J`Accuse –
ich klage an!
„Die Israelis sind Täter. Täter sein
macht Spaß!“
Von Abraham Melzer, 17.10.2018
“Israeli Border Policewoman Arrested on
Suspicion of Shooting Palestinian for
Fun.
Judge says suspect shot the man, who was
seriously wounded, 'as a dubious form of
entertainment'”
Oct 15, 2018,
Quelle
Als ich diese Nachricht in Haaretz las,
wollte ich meinen Augen kaum trauen.
Viel schneller als erwartet, ist in
Israel das Realität geworden, wovor ich
seit Jahren warne. Schon der reaktionäre
jüdische Publizist Henryk M. Broder
schrieb bereits vor fast zehn Jahren,
"Es stimmt, Israel ist heute mehr Täter
als Opfer. Das ist auch gut und richtig
so… es macht mehr Spaß, Täter als Opfer
zu sein." Damals hat es niemand ernst
genommen.
Heute müssen alle, die es jahrelang
ignoriert oder totgeschwiegen haben,
sich fragen, was sie sich dabei gedacht
haben? Etwa, dass Israel sich von selbst
besinnen und zur Normalität zurückkehren
würde, zur Bewahrung der Menschenrechte
und Achtung der Menschenwürde? Das hat
offensichtlich nicht stattgefunden.
Stattdessen wurde aus dem, was der
Schreibtischtäter im Übermut, und
möglicherweise auch zum Spaß,
geschrieben hatte, bittere Realität. In
Israel töten Soldatinnen und Soldaten
Palästinenser aus Spaß, zur
Unterhaltung. Selbst israelische Richter
meinen, dass dies eine seltsame Art von
„Entertainment“ sei.
Als ich das las, wünschte ich, dass die
Erde sich auftun und mich verschlingen
möge, so sehr habe ich mich geschämt.
Inzwischen meine ich, dass es für uns
alle und für den Weltfrieden besser
wäre, die Erde würde sich auftun und die
rassistisch-kolonialistischen Israelis
verschlingen, damit wir endlich Ruhe vor
ihrer Überheblichkeit und ihrer
Selbstgerechtigkeit haben.
Liebe Freunde, was ist bloß aus Israel
geworden? Eine 20jährige
Grenzschutzpolizistin schießt „just for
fun“, nur aus Spaß, auf einen
Palästinenser und verletzt ihn schwer?
Was für ein „Entertainment“ soll denn
das sein? In den
Nazi-Konzentrationslagern wurden auch
„zum Spaß“ Juden ermordet. Alle haben
sich amüsiert. Nur die Juden nicht.
Als Henryk Broder schrieb: „es macht
mehr Spaß, Täter als Opfer zu sein“,
meinte er damit die Israelis. Macht es
ihnen wirklich Spaß? Ja, sagte mein
Freund Hajo Meyer, der Auschwitz
überlebt hatte, ja, es macht Spaß – wenn
man kein Gewissen hat. Hajo Meyer nannte
Broder einen „Berufsüberlebenden“, weil
er überlebt hat und sich in seinen
letzten Lebensjahren um Gerechtigkeit
für die Palästinenser eingesetzt hat.
Es ist nicht das erste Mal, dass ein
wehrloser Palästinenser kaltblütig oder
aus Spaß angeschossen wurde, nachdem am
24. März 2016 der israelische Soldat
Elor Azaria dem verwundeten und hilflos
am Boden liegenden Palästinenser Abdel
Fata al-Sharif skrupellos aus nächster
Nähe eine Kugel in den Kopf schoss. Es
gab zwar eine Gerichtsverhandlung, die
aber mehr einer Jahrmarktsposse glich,
als einem ordentlichen
Gerichtsverfahren. Die Strafe von 18
Monaten war lächerlich gering, und nach
gerade einmal neun Monaten wurde er
bereits entlassen. Das Leben von
Palästinensern ist billig in Israel,
nachdem ein Richter in Beer Sheva einst
entschied, dass „jüdisches Blut
wertvoller ist als arabisches Blut“.
Skandalös war aber nicht nur das Urteil,
sondern vor allem die Tatsache, dass es
keinen Aufschrei in der israelischen
Gesellschaft gab, wie auch später, als
der Soldat Azaria seine Bluttat
durchführte. Wenn es so leicht und
billig ist, Palästinenser zu töten, dann
macht man es, weil man Spaß haben will
und weiß, dass es kaum eine Bestrafung
geben wird. Es ist wie bei den Nazis.
Man wurde lang genug durch
Propagandafilme z. B. dahingehend
manipuliert, dass das Leben von Juden
nicht mehr wert sei als das Leben von
Ratten. Und so wie man Ratten aus
Langeweile, zum Spaß tötet, so kann man
im heutigen Israel Palästinenser
erschießen, ohne dabei ein schlechtes
Gewissen zu haben. Die Israelis haben
erst vor kurzem an der Grenze zum
Gazastreifen gezeigt, wozu sie fähig
sind, als sie annähernd 200 (!)
