Natürlich bis auf die üblichen Verdächtigten, die für ihre Solidarität zu Israel und zum Zionismus Preise kassieren, für die sich andere schämen würden. Indira Weiss, das niedliche Sexsternchen, meinte in der BILD, zu einem solchen Preisträger: „Er würde sich wie eine Nutte prostituieren - für ein bisschen mehr Quote.“

Aus dem Buch Esther im Alten Testament kennen wir die Geschichte von Haman und Mordechai. Der eine ist der Urvater der Antisemiten, der andere das Protobeispiel des unschuldig Verfolgten. Damals hat die Liebe des persischen Königs Artaxexes  zur Jüdin Esther alles auf den Kopf gestellt und am Ende wurde der Verfolger Haman vom verfolgten Juden Mordechai aufgehängt. Davor musste Haman die Demütigung ertragen, Mordechai in den Kleidern des Königs auf einem Pferd aus dem Stall des Königs durch die Straßen der Hauptstadt herumzuführen, und zu rufen: „So ergeht es einem Mann, den der König besonders ehren will.“

Heute ist es umgekehrt: Der Jude „Mordechai“ treibt unschuldige Nichtjuden vor sich her und ruft: „So ergeht es Menschen, die der Staat Israel besonders demütigen und diffamieren will.“ In unserem Fall ist der Jude Mordechai das Simon Wiesenthal Center, das - in wessen Auftrag auch immer-, diese unseriöse und absurde Liste veröffentlicht hat. Früher hat Simon Wiesenthal Antisemiten wie Eichmann verfolgt, heute, da es keine Antisemiten von diesem Format mehr gibt, reicht ein Hermann Dierkes von der Linkspartei in Duisburg. Früher hätte Simon Wiesenthal nicht einmal gewusst, wo Duisburg liegt. Die Zeitung „junge Welt“ schreibt dazu: „Lächerlicher geht es kaum noch“, allein, lächerlich ist die eine Seite der Medaille, zynisch, hämisch und gefährlich die andere. Man fragt sich, wie es weiter geht. Soll demnächst eine Liste der Top-Ten-jüdischen-Selbsthasser veröffentlicht werden, mit den Namen der inzwischen weltweit bekannten jüdischen Kritiker der israelischen Politik, die nicht müde werden auszurufen: „Nicht in unserem Namen!“? Oder eine Liste der Top-Ten-Nestbeschmutzer, die vielleicht von Amos Shocken angeführt werden wird, der erst unlängst Israel bescheinigt hat, ein Apartheidstaat zu sein?

Das Buch Esther lehrt uns auch, dass die Juden sich schon einmal von einem verfolgten Volk zu einem Volk von Verfolger gemausert haben. Dort lesen wir: „Doch nun überwältigten umgekehrt die Juden ihre Feinde. In allen Provinzen des Königs Artaxexes taten sich die Juden in den Städten zusammen und überfielen die, die den Untergang der Juden geplant hatten. Niemand konnte ihnen standhalten; denn alle Völker hatten Schrecken vor ihnen. So metzelten die Juden alle ihre Feinde mit dem Schwert nieder; es gab ein großes Blutbad. Sie machten mit ihren Gegnern, was sie wollten.“

Heute sieht es so aus, als ob die Juden von damals wieder auferstanden sind und mit ihren vermeintlichen  Gegnern tun, was sie wollen. Während Haman noch tatsächlich geplant hat, die Juden des Reiches zu vernichten, und für Mordechai schon einen Galgen gebaut hat, an dem schließlich er baumelte, so sind doch die Vorwürfe gegen die Top-Ten-Antisemiten von heute geradezu absurd wenn nicht  lächerlich. Da werden Menschen wie gesuchte Verbrecher an den Pranger gestellt, die zum Nahostkonflikt lediglich eine andere Meinung haben als Netanjahu, Lieberman oder der unsägliche Broder. Es fehlt nur noch, dass das SWC „Wanted“-Plakate verbreitet, mit dem Bild des Delinquenten und einer ansehnlichen Belohnung. Demnächst werden vielleicht auch die Top-Ten-Schwulen oder die Top-Ten-Vegetarier öffentlich zur Schau gestellt werden, denn es ist so leicht und so einfach, Menschen zu diffamieren, wenn man keine Skrupel hat und sich nicht dafür schämt. Verboten wäre allerdings die Top-Ten-Kriegsverbrecher zu benennen, denn es könnte sein, Gott behüte, dass darunter sich neben einigen Amerikanern auch israelische Kriegsverbrecher befänden.

Wenn ein Abu Mazen, der palästinensische Präsident, ein Antisemit ist, der auf dieser absurden Liste sogar auf Platz Nummer 1 steht, nur weil er in einer Rede vor der UN sinngemäß gesagt hat: Ich komme aus dem Heiligen Land, der Geburtsstätte vieler religiöser Ideen, und als Beispiel dafür nur den Islam und das Christentum genannt hat - er hat wohl aus niederen antisemitischen Motiven absichtlich nicht gesagt, dass es eigentlich ausschließlich das Land Abraham, Isaacs und Jakobs sei, also das Land des „erfundenen“ jüdischen Volkes (Shlomo Sand) und keines anderen Volkes – und wenn Antisemitismus nach allgemein gültiger Definition Rassismus ist,  dann sind doch Netanjahu und Lieberman erst Recht Antisemiten, wenn man bedenkt, dass Abu Mazen ein Semit ist und die beiden anderen Kazaren, deren ursprüngliche Heimat in den weiten Steppen Sibiriens ist. Zwar weiß man, dass Antisemitismus sich eigentlich nur gegen Juden richtet und deshalb Antijudaismus bedeutet, aber da Juden und Palästinenser gleichwertige Menschen sind, zumindest nach humanistisch westlicher Weltsicht und nicht nach zionistischer, ist ein Antisemitismus,  der purer Rassismus ist, der sich gegen Palästinenser richtet, genauso übel und verwerflich, wie der Antisemitismus gegen Juden.

Hermann Göring sagte einmal: Wer Jude ist, bestimme ich. Es scheint, dass man sich das in jüdischen Kreisen gemerkt  und den Spies jetzt umgedreht hat: Wer Antisemit ist, bestimmen wir, sagen gewisse Juden, die glauben, das Recht in die eigene Hand nehmen zu dürfen, und Andersdenkende als „Knallchargen, erbärmliche und erbarmungslose Gestalten, Bruchpiloten und Versager“ titulieren. Warum wir „erbarmungslos“ sind, entzieht sich freilich meiner Logik. Doch nicht etwa, weil wir mit den Palästinensern Erbarmen haben und linientreue und preisgekrönte Zionisten daraus folgern, dass wir gegenüber den Juden deshalb erbarmungslos sind?  Es ist höchste Zeit, dass man sich endlich definitiv und sachlich darüber einigt, was Antisemitismus eigentlich ist und wer heute noch Antisemit ist. Juden nicht zu mögen, kann es doch nicht sein, denn dann müssten alle Menschen auf dieser Erde angeklagt und verdammt werden, da es viele geben wird, die andere Menschen nicht mögen. In der Regel sind das Vorurteile. Es würde aber aus dem gefährlichen Antisemitismus eine Farce machen, wenn man solche Banalitäten auf einer Stufe mit dem Wahn einer biologischen und physischen „Endlösung“  stellen würde. Schon heute liegt doch der Wert des Antisemitismus fast in der Gosse, so inflationär ist man damit umgegangen, so verantwortungslos und man geht immer noch inflationär damit um. Wenn jemand das Vorurteil hat, dass alle Juden reich seien, dann kann man ihn zwar als Top-Antisemit auf eine Liste setzen, einfacher wäre es aber ihn zu ignorieren. Die Tatsache aber, dass Millionen von Menschen überall auf der Welt solche und andere Vorurteile haben, ist jedoch keine Gefahr für die Existenz des jüdischen Staates und des jüdischen Volkes. Eine tatsächlichere Gefahr ist die menschenrechtswidrige Politik des jüdisch-zionistischen Staates, die aus den Juden nun auch ein „Tätervolk“ gemacht hat, wie es Henryk M. Broder in einem Beitrag in der Jüdischen Allgemeine bestätigte. Dabei hat es Heinrich Heine schon vor zweihundert Jahren vorausgesehen, als er in seinem berühmten Gedicht An Edom meinte, gerichtet an die Deutschen, die er „Edom“ nannte, nach den biblischen Feinden der Israeliten, die Edomiter: „Jetzt wird unsere Freundschaft fester, und noch täglich nimmt sie zu; denn ich selbst begann zu rasen, und ich werde bald wie Du.“

Wenn Hitler, der ein Antisemit war, auf dieselbe Stufe gestellt wird wie der Mufti von Jerusalem, dessen Hauptinteresse war, sein Land von britischer aber auch zionistischer Gewaltherrschaft zu befreien, dann kann doch etwas nicht stimmen. Etwas bei der Bestimmung des Antisemitismus. Diese Bestimmung ist vollkommen diffus und absurd. Denn wenn jemand, der sich für das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser einsetzt, als Antisemit diffamiert werden kann und darf, wenn jemand, der für die Rechte der Palästinenser kämpft mit Hitler verglichen werden kann und darf, dann ist vieles in diesem Land faul. Wenn ein deutscher Richter der Meinung ist, dass der Vergleich eines gegenüber Israel kritischen Juden mit einem Massenmörder wie Adolf Hitler im Sinne der Meinungsfreiheit gestattet werden muss, dann zeigt es genau die Stelle, wo die deutsche Seele, aber auch die deutsche Justiz und Politik, krank ist.

Dass in diesem Land von der zionistischen Israellobby fast jeder zum Antisemiten gestempelt werden darf, der die Politik des zionistischen Regimes zu Recht kritisiert, dann liegt das daran, dass die politische und mediale Klasse zu feige ist und Angst vor diesen Gralshüter des Zionismus  hat und ihnen nicht massiv entgegentritt. Sich von Knallchargen wie den Broders, Knoblochs, Kramers oder Graumännern vorschreiben zu lassen, was gesagt werden darf, ist eine Frechheit, der man im Angesicht des Grundgesetzartikels 5 massiv entgegentreten muss. Es kann nicht sein, dass diese zionistischen Funktionäre definieren können, was in diesem Land gesagt werden darf und was nicht. Es liegt also an der deutschen nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft diesen ‚“Dunkelmännern“ und „Dunkelfreuen“ die Stirn zu bieten.

Henryk M. Broder  im SEMIT vom Juli/August 1989

"Der Semit" - Heft 6 Dezember 2011 Januar 20112

Im Verkauf ab 5. Dezember 2011.

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