Ni’lin: Von der Westbank
abgeschlossen
-
Saeed Amireh berichtet von einer
Invasion der israelischen Armee in
das Dorf, als gegen die zunehmende
Abriegelung des Westbankortes
demonstriert wird. Am Tagesende
bringen die Soldaten grosse Zementblӧcke,
um Ni’lin vollstӓndig zu
paralyiseren. Der 2004 begonnene
gewaltlose Widerstand steht vor
einer grossen Aufgabe, die unsere
Solidaritӓt benӧtigt.
Hier ist Saeed Amireh:
Am
Montag, den 20. Oktober marschierten
die Bewohner von Ni’lin wieder zum
Eingang des Dorfes. Mit diesem
friedlichen und unbewaffneten
Protest forderten sie das Ende der
Blockade des Dorfes, die zu einer
rapiden Verschlechterung der
Situation in Ni’lin geführt hat.
Sobald die Wachen am Eingang den
Protestmarsch sahen, erӧffneten
sie das Feuer mit scharfer Munition
auf die unbewaffneten Demonstranten.
Zwei Menschen wurden in den darauf
folgenden Zusammenstӧssen
verwundet: Mohammed Nabil Qahoosh,
16 Jahre alt, wurde von einem
Kugelsplitter am Kopf getroffen und
Ahmed Mohammed Amireh, 13, erhielt
eine Kugel ins Bein.
Weil der Dorfeingang von den
israelischen Soldaten blockiert
wurde, wurde der Krankenwagen
ausserhalb des Dorfes festgehalten.
Ahmad und Mohammed wurden in einem
Privatwagen von den Zusammenstӧssen
weggefahren. Der Versuch, beide
durch die Hauptstrasse zur Ambulanz
zu fahren, scheiterte, weil
gleichzeitig die israelische Armee
mit neun Jeeps und dutzenden von
Soldaten in das Dorf eindrang und
Jagd auf das Auto machte, um die
Insassen zu verhaften.
Glücklicherweise konnte der Wagen
entkommen.
Als die Israelis im Dorfzentrum
ankamen, blockierte die Dorfjugend
die Strassen mit Steinen und
verhinderten das weitere Eindringen
der Jeeps. Die Soldaten reagierten
mit einem verstӓrkten
Kugelhagel. Eine israelische
Fusspatrouille versteckte sich wӓhrenddessen
zwischen den Hӓusern
des Dorfes, um Demonstranten
einzufangen und zu verhaften. Sie
konnten drei Kinder auf dem
Nachhauseweg von der Schule
ergreifen und nahmen Mohammed Srour,
12, Jihad Amireh, 13 und Mohammed
Nafi, 12, gewaltsam fest
Die Auseinandersetzungen wurden bis
neun Uhr abends fortgesetzt. Die
israelischen Soldaten feuerten
hunderte von scharfen Patronen auf
die Demonstranten und Hӓuser
und füllten das Dorf mit Trӓnengaswolken,
indem sie die Gasgranaten von ihren
jeeps abfeuerten. Nach dem Rückzug
zum Dorfeingang brachten die
israelischen Soldaten einen schweren
Lastwagen, der grosse Zementblӧcke
transportierte, und riegelten das
Dorf ab.
Das Dorf wurde von der israelischen
Armee seit Anfang Oktober belagert,
aber jetzt scheint es, dass die
Abriegelung permanent geworden ist.
Das bedeutet, dass niemand das Dorf
im Auto verlassen kann und dass die
Aktionen der israelischen Armee als
Form der kollektiven Bestrafung für
die Proteste gesehen werden müssen.
Ni’lin ist jetzt von der Westbank
abgeschnitten, von einer
Apartheidmauer im Westen und Süden,
und durch israelische Siedlungen und
die Armee im Norden und Osten. Das
Risiko einer vollstӓndigen
humanitӓren Katastrophe im Dorf
Ni’lin wird so erhӧht.
1980 lebten 12500 Menschen in
Ni’lin, heute ist die Zahl auf 5500
gesunken. Die Isolierung des Dorfes
kann dazu führen, dass mehr Menschen
das Dorf verlassen. Von den 5800
Hektar Land, die Ni’lin gehӧrten,
hat Israel 5000 konfisziert. Dadurch
wurde es unmӧlich, hier seinen
Lebensunterhalt durc h die
Landwirtschaft zu bestreiten. 3500
Olivenbӓume wurden verbrannt, aus
dem Boden gerissen oder auf andere
Weise zerstӧrt, was zur Schliessung
von zwei Verarbeitungsanlagen für
das Olivenӧl geführt hat. Das
Wirtschaftsleben des Dorfes wurde
durch die Blockade beeintrӓchtigt.
Früher war Ni’lin ein beliebtes
Einkaufsziel für Palӓstinenser aus
den umgebenden Dӧrfern und aus 48.
Die Mehrheit der Dorfbewohner
bekommt keine Arbeitsgenehmigungen
von Israel, was eine enorme
Arbeitslosigkeit brachte. Die
Belagerung des Dorfes erschwert den
Bewohnern auch die Fahrt zu ihren
Arbeiststellen in Ramallah. Die
Strassen in Ni’lin sind leergefegt
und dienen vor allem als Arena für
Zusammenstӧssen
und Invasionen. Das Schlimmste steht
uns vielleicht noch bevor, wenn uns
die Nahrungsmittel ausgehen und
keine Lieferungen von der Aussenwelt
hereinkommen.
Seit 2004
demonstrieren die Bewohner von
Ni’lin jeden Freitag gegen die
israelische Kolonisierung der
Westbank und die brutalen Massnahmen
der Besatzungsarmee. - Saeed Amireh,
Ni’lin sealed off from the rest of
the West Bank, 22. Oktober 2015;
http://saeedamireh.com/
(Übersetzt von M. Lauer)
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