Schwerkranker
verhaftet, ... gefesselt im Krankenbett
IWPS Bericht
April 2005 - Hanna, IWPS, 25.4.05
Am
Donnerstag (21.4.05) wird der 31 jährige Jaber aus dem
Krankenhaus in Nablus entlassen, wo er 5 Tage verbracht hat und wo
eine virale Meningitis diagnostiziert wurde. Am Huwara-Checkpoint
wird er um 12 Uhr 30 festgehalten und als die Soldaten nachts
um 10 Uhr den Checkpoint schließen, wird er verhaftet.
Jabers Gesundheitszustand verschlechtert sich während dieser Zeit.
Seine Frau, mit dem 4. Kind schwanger , war bei ihm und berichtete,
dass er nach so vielen Stunden in der Sonne ohne Nahrung und Wasser
teilweise im Delirium lag.
Die
Armee berichtet, dass er – nachdem er in der Haftanstalt Salem
angekommen war – intravenös, Flüssigkeit bekam. Wir hörten einige
Tage nichts von ihm – keinen Grund für die Verhaftung und nur
einen ungenauen medizinischen Bericht von der Armee. Deren Arzt hat
ihn mit allem möglichen diagnostiziert: vom Magengeschwür bis
Herzprobleme und immer mit derselben Schlussfolgerung: der
Gesundheitszustand schließt Verhaftung nicht aus.“
Schließlich, nach vielen Telefongesprächen von Organisationen und
einzelnen Personen aus aller Welt, gaben sie zu, dass er schwerer
krank ist und brachten ihn ins Krankenhaus nach Afula.. Ich rief im
Krankenhaus an, und der erste englisch sprechende Arzt, den ich
fand, war auch ein Palästinenser. Alle jüdischen Ärzte waren zum
Seder/ Pessachabend heimgegangen, sagte er mir, also kann die
Familie ihn in der Intensivstation anrufen und mit den Ärzten dort
arabisch sprechen, wenn sie mehr Information haben wollen. Er war
äußerst hilfsbereit, rief zweimal zurück, um mir alles zu
sagen, was er wusste.
In
der Zwischenzeit erhielt ich Anrufe von der Familie und von
Freunden, die sagten, dass es der Frau nicht gut gehe, dass sich die
Familie Sorgen mache, weil er anscheinend nach Verlassen
des Krankenhauses noch nicht wieder hergestellt war ... Jeder , der
von seiner Verhaftung hörte, war erschrocken, da er keine
politischen Verbindungen hatte...
Die
Familie bat uns, ihn zu besuchen, deshalb gingen Susi ( eine
israelische Aktivistin) und ich gestern nach Afula.
Wir
fuhren nach Norden durch Israel, nicht weit von der Grünen Linie
entfernt. Wir fuhren durch viele palästinensische, muslimische
Dörfer ( überall sah ich Moscheen) und Palästinenser gingen durch
die Straßen. ...
Wir
kamen im Krankenhaus an und gingen direkt zu der Station, wo Jaber
liegt. Sein Zimmer war nicht schwer zu finden, da es das einzige
war, dessen Tür geschlossen war und vor dem zwei bewaffnete Soldaten
saßen. Susi versuchte, ins Zimmer zu gehen, wurde aber von den
Soldaten angehalten.
Man
würde uns nicht hinein gehen lassen. Doch konnten wir mit dem Arzt
reden, der noch keine Information über Jabers Gesundheitszustand aus
Nablus erhalten hatte. Er schien ziemlich frustriert über den Mangel
an Information von Seiten des Militärs. Wir gaben ihm die
Telefonnummer des Arztes, der Jaber in Nablus behandelt hatte. Genau
in dem Augenblick kam der medizinische Bericht von Freunden
der Familie. Der Arzt sagte uns, er habe gerade eine
Wirbelsäulenpunktion gemacht und er könne uns bald die Diagnose
mitteilen. Die virale Meningitis –Diagnose wurde eine Stunde später
bestätigt.
Wir gingen vor Jabers Tür hin und her und hätten hineingehen
können, wussten aber, dass dies für keinen gut gewesen wäre. Die
Soldaten regten sich auf, wenn wir zu nahe kamen ... Der
Krankenhaussicherheitsdienst war etwas freundlicher und rief das DCO
an und fragte, ob wir Jabers Raum betreten dürften . Schließlich kam
die Antwort: „Nein, Ihr könnt jetzt nicht hinein. Vielleicht wird es
in ein paar Stunden erlaubt.“ Also verließen wir das Krankenhaus und
kamen nach ein oder zwei Stunden wieder, ziemlich sicher, dass
man uns nicht hineinlässt. Als wir an der Pforte ankamen, sagte man
uns, dass wir hineingehen könnten. Wir waren überrascht.... über die
Willkür der Armeebestimmungen kann man sich nur immer wundern.