Palästinenser erschossen und jedes Mal
nahezu in Ekstase gerieten, als sie
trafen. Es hat bestimmt sehr viel Spaß
gemacht! Man hat kein Gewissen und
folglich keine Gewissensbisse. Gewissen
ist ja eine jüdische Erfindung, und der
Zionismus hält nichts vom Judentum. *
Die kleine radikal-linke Organisation „Matzpen“
veröffentlichte 1967 – in der Euphorie
nach dem gewonnenen Sechstagekrieg! -
ein Inserat mit prophetischem Inhalt:
„Besatzung führt zu Fremdherrschaft.
Fremdherrschaft führt zu Widerstand.
Widerstand führt zu Unterdrückung.
Unterdrückung führt zu Terrorismus und
Gegenterrorismus. Die Opfer von
Terrorismus sind in der Regel
unschuldig. Wenn wir die besetzten
Gebiete behalten, werden wir eine Nation
von Mördern und Opfern.“ Jetzt ist es
soweit. Israel ist in der Tat ein Land
von Mördern und Opfern geworden.
Als Ersatz für das Wort
„Gegenterrorismus“ erfanden die Israelis
den Begriff „Vergeltung“, was ja ein
biblischer Begriff ist, der so gar nicht
nach Terror klingt. Und so stellen sich
die Israelis als die ewigen Opfer dar,
die sich ja immer nur verteidigen –
durch „Vergeltungsschläge“ –, und die
Palästinenser sind natürlich die ewigen
Terroristen.
Das ist der klare Ausdruck einer
Herrenvolkmentalität, wie sie einst die
Deutschen in Osteuropa, die Franzosen in
Nordafrika, die Engländer in Indien,
aber auch andere europäische Völker im
Zuge der Kolonialisierung der Welt an
den Tag gelegt haben. Jetzt ist auch aus
den jüdischen Israelis ein Herrenvolk
ohne Gewissen geworden. Täter sein macht
jetzt wirklich Spaß, und der
Schreibtischtäter Broder wird seine
Hände in Unschuld waschen – er hat ja
nur geschrieben. Ähnlich war es auch mit
dem Kölner Initiator der Mahnwache,
Walter Hermann, der von einer
fanatisierten Frau mit einem Messer
schwer verletzt wurde, kurz nachdem
Broder in seinem Blog empfohlen hatte,
Herrmann plattzumachen – eine
unzweideutige Aufforderung zur Tat!
Damals hat erstaunlicherweise kein
Journalist darüber berichtet, niemand
protestiert. Keiner hat daran gedacht,
dass „plattmachen“ auch totmachen
bedeuten könnte.
Daniel Barnboim verkündete neulich, dass
er sich wegen der Politik Israels
schämt. In meinem Archiv fand ich einen
Aufsatz, den ich 2005 geschrieben habe,
mit dem Titel: „Ich schäme mich“. Sich
schämen reicht aber nicht mehr, man muss
schreien, dagegen kämpfen, mit aller
Kraft, die man noch aufbringen kann. Es
geht darum, Israel vor jüdischen
Israelis zu retten, vor den fanatischen
Nationalisten, die, wie dieses 20jährige
Mädchen Opfer der Gehirnwäsche durch
ihre eigene Regierung, durch
gewissenlose Politiker und Publizisten –
Schreibtischtäter eben –geworden sind.
Wir sollten deshalb nicht dieses Mädchen
anklagen, sondern das ganze zionistische
System, am besten vor dem
Internationalen Gerichtshof in Den Haag.
In Israels Militärelite herrscht eine
regelrechte panische Angst, in Den Haag
verklagt zu werden. Die Militärführung
hat bereits Broschüren verteilt, wie man
sich in einem solchen Fall verhalten
sollte. Das zeigt, dass man sich in
Israel durchaus bewusst ist, dass
Israels Armee Kriegsverbrechen begeht.
Der Traum von der „moralischsten Armee
der Welt“ ist schon lange ausgeträumt.
Man weiß, dass Soldaten und Offiziere
Kriegsverbrechen begehen. Wann wird der
erste israelische Offizier in Den Haag
landen?
Schuldig sind aber auch die sogenannten
demokratischen Regierungen des Westens,
besonders die deutsche, die dazu
schweigen, wie Angela Merkel, die zur
Zerstörung des Beduinen-Dorfes Khan
al-Ahmar nichts Besseres zu sagen wusste
als: „Was in Israel passiert, geht uns
nicht an. Das ist eine inner-israelische
Angelegenheit.“ Der Internationale
Gerichtshof warnte Israel am 17. Oktober
2018, dass die Zerstörung des Dorfs ein
Kriegsverbrechen sein könnte.
Da müssen wir uns alle schämen, eine
solche Kanzlerin zu haben, die vor
Unrecht, Gewalt und Rassismus die Augen
verschließt: „Das geht uns nicht an“, so
ähnlich wie in den 30er Jahren
Regierungen überall auf der Welt gesagt
oder gedacht haben: Das Schicksal der
Juden geht uns nichts an.
Was mag diese Pfarrerstochter wohl aus
der Geschichte gelernt haben? Wie es
scheint, v. a. Egoismus und
Rücksichtslosigkeit, und ihr „Wir
schaffen das!“ war wohl eher ein der
Situation geschuldeter gefühlsduseliger
Ausrutscher. Sie schützt aber angeblich
die Juden in Deutschland, die keines
Schutzes bedürfen, mit der Witzfigur
eines „Antisemitismusbeauftragten“, der
dem Wort nach eigentlich den „Auftrag“
hat, Antisemitismus zu fördern. Wo
bleibt eigentlich der
„Flüchtlinsbeauftragter“? Sie verhöhnt
die Palästinenser, die echten Opfer, die
Juden der Juden, indem sie ihnen sagt:
„Euch kann und will ich nicht schützen!“
Das internationale Renommee, das sie mit
ihrer Entscheidung in der Flüchtlings
Frage genoss, hat sie längst verspielt.
Es brennt, Brüder, es brennt. Wenn ihr
Israel helfen wollt, dann sofort, denn
es ist nicht fünf Minuten vor Zwölf, es
ist schon Zwölf, und bald wird es zu
spät sein. Wer jetzt noch schweigt,
macht sich mitschuldig. Wer jetzt noch
schweigt, muss überlegen, was er seinen
Kindern und Enkelkindern erzählen will,
wenn sie ihn eines Tages fragen sollten:
Was hast du damals gemacht, als man die
Palästinenser verraten hat? Mit seinem
berühmten Lied, Undzer shtetl brent,
wollte Mordechai Gebirtig die Juden
Osteuropas wecken und vor der kommenden
Gefahr warnen. Die Juden aber zogen es
vor, weiter zu schlafen, bis es zu spät
war. Mein Vater verließ Deutschland
schon Anfang 1933, da er ahnte, was
kommen würde. Seine Familie hat ihn
ausgelacht. Am Ende musste er sie 1938,
nach der Kristallnacht, mit Mühe und
Beziehungen aus Deutschland rausholen
und sie damit vor der Vergasung retten.
Es brennt Brüder, es brennt! Jetzt
müssen wir alle laut aufschreien und
Israels Regierung anklagen. Und wie
einst Emil Zola die französische
Regierung mit seinem „J`Accuse“
aufschreckte, müssen wir heute die
israelische Öffentlichkeit wachrütteln.
Bei der gegenwärtigen nationalistischen
und chauvinistischen Regierung Benjamin
Netanjahus und
chauvinistisch-rassistischen Ministern
wie Bennet, Shaked und Regev, macht es
keinen Sinn, an diese einen Aufruf zu
richten. Bleibt zu hoffen, dass im Volk
noch ein Rest von Anstand und Vernunft
vorhanden ist. Auch wenn man immer
wieder hört, dass Moral nichts mit
Politik zu tun hat, möchte ich Ihnen,
lieber Leser, versichern, dass dies eine
Lüge der Politiker ist, denen es nur
darum geht, an der Macht zu bleiben,
koste es was es wolle. Lasst euch nicht
euer Gehirn waschen. Nicht von einem
Donald Trump und erst recht nicht von
einem Rassisten wie Benjamin Netanjahu.
Politik ohne Moral ist letztendlich zum
Scheitern verurteilt. Im vergangenen
Jahrhundert, dem Zwanzigsten, haben wir
genug Beispiele gescheiterter Regime
gesehen, die auf Moral „verzichtet“
haben und am Ende auf dem Misthaufen der
Geschichte gelandet sind: Der russische
Kommunismus, der deutsche
DDR-Sozialismus, das Polpot-Regime in
Kambodscha, das Apartheid-Regime in
Südafrika, Idi Amins Diktatur in Uganda
und manch andere Gewaltherrschaft von
Cuba bis Portugal. Gute Politik lebt von
Recht und Gerechtigkeit, von Moral und
Menschenrechten und vor allem von
Meinungsfreiheit. Dafür haben wir 1948
die Charta der Menschenrechte von den
Vereinten Nationen und von allen
Staaten, die damals Mitglied waren,
unterschreiben lassen. Und das ist gut
so.
*Lesen Sie dazu das Buch von Jakov
Rabkin: Der Widerstand des Judentums
gegen den Zionismus