Wir
gingen zu Jabers Station. Die Soldaten ließen uns hinein. Aber ein
Soldat müsste immer bei uns sein. Jaber schlief. Ich sagte mit
leiser Stimme seinen Namen. Da öffnete er seine Augen und stöhnte
ein wenig. Ich stellte mich vor, und er grüßte mich mit dem üblichen
„Achlan w’salam!“ (Willkommen)
Ihm
wurde langsam klar, dass dies eine Möglichkeit war, der Außenwelt
von seiner Situation mitzuteilen. Er wäre so müde und so krank,
sagte er uns. Und „biddi amoot“, was übersetzt so viel heißen
mag, dass „er sterben möchte“ oder „er sei im Begriff zu
sterben“. Ich bin mir nicht sicher, was er meinte, vielleicht
beides. Er sagte, der Doktor sei gut, das Krankenhaus sei auch
gut – aber wenn man ihn in die Haftanstalt in Salem zurückbrächte,
dann könne man ihn doch lieber gleich erschießen.
Ihm
kamen die Tränen, als er uns erzählte, dass er drei Tage lang weder
gegessen, noch getrunken und nicht geschlafen hätte. In Salem hätte
man ihn in eine kleine Zelle geworfen, in der schon 9 Leute waren.
Man hätte niemanden zwischen 21 und 8 Uhr 30 rausgelassen, auch
nicht auf die Toilette. Er hätte zwei Tage mit Schmerzen auf dem
Fußboden gelegen – Betten gab es nicht. Nachts war es extrem kalt.
Vier mal hätte er das Bewusstsein verloren, aber nicht geschlafen.
Niemand habe mit ihm gesprochen, als er dort war. Sollte es ein
Verhör geben, so hat es noch nicht begonnen.
Er
hatte noch nichts zu essen oder zu trinken bekommen nur intravenös,
um eine tödliche Austrocknung zu vermeiden.
Ich
hatte gesehen, wie ein volles Tablett aus seinem Zimmer
herausgetragen wurde und fragte ihn darum. „Der Doktor hatte mir
gesagt, dass ich eine halbe Stunde nach der Punktur nichts essen
dürfe. Der Soldat behauptete, es sei zwei Stunden später
gekommen. Er bat uns, ihn zu füttern, wenn Essen gebracht
würde.
Er
bat uns, seine Decke über den Füßen anzuheben. Wir sahen metallene
Handschellen um seine Fußknöchel, die völlig lächerlich wirkten. Er
war zu schwach, um zu sitzen und selbst zu essen. Zwei bewaffnete
Wächter saßen vor der Tür – aber er musste gefesselt sein. Einer der
Soldaten sagte: das ist nicht unsere Entscheidung, wir sind nur
Begleitung. Wir haben nicht einmal den Schlüssel ( für die
Handschellen) .
Während Susy mit dem Soldaten sprach, wählte ich die Nummer von
Jabers Frau. Sie nahm auf und ich sagte schnell: „Hei, Kulud, ich
bin bei Jaber, bleib dran...!“ und gab ihm das Handy. Sie sprachen
etwa eine Minute lang, bevor der Soldat dies bemerkte und dann noch
eine Minute, während Susy mit dem Soldaten argumentierte, warum es
ihm nicht erlaubt sei, zu telefonieren. Dann machte er Schluss und
gab mir das Handy, dankte mir und lächelte das einzige Mal.
Der
Arzt nahm mich irgendwann zu Seite und fragte mich nach meiner
Organisation. Dann erzählte ich ihm von IWPS und was wir tun. Er
fragte, warum? Es war eine persönliche Frage: „Warum kommt Ihr aus
Amerika und tut dies hier? Ich sagte ihm, dass ich
Amerikanerin sei und dass mit meinen Steuern Israels Besatzung
von Palästina bezahlt wird. Außerdem bin ich jüdisch und in meinem
Namen werden die Palästinenser unterdrückt.
Wir
blieben über eine Stunde bei Jaber und fütterten ihn mit Pudding,
Wasser und Saft. (Als ich um ein 2. Glas Saft bat, sagte einer der
Soldaten: „Dies ist ein Krankenhaus und kein Restaurant“)
Jaber bat um eine zweite Decke und ein zweites Kissen, das die
Schwester auch brachte. Er fragte mich, welcher Tag sei, und
ich sagte ihm, es sei Sonntag, der 24. April. Er bat uns, zum
Finanzministerium in Ramallah zu gehen, wo er arbeitet, und darum zu
bitten, ob von dort nicht etwas für ihn getan werden könnte . Er
betonte auch, wie wichtig es sei, dass die Fotos, die Anna am
Huwara-Checkpoint von seiner Verhaftung gemacht hatte, den Zeitungen
zugespielt und seiner Familie gegeben würde.
Ich
erzählte ihm, dass Leute überall in der Welt von seiner Situation
wüssten, dass die Armee und das Krankenhaus die ganze Nacht über
Anrufe bekommen haben ... „ Wenn sie mich doch nur nicht
wieder nach Salem bringen! – ich werde sterben.“ ---------
Nach einem Bericht
der Ärzte für Menschenrechte (PHR) vom 29.4. : Palästinensischem
Verhafteten wird das Recht auf medizinische Versorgung und
ein fairer Prozess verweigert
Jaber Dalane
wurde gerade – als dieser Bericht geschrieben wurde - vom
Krankenhaus in Afula zur Haftanstalt in Salem zurück gebracht.
Am 27.4. war eine
Anhörung eingetragen, die im Salemer Militärgericht stattfand.
Weder der Anwalt noch der Verhaftete waren anwesend. ....
Seine Haft wurde um
weitere 15 Tage verlängert.
(dt. und etwas gekürzt: Ellen Rohlfs)
